Warum sind manche Menschen überaus erfolgreich, während andere scheitern? Das fragte sich der deutsche Historiker und Unternehmer Rainer Zitelmann. Um der Frage auf den Grund zu gehen, untersuchte er die Lebensgeschichten 50 erfolgreicher Frauen und Männer – vor allem von Unternehmensgründern, aber auch von Spitzenmanagern, Sportlern und Entertainern. Die Ergebnisse veröffentlichte Zitelmann in dem Buch "Setze dir größere Ziele!", erschienen im Redline-Verlag. Im Interview erklärt er, was alle Persönlichkeiten, die er vorstellt, gemeinsam haben. Vorweg: Zufall oder Glück spielten bei ihrem Erfolg eine eher untergeordnete Rolle.

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Arnold Schwarzenegger trainierte wie ein Besessener. Als am Wochenende einmal sein Trainingsraum verschlossen war, habe er wie ein Einbrecher die Scheibe eingeschlagen, um an die Geräte zu kommen, berichtet Rainer Zitelmann in seinem Buch.
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STANDARD: Was half den Menschen, die Sie in Ihrem Buch vorstellen, beim Erreichen ihrer Ziele?

Zitelmann: Zunächst setzen sie sich sehr viel größere Ziele als andere. Um sie zu erreichen, ist Ausdauer wichtig, aber noch wichtiger ist Experimentierfreudigkeit: Für Unternehmer heißt das etwa, nicht starr an einem Geschäftsmodell festzuhalten, sondern es jederzeit wieder zu ändern und offen zu sein. Zudem haben erfolgreiche Menschen die Fähigkeit, in Krisensituationen zu wachsen.

STANDARD: Welche Vita hat Sie besonders beeindruckt?

Zitelmann: Die von Arnold Schwarzenegger, der aus einfachen Verhältnissen kommt und in so verschiedenen Bereichen unglaublich viel erreicht hat. Er wurde der erfolgreichste Bodybuilder der Welt, machte Fitness zur populären Sportart, wurde dann einer der bestbezahlten Actionschauspieler in Amerika und schließlich zweimal zum Gouverneur von Kalifornien gewählt. Das gelang auch, weil er sich große Ziele gesetzt hat.

STANDARD: Das ist auch der Appell Ihres Buches. Aber demotiviert es nicht, sich sofort den Marathon vorzunehmen? Wäre die halbe Distanz nicht besser?

Zitelmann: Natürlich braucht man auch Zwischenziele. Aber manchmal ist es einfacher, sich ein größeres Ziel vorzunehmen. Nehmen wir an, Sie wiegen 150 Kilo. Sie könnten sich vornehmen, zehn abzunehmen. Wenn Sie es erreicht haben, dann sind Sie aber immer noch übergewichtig. Mich würde das nicht richtig motivieren. Ich wäre motivierter, eine tolle, muskulöse Figur mit 75 Kilo anzustreben, auf die ich stolz bin.

STANDARD: Die Personen in Ihrem Buch sind regelrecht besessen von ihren Zielen. Schwarzenegger zum Beispiel konnte sich vor lauter Muskelkater nicht mehr die Haare kämmen. Work-Life-Balance Ade ...

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Im zarten Alter von elf Jahren verkündete Warren Buffett, er werde mit 35 Millionär sein. Dieses Ziel erreichte er bereits mit 30. Fokus half ihm dabei.
Foto: getty images/Paul Morigi

Zitelmann: Work-Life-Balance ist für mich ein zutiefst deprimierender Begriff, denn er suggeriert, dass das Leben nur außerhalb der Arbeit stattfindet. Die porträtierten Menschen haben Erfüllung in ihrer Arbeit gefunden. Aber natürlich ist auch Entspannung wichtig. Viele, wie der Unternehmer John D. Rockefeller oder Torhüter Oliver Kahn, haben das übersehen und sind ins Burnout geschlittert.

STANDARD: Alle genannten Persönlichkeiten sind reich und berühmt. Kann Erfolg nicht auch bedeuten: Ich mache, was ich sinnvoll finde – und zwar im Kleinen, etwa als Lehrerin?

Zitelmann: Erfolg heißt, dass ich erreiche, was ich mir vornehme. In der Tat haben sich diese Menschen andere Ziele gesetzt, als Lehrerin zu werden. Geld, Ruhm oder Macht sind für viele nun einmal eine wichtige Motivationsquelle, aber auch Idealismus, Neugier oder das Verlangen, anderen zu helfen, können ein Antrieb sein.

