Vor der Neuen Burg, die das Haus der Geschichte beherbergt, thront das Reiterdenkmal des Prinzen Eugen. Das Heeresgeschichtliche Museum hält unter anderem dessen Brustharnisch in Ehren. Beide Orte sind kulturpolitisch umkämpft.

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Dem byzantinisierenden Historismusbau von Parlamentsarchitekt Theophil Hansen ist die k. u. k. Heldenverehrung architektonisch eingeschrieben. Die "Feldherrenhalle" des Heeresgeschichtlichen Museums zeugt davon.

Heeresgeschichtliches Museum

Das Äußere Burgtor soll seit Jahren musealisiert und überarbeitet werden. Die ursprünglichen Pläne für das Haus der Geschichte sahen eine Einbeziehung in das Konzept vor. Regierungsbrüche sowie die Zuständigkeit des Verteidigungsministeriums hemmen allerdings ein Vorankommen.

Im Juli 2012 kam es am Wiener Heldenplatz zu einem sensationellen Fund von zeithistorischer Bedeutung: In der Krypta des Äußeren Burgtors, das im austrofaschistischen Ständestaat zum Heldentor umfunktioniert wurde, entdeckte man unter einer Skulptur des toten Soldaten eine metallene Zeitkapsel von 1934. Sie enthielt brisante Schriftstücke. Der Bildhauer Wilhelm Frass hatte heimlich eine NS-verherrlichende Botschaft hinterlassen, sein Assistent Alfons Riedel hingegen eine pazifistische.

Der Fund verdeutlicht wie kein anderer die politische Zerrissenheit der Zwischenkriegszeit und hätte gut in das neue Haus der Geschichte Österreich (HGÖ) gepasst, das 2018 zum 100-jährigen Republiksjubiläum in der Neuen Burg angrenzend an das Burgtor eröffnete. Doch dem war nicht so.

Die Stücke kamen ins Heeresgeschichtliche Museum (HGM) im Arsenal, wo sie im seit Jahren kritisierten Saal "Diktatur und Republik" nebst einer unkommentiert ausgestellten Dollfuß-Huldigungstafel ihr Dasein fristen. Die Gründe sind so banal wie skurril: Das Burgtor untersteht der Verwaltung des Bundesheeres und somit wie auch das HGM dem Verteidigungsministerium. Das HGÖ hingegen wurde vorerst der Nationalbibliothek angeschlossen und gehört daher zum Kulturministerium – konkurrierende Bürokratie, die in Österreich bekanntlich so manches verunmöglichen kann.

Rechte instrumentalisieren HGM

2020, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wird sich die neue Bundesregierung zur Zukunft der beiden Museen Gedanken machen müssen. Denn beide Häuser stehen in der Kritik. Aus unterschiedlichen Gründen.

Das 1869 eröffnete Heeresgeschichtliche ist eines der ältesten Militärmuseen der Welt. Dem byzantinisierenden Historismusbau von Parlamentsarchitekt Theophil Hansen ist die k. u. k. Heldenverehrung architektonisch eingeschrieben. Offiziell will der Leiter M. Christian Ortner, der das Haus seit seinem Amtsantritt im Jahr 2005 von 50.000 auf 240.000 Besucher jährlich brachte, von "Hurrapatriotismus" nichts wissen. Den programmatischen Slogan "Kriege gehören ins Museum" hat er selbst erfunden, Geschichtsverklärung und Museen als "Military Disneyland", wie es sie international auch gibt, sind dem 50-Jährigen laut eigenen Aussagen zuwider. Kritik häuft sich dennoch.

Diesen Herbst machte der Grünen-nahe Blog "Stoppt die Rechten" publik, dass im Museumsshop Wehrmachts-Merchandise angeboten wird. Das Personal, das sich weitgehend aus dem Bundesheer rekrutiert, sei von Burschenschaftern durchsetzt. Martin Sellner, Chef der rechtsextremen Identitären, huldigte seinem "Lieblingsmuseum" in einem selbstgedrehten Video, auch der Christchurch-Attentäter hatte es besucht. Gegen politische Instrumentalisierung kann sich ein Museum zwar schwer wehren, dennoch stellt sich die Frage, wie anschlussfähig das HGM für den rechten Rand ist.

