Arrangement einer Epoche: die klassische Moderne und die zugehörige Sammlung des Mumok, aufgefächert in ihrer ganzen Vielfalt.

Mumok / Lisa Rastl

Rote Säulen und Holzplanken verbinden den Raum vom Boden bis zur Decke oder zerschneiden ihn horizontal. Sattes Gelb und Blau bilden rechteckige Felder an den Wänden oder färben ganze Raumecken ein. Zäune und in ihrer Höhe variierende Trennwände gliedern den Raum. Betritt man die Ausstellung Im Raum die Zeit lesen. Moderne im Mumok 1910 bis 1955 gleich im Erdgeschoß des Mumok, könnte man meinen, in ein dreidimensionales Gemälde Piet Mondrians getreten zu sein. Oder auf dem rot-blauen Stuhl von Gerrit Thomas Rietveld Platz genommen zu haben. Beide Kunstwerke – also Rietvields Stuhl sowie die Komposition mit Doppellinie und Blau (unvollendet) Mondrians – befinden sich in der Schau, die vor allem eines tut: die klassische Moderne und die zugehörige Sammlung des Mumok in ihrer ganzen Vielfalt aufzufächern.

Wucht von 200 Kunstwerken

Denn diese Werkewucht, die einen hier erwartet, muss erst einmal gebändigt werden. Um die beinahe 200 Kunstwerke in der offenen Ausstellungshalle zeigen zu können, zog die Kuratorin Susanne Neuburger nicht nur die vielen Trennwände ein, sondern stellte auch schwarze Quader auf. Können diese sogar eine Referenz auf Das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch sein?

An allen freien Wandflächen reihen sich Gemälde aneinander und geben einen üppigen Einblick in die europäische Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Da hängen ein Kokoschka neben einem Kandinsky, Picassos Sitzende Frau mit grünem Schal unweit von einem Monochrome Bleu Yves Kleins oder Kurt Schwitters dicht bei Max Ernst. Weiter hinten spiegelt sich die Raumarchitektur in einem Schaukasten des russischen Künstlers Wladimir Tatlin wider – oder ist es umgekehrt?

Podeste sind ebenfalls mit Stoffen ausgelegt und dienen als weitere Fläche, auf der Objekte wie der Tisch mit Vogelfüßen von Meret Oppenheim, ein Teppich Hans Arps und ein Modell von Adolf Loos oder abstrakte Skulpturen von Sophie Taeuber-Arp und Alberto Giacometti Platz finden.

Durchblicke

Zugleich können hier die Ausstellungstexte gelesen werden, die auf vier Kunstprojekte der Avantgarde der 1920er Bezug nehmen: die Theaterausstellung Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik Friedrich Kieslers in Wien (1924), Làszlò Moholy-Nagys und Lajos Kassàks Buch neuer Künstler (1922), El Lissitzkys und Hans Arps Publikation Kunstismen (1924) sowie Hans Tietzes Ausstellung Die Kunst in unserer Zeit (1930). Diese thematische und räumliche Teilung ordnet die verwinkelte Struktur der Schau in fünf Abschnitte, wobei diese ineinander übergehen und somit keine strenge Reihenfolge vorgeben.

Zwischen den Wänden lässt sich hindurchschlüpfen, durch die Zaunlatten hinausspähen, und in den verspiegelten Wänden lassen sich reflektierende Blicke erhaschen. Ein Konzept, das ganz bewusst die Chronologie der Moderne durcheinanderbringt und fragt: Kann die Moderne als Epoche überhaupt gefasst werden? Durch einen schmalen Gang gelangt man schließlich zum Ausgang, wo ein Joseph Beuys ohne Titel wie zum Abschied winkt. (Katharina Rustler, 20.12.2019)