"Golden Eye 007" war 1997 ein riesiger Erfolg und prägt das Shooter-Genre bis heute.

Foto: Rare

Eigentlich hätte "Golden Eye 007" nur ein Marketinginstrument für "James Bond 007 – Golden Eye" sein sollen. Der Film erschien in der Weihnachtszeit 1995. Im selben Jahr wurde auch Rare mit der Entwicklung des Spiels beauftragt. Das britische Studio hatte sich mit Klassikern wie "Battletoads" oder "Donkey Kong Land" einen Namen gemacht. "Golden Eye 007" war als kleines Seitenprojekt vorgesehen, weswegen das Team auch nur aus weniger als zehn Personen bestand.

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Immer wieder Verzögerungen

Alle Beteiligten gingen hochmotiviert an die Sache, bis der erste Rückschlag kam. Das Spiel würde nie zur Veröffentlichung des Films fertig werden. Monate vergingen mit nur wenig Fortschritt. Die Entwickler hatten allerdings Gefallen an dem Projekt gefunden und wollten es trotz mehrmaliger Verzögerung fertig bekommen. Bei Nintendo hingegen brodelte es. Mit "James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie" stand der nächste Bond-Film 1997 bevor. Bis dahin sollte das Game fertig werden.

Multiplayer sehr spät umgesetzt

Obwohl der Zeitdruck immens war und das Team weit mehr als 40 Stunden im Büro verbrachte, rückte irgendwann der Multiplayer-Modus in den Fokus der Entwickler. Game Director Martin Hollis hatte aufgrund der vier Controller-Ports des N64 sehr früh die Idee für ein derartiges Feature. Intern fing man also an, zu experimentieren und spielbare Prototypen zu entwickeln.

Die Entwickler hatten mit dem Multiplayer-Modus derart viel Spaß, dass sie sich dazu entschieden, Nintendo und das Management von den Plänen zu unterrichten. Aufgrund der Verzögerungen ein risikoreiches Unterfangen. Die Führungskräfte konnten sich aber aufgrund des Gebotenen letztlich doch erweichen lassen, da sie von dem Unterhaltungspotenzial gleichermaßen überzeugt waren.

Foto: Bea Jones

Monatelang 100 Stunden pro Woche gearbeitet

Trotzdem drängte die Zeit. In ein paar Monaten sollte das Spiel fertig sein – koste es, was es wolle. Mit dem Druck konfrontiert, fing das Team an, praktisch nur mehr an "Golden Eye" zu arbeiten. Private Verpflichtungen mussten warten. "Wir waren alle Single und zwischen Ende 20 beziehungsweise Anfang 30. In den Monaten vor dem Release war es nicht ungewöhnlich, dass wir mehr als 100 Stunden in der Arbeit verbracht haben", schildert einer der Beteiligten gegenüber "Melmagazine".

Game Director Hollis ging noch einen Schritt weiter. Zweieinhalb Jahre lang arbeitete er 80 Stunden pro Woche an dem Spiel. Gegenüber dem STANDARD erzählt der Brite, dass er diesen Aufwand niemals bereute. Der Erfolg des Spiels habe ihm Recht gegeben. Einen negativen Einfluss auf die Qualität des Spiels schließt Hollis ebenso aus. Ein Opfer musste er aber sehr wohl erbringen. So hatte der Brite nach der Veröffentlichung des Spiels monatelang mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

Nur ein billiger "Doom"-Abklatsch?

Dass die Entwickler ihr Privatleben hintanstellten, ging auch darauf zurück, dass sie ständig mit dem Gedanken beschäftigt waren, dass "Golden Eye 007" ein riesiger Misserfolg werden könnte und man Fans enttäuschen würde. Selbst zum Release war sich das Team nicht allzu sicher, wie sich das Game verkaufen würde. Zur damaligen Zeit sagte man sämtlichen Shootern nach, dass sie doch nur ein Abklatsch von "Doom" seien. Vor diesem Urteil hatten die Entwickler besonders Angst, hatten sie doch tatsächlich innovative Features integriert.

