Der VKI hat 16 Sammelklagen gegen drei Versicherer laufen. Tausende offene Fälle liegen bei Anwälten und Gericht.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der Causa Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen wegen fehlender oder falscher Rücktrittsbelehrung einige Punkte geklärt:

  • Ewiges Rücktrittsrecht: Laut EuGH ist es egal, wann und aus welcher Quelle ein Versicherungsnehmer über (s)eine Falschbelehrung erfahren hat. Wurde er nicht ordnungsgemäß über seine Rücktrittsrechte belehrt, bleibt ihm ein ewiges Rücktrittsrecht erhalten.
  • Erfüllte Verträge: Der EuGH hat festgehalten, dass das ewige Rücktrittsrecht auch bei vollbeendeten Verträgen aufrechtbleibt. Damit können Versicherungsnehmer von ihrem Vertrag auch zurücktreten, wenn dieser bereits beendet ist: egal ob der Vertrag erfüllt oder vorzeitig gekündigt wurde.
  • Gesetzgebung: Laut EuGH ist es dem nationalen Gesetzgeber untersagt, eine Regelung zu erlassen, wonach man auch bei fehlender oder mangelnder Belehrung nur den Rückkaufswert (und nicht den Rücktrittswert) erhält.
  • Schriftlichkeit: Hier war strittig, ob Versicherungsnehmer ihre Kündigung / ihren Rücktritt per Brief einreichen müssen oder ob eine E-Mail dafür ausreicht – obwohl im Gesetz eine solche Formvorschrift nicht vorgesehen ist. Wichtig ist hier das Faktum der handschriftlichen Unterschrift – nur dann gilt in Österreich die Schriftlichkeit als erfüllt. Hier hat der EuGH den Ball an den Obersten Gerichtshof in Österreich zurückgespielt, der diese Frage nun klären muss.
  • Verzinsung: Hier ging es um die Frage, ob ein nationaler Gesetzgeber festlegen darf, dass nach berechtigtem Rücktritt vom Versicherer nur für drei Jahre Zinsen zu zahlen sind. Der EuGH sagt, dass der Gesetzgeber die Verjährung der Zinsen nur unter gewissen Umständen auf drei Jahre einschränken darf. Das müssen die nationalen Gerichte noch klären.

Der Verein für Konsumenteninformation hält den EuGH-Spruch für konsumentenfreundlich. Der VKI hat 16 Sammelklagen gegen drei Versicherer laufen. Tausende offene Fälle liegen bei Anwälten und Gericht. Anwalt Michael Poduschka glaubt, dass mit dem EuGH-Spruch das von ÖVP/FPÖ eingebrachte Gesetz zur Regelung der Rücktrittsrechte vor dem Verfassungsgericht nicht halten wird. Auch Anwalt Robert Haupt sieht mit dem EuGH-Spruch das neue Gesetz hinfällig, weil es von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf.

Der Versicherungsverband begrüßt, "dass der EuGH entschieden hat, dass eine Rücktrittsbelehrung nicht per se fehlerhaft ist, weil Versicherer fordern, dass Rücktrittserklärungen schriftlich eingereicht werden sollten". Man vertraue darauf, dass der OGH im Sinne der Versicherer entscheidet. Eine schriftliche Rücktrittserklärung diene der Beweisbarkeit und Feststellung der Identität. Zudem habe der EuGH klargestellt, dass er Spekulationen mit nachträglichen Rücktritten, um höhere Rendite zu erzielen, ablehnt.(20.12.2019)