Tradition und Intervention

Verteidigungsminister Thomas Starlinger reagierte und setzte eine Evaluierungskommission ein. Deren Vorsitzender, Museumsbund-Chef Wolfgang Muchitsch, nennt als mögliche Vorbilder für eine Erneuerung das Militärhistorische Museum Dresden und das Imperial War Museum London: Es gehe heute darum, einerseits die Entwicklung des Militärwesens als Teil der Gesellschaft über die Jahrhunderte zu präsentieren und andererseits die Ursachen von Kriegen und deren Auswirkungen aufzuzeigen.

Der Militärhistoriker Dieter Binder (Uni Graz) sieht das ähnlich. Militärgeschichte sei Gesellschaftsgeschichte. Dass dem HGM nach wie vor auch die Traditionspflege des Bundesheeres obliegt, erschwere aber die oft geforderte Ausgliederung aus dem Verteidigungsministerium und Umwandlung in ein dem Kulturressort unterstelltes Bundesmuseum.

HGM-Chef Ortner, der sich vor Ende der Evaluierung nicht konkret äußern möchte, argumentiert gegen eine solche Ausgliederung: Jeder Transport eines Panzers etwa würde teurer kommen, während man aktuell direkt auf die Heereslogistik zugreifen könne. Klar ist aber auch, dass am Tropf des klammen Heeresbudgets jede Erneuerung scheitern muss.

Der Saal "Republik und Diktatur", der sich der Zeit 1918 bis 1946 widmet und im Mittelpunkt der Kritik steht, existiert erst seit 1998. Notdürftig eingerichtet, sollte er ein Vakuum füllen, da es auf Bundesebene keinerlei museale Darstellung dieser Zeit gab. Kritisiert wird der Saal, weil er keinen durchgängigen roten Faden bietet, sondern Objekte für Laien unverständlich aneinanderreiht.

Das wiederum hatte mit den divergierenden Ansichten der Parteien zur Zwischenkriegszeit zu tun, was sich auch in Interventionen äußerte: Von konservativer Seite gab es etwa Kritik, wenn das HGM Ignaz Seipel zu nahe an Engelbert Dollfuß heranrückte, Sozialdemokraten beschwerten sich, wenn man eine Schutzbunduniform mit Gewehr ausstattete.

Neubau auf dem Heldenplatz

Von der unter der Regierung Wolfgang Schüssel diskutierten Idee, das HGM mit einem Haus der Geschichte zu verbinden, ist man heute weit abgerückt. Wohl zu Recht, denn eine weitere Expertengruppe, die das HGÖ in der Neuen Burg evaluierte, kam zu einer anderen Empfehlung: Langfristig sei für das Haus, das mehr Raum braucht, ein Neubau auf dem Heldenplatz die beste Variante, kurzfristig solle man aber auch über eine Erweiterung in der Neuen Burg nachdenken. Den Heldenplatz als zentrumsnahen, zivilgesellschaftlich lebendigen Standort halten die meisten Experten für sinnvoll. Mit einem erneuerten HGM solle man eng zusammenarbeiten, so der Wunsch.

Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen und wichtige Stimme, falls eine türkis-grüne Koalition zustande kommt, hält allerdings von beiden Häusern wenig. Das HGÖ solle man entweder zusperren oder neu bauen, meint sie, "aber nicht am Heldenplatz und nicht in der Neuen Burg". Ihr schwebt ein dezentralerer Standort vor, "wo die Menschen leben und einen niederschwelligen Zugang haben". Für das HGM schlägt Blimlinger eine Ausgliederung sowie eine "grundlegende inhaltliche Überarbeitung" vor. "Die völlig unkritische Habsburg-Verehrung" müsse ein Ende haben.

Klar ist: Damit von all dem nicht nur Pulverdampf und heiße Luft übrigbleibt, wird die kommende Regierung mehr Geld lockermachen müssen. Und daran – da sind sich die Experten unisono einig – ist in der Vergangenheit schon zu viel gescheitert. (Stefan Weiss, 20.12.2019)