Nancy Pelosi erteilte Donald Trump eine Lektion – dessen Rache wird nicht lange auf sich warten lassen.

Foto: AFP / Jeff Kowalsky

Den Makel wird er nicht wieder los. Das Wort Impeachment wird an Donald Trump kleben wie ein Etikett, das sich nicht mehr abziehen lässt. Eine öffentliche Demütigung, gerade für ihn, der so oft in prahlerischen Tweets wissen lässt, dass keiner seiner Vorgänger den Job im Weißen Haus auch nur annähernd so gut gemacht hat wie er. Indem das Repräsentantenhaus für eine Amtsenthebungsklage stimmte, hat es den Egomanen empfindlich in dessen Ego gekränkt.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Trump nun auf seinen Abgang zusteuert. Die republikanischen Senatoren werden ihn dank ihrer Mehrheit vor dem Absturz bewahren, wenn im neuen Jahr das eigentliche Verfahren ansteht.

Und dass ein Impeachment nicht zwangsläufig zu Popularitätsverlust führen muss, hat man bei Bill Clinton gesehen: Der schwang sich nach dem Freispruch im Senat zu neuen Höhenflügen auf, um schließlich als erfolgreicher Präsident in wirtschaftlich günstigen Zeiten in die Geschichtsbücher einzugehen. Der Meineid nach der Sexaffäre mit Monica Lewinsky, der ihn einem Impeachment aussetzte, hat zwar Kratzer am Lack hinterlassen, die Marke Clinton aber nicht auf Dauer beschädigt.

Gut möglich, dass sich das bei Trump wiederholt; dass er im November die Wahl gewinnt und bis Jänner 2025 im Oval Office regiert. Amtsinhaber haben in aller Regel gute Karten – dann, wenn der Konjunkturmotor brummt.

1998 ist nicht 2019 ...

Allerdings hinkt der Vergleich. Zum einen, weil Clinton damals, in seiner zweiten Amtszeit, nicht wiedergewählt werden konnte, während Trump die Wiederwahl anstrebt. Zum anderen, weil Epochen zwischen 1998 und 2019 liegen. Clinton war ein Brückenbauer, rund um den Globus darum bemüht, Konflikte zu entschärfen, so wie er im eigenen Land Kompromisse schmiedete. Trump spaltet, statt sich um Versöhnung zu bemühen. Das Wort Kompromiss hat keinen Platz in seinem Vokabular. Er spiegelt das Dilemma eines Landes wider, dessen Bürger alle vier Jahre die Klage anstimmen, dass es immer schlimmer werde mit der Polarisierung, um dann einem Kandidaten den Zuschlag zu geben, der noch stärker polarisiert.

Die Risse, die quer durch die US-Gesellschaft verlaufen, sind 2019 noch tiefer, als sie es 1998 schon waren. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hätte: Die Abstimmung in der Nacht zum Donnerstag hat ihn geliefert.

230 gegen 197 Stimmen pro Impeachment wegen Amtsmissbrauchs: Bei den Demokraten waren es bloß drei Abgeordnete, die aus der Phalanx ausscherten, bei den Republikanern war es kein einziger. Die Debatte vor dem Votum beschränkte sich darauf, Altbekanntes zu wiederholen. Die Demokraten erklärten Trump zur Gefahr für die Demokratie, die Republikaner sprachen vom Putschversuch einer verzweifelten Opposition gegen einen demokratisch Legitimierten.

Um noch einmal zurückzublenden: Als Clintons Amtsenthebung zur Diskussion stand, gab es durchaus Zwischentöne, gingen Parteifreunde auf Distanz, statt bedingungslos einen Verteidigungswall zu bilden. In der Trump-Partei, zu der die einst so stolze "Grand Old Party" verkommen ist, zählt allein die Lagerdisziplin. Ein Seitenwechsel gilt als Verrat.

Die logische Folge ist eine Schlacht der Argumente, bei der sich der Eindruck aufdrängt, als wäre jede Seite in ihrem eigenen Paralleluniversum zu Hause. Etwa die Hälfte der Amerikaner hält die Amtsenthebung für angemessen, die andere Hälfte ist dagegen. An den Umfragewerten hat sich nichts geändert, seit im November die öffentlichen Anhörungen der Zeugen der Ukraine-Affäre begannen. Es scheint, als höre keine der beiden Mannschaften der anderen auch nur zu; als ginge es nur darum, die eigenen Gewissheiten bestätigt zu finden.

... und schon gar nicht 2020

Für das herbstliche Wahlkampffinale 2020 lässt die politische Grabenlandschaft nur eines erwarten: eine auf die Spitze getriebene Polemik. Wird Trump vom Senat freigesprochen, wird er sich als Volksheld feiern, als Rebellenführer, der den Seilschaften der alten Elite einmal mehr die Stirn geboten hat. Er wird sich ermuntert fühlen, mindestens genauso scharf wie bisher gegen den "Sumpf" des Establishments zu wettern. Das mit dem Brückenschlag wird wohl noch einmal vier Jahre – mindestens – warten müssen. (Frank Herrmann, 19.12.2019)