STANDARD: Bill Gates und Warren Buffett meinen: Fokus habe bei ihnen die wichtigste Rolle gespielt. Was gilt für jene, die nicht so genau wissen, wo sie hinwollen?

Zitelmann: Wer das nicht weiß, hat vielleicht einfach verlernt zu träumen. Als Kinder haben wir alle Träume – üblicherweise nicht von einem langweiligen Bürojob. Später geben die meisten Menschen ihre Träume auf und sich mit dem zufrieden, was "realistisch" ist. Ich finde das traurig. Weiterträumen zahlt sich aus.

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Coco Chanel stellte sich mit ihren Kreationen gegen alle damaligen Konventionen. Sie kürzte Röcke und entwarf Hosen. Sie verwendete körperbetonenden Jersey-Stoff, der bis dahin als Tabu galt.
Foto: getty images/Evening Standard

STANDARD: Boris Becker legte sich schon sehr früh auf eine Sache fest – Tennis. Sollte man nicht Verschiedenes ausprobieren?

Zitelmann: Becker hat sehr wohl ausprobiert, aber erkannt, dass ihm Tennis am meisten liegt. Später hat er sich auch als Unternehmer und Investor versucht und musste wohl feststellen, dass ihm dafür die Voraussetzungen fehlen.

STANDARD: Wichtig ist auch, kein Nein zu akzeptieren. Starbucks-Erfinder Howard Schultz erhielt viele Absagen – in den USA der 1980er schien es undenkbar, hochwertigen Kaffee to go auszuschenken. Wie blieb er so hartnäckig?

Zitelmann: Schultz begann als Verkäufer, so wie Ray Kroc, der McDonald's groß gemacht hat. Verkäufer haben eine hohe Frustrationstoleranz, die für erfolgreiche Menschen besonders wichtig ist.

STANDARD: Der Mut, anders zu sein, machte Coco Chanel zur erfolgreichen Modeschöpferin. Sie kreierte unzeitgemäße funktionale Mode, entwarf Hosen für Frauen. Ist Mut trainierbar?

Zitelmann: Natürlich. Mut heißt ja nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz Ängsten zu handeln. Die meisten erfolgreichen Menschen sind Nonkonformisten.

STANDARD: Auch Sängerin Madonna brach Tabus. Wie setzt man das in einem "normalen" Job um?

Über US-Sängerin Madonna schreibt Zitelmann: "Ein Mittel, um berühmt zu werden, war für Madonna die gezielte Provokation." Wenn sie das Gefühl hatte, dass sie es überzogen hatte, wurde sie wieder mehr Mainstream.
Foto: APA/AFP/ANGELA WEISS

Zitelmann: Madonna war eine durchschnittliche Sängerin, die es verstand, sich selbst zu einer Marke zu machen. Selbstvermarktung ist für jede und jeden ungeheuer wichtig, auch für Angestellte in einer Firma. Damit haben immer noch einige ein Problem, weil sie Sprüche wie "Bescheidenheit ist eine Zier" verinnerlicht haben.

STANDARD: Sie schreiben, erfolgreiche Menschen sind konfliktfreudiger. Henry Ford flippte regelmäßig vor seinen Mitarbeitern aus. "Sei ein Tyrann!" – ist das wirklich ein Ratschlag, den Sie geben?

Zitelmann: Manche verhielten sich tatsächlich wie Tyrannen, aber auf der anderen Seite konnten sie gute Leute in ihren Firmen unglaublich mitreißen. Sie waren also nicht wegen, sondern trotz dieser Eigenschaft erfolgreich.

STANDARD: Wie stark hängt Erfolg schließlich auch vom Zufall ab?

Zitelmann: Nichts wird mehr überschätzt als die Rolle des Zufalls. Niemand hat sein ganzes Leben lang nur Glück oder nur Pech. Über die Jahrzehnte gleicht sich das in der Regel aus. Es geht also nicht darum, ob einem glückliche Zufälle begegnen, sondern darum, ein Auge dafür zu haben. Erfolgreiche Menschen bekommen nicht mehr Chancen als erfolglose, sie ergreifen sie nur öfter anstatt zu überlegen, ob das klug ist. (Lisa Breit, 3.1.2020)