Auf dem Wiener Heumarkt-Areal soll kein 66 Meter hoher Turm mehr errichtet werden.

Foto: Heribert Corn

Wien – Die Stadt Wien hat am Freitag einschneidende Veränderungen beim umstrittenen Heumarkt-Hochhausprojekt im dritten Wiener Bezirk bekanntgegeben. So sei "nach zahlreichen Gesprächen" mit dem Projektentwickler Wertinvest von Investor Michael Tojner "die Bereitschaft für einen alternativen Lösungsansatz signalisiert" worden.

Laut einer Aussendung des Büros des Ersten Landtagspräsidenten Ernst Woller soll der 66-Meter-Hochhausturm "nicht umgesetzt werden". Dieser war der primäre Grund, warum Wien im Juli 2017 als gefährdete Unesco-Welterbestätte gelistet wurde. Im Gemeinderat meinte Woller: "Ich betone, dass der Projektentwickler uns sehr entgegengekommen ist. Er hätte das nicht müssen."

Das neue Hotel- und Kongressgebäude neben dem ursprünglich geplanten Turm soll dafür höher als geplant ausfallen. Wie berichtet sollte das bestehende, 43 Meter hohe Hotel Intercontinental abgerissen und leicht erhöht neu errichtet werden. Im neuen Bauvorhaben sollen sämtliche technischen Aufbauten in die Gebäudestruktur integriert werden, was sich auch auf die Höhe des neuen Hotelkomplexes auswirkt.

Wie hoch dieses neue Gebäude werden soll, ist vorerst nicht bekannt. Laut Woller wird aber wohl die entfallende Kubatur des Turms in anderen Bereichen realisiert. Soll heißen: Das neue Hotel wird höher – oder mächtiger.

Der Hochhausturm am Heumarkt sollte eigentlich 73 Meter hoch ausfallen. Er wurde nach heftigen Diskussion bereits auf 66 Meter redimensioniert. Nun soll er überhaupt nicht realisiert werden.
Rendering: Isay Weinfeld&Sebastian Murr

Neugestaltung des Eislaufvereins unberührt

Die Pläne für die Neugestaltung des Wiener Eislaufvereins bleiben von dem neuen Projekt unberührt. "Ebenso würden die Maßnahmen zur Aufwertung der öffentlichen Räume wie im ursprünglichen Projekt großteils umgesetzt", heißt es in der Aussendung. Im Wort "großteils" versteckt sich freilich auch der Hinweis darauf, dass nicht alle geplanten Maßnahmen kommen werden. Welche davon betroffen sind, ist ebenso unklar.

Mit dem Verzicht auf die Realisierung des 66-Meter-Hochhauses sieht die Stadt eine wesentliche Forderung der Unesco und des Denkmalbeirats Icomos als erfüllt an – oder hofft zumindest, dass diese "als positive Entwicklung gesehen wird". Sollten sich die Unesco und