Mit zahlreichen Preisen überhäuft

Die Furcht vor einem Misserfolg war absolut unberechtigt. "Golden Eye 007" erschien am 25. August 1997 und verkaufte sich mehr als acht Millionen Mal. Bei der E3 und den Game Awards räumte der Shooter zudem zahlreiche Preise ab. Bei erstgenannter Messe wurden gar sämtliche Auszeichnungen in allen nominierten Kategorien gewonnen. Für einen Großteil des Erfolgs war der Multiplayer-Shooter verantwortlich, an dem die Arbeit nur sechs Monate vor Release angefangen hatte.

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Freundschaften aufgebaut und zerstört

Der Splitscreen-Modus hatte zur Folge, dass man sich zu viert für "Golden Eye 007" traf und den ganzen Abend lang auf der Couch gemeinsam zockte. Das Spiel verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Was man bei dem einen Freund gespielt hatte, wollte man unbedingt auch daheim selber mit weiteren Freunden ausprobieren. Die intensiven und aufgrund der unterschiedlichen Figuren teils ungerechten Auseinandersetzungen dürften in dieser Zeitspanne die eine oder andere Freundschaft irreversibel geschädigt haben. Selbst die Entwickler gestanden ein, dass die Nutzung von "Oddjob" aufgrund seiner Größe eindeutig unfair war.

Auch Hollis betont gegenüber dem STANDARD, dass die Nutzung von "Oddjob" definitiv unfair war – außer man ist ein deutlich schlechterer Spieler, der einen Handicap benötigt. Die Lieblingsfigur des Briten ist aber eine ganz andere, nämlich Natalya. "Du musst genau aufpassen, was sie macht. Selbst wenn du schießt, stellt sie sich vor dich und erledigt dich. Das finde ich einfach nur saukomisch".

Das Vermächtnis dauert bis heute an

Das Vermächtnis von "Golden Eye 007" dauert bis heute an. Das Spiel von Rare sorgte dafür, dass sich ein realistisches Setting bei Shootern durchsetzen konnte und dass Multiplayer massentauglich wurden. Auch der Einsatz von "Stealth"-Elementen war bahnbrechend. Spieler konnten zum ersten Mal entscheiden, ob sie nun schleichend vorgehen oder sich wie Rambo durch die Gegnermassen schießen. Schalldämpfer und Zielfernrohre waren ebenso Elemente, die heute nicht mehr wegzudenken sind, mit dem Spiel aber erstmals eingeführt wurden.

Nie wieder an Erfolg angeschlossen

Erst "Halo" konnte vier Jahre später einen ähnlichen Erfolg erzielen und das Shooter-Genre weiterformen. Das Entwicklerteam von "Golden Eye 007" war unterdessen mit einem anderen Game beschäftigt. "Perfect Dark" wurde 2000 für den Nintendo 64 veröffentlicht. Ein ähnlicher Erfolg wie beim Vorgängerprojekt konnte dieses Mal aber nicht erzielt werden, obwohl der Shooter erneut mit positiven Kritiken überhäuft wurde. "Golden Eye 007"-Nachfolger "Der Morgen stirbt nie" wurde unterdessen von einem anderen Entwicklerteam in Angriff genommen. Auch hier war das Interesse nicht mehr so groß.

Aus für Team nach "Perfect Dark"

Das zehnköpfige Team zerstreute sich unterdessen. Game-Director Martin Hollis nahm sich eine Auszeit, um danach ein neues Studio namens Zoonami zu gründen, das bis 2009 Spiele veröffentlichte. Der für die Umgebung verantwortliche Entwickler Karl Hilton ist der Branche erhalten geblieben. Er ist Studiochef von Sumo Digital, das 2019 "Team Sonic Racing" veröffentlichte. Der leitende Entwickler Marc Edmonds, der im Alleingang den Multiplayer-Modus entwickelte, ist nun bei Starfire Studios.

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Wieso es kein Remake gibt

Ein Remake oder Remaster hat es von "Golden Eye 007" nie gegeben. Heute haben Spieler immerhin die Möglichkeit, den Shooter mit einem Emulator zu spielen. Eine moderne Version des Spiels wird es wohl so bald auch nicht geben, wie einer der Entwickler erzählt: "Ich denke nicht, dass es Sinn macht, ein Remake von 'Golden Eye' zu veröffentlichen. Der Shooter ist ein Produkt seiner Zeit und ein wichtiger Moment in der Gaming-Geschichte. Sowas kann man heute einfach nicht mehr reproduzieren, weil das Spiel heute wohl nicht mehr allzu gut dastehen würde." (Daniel Koller, 24.12.2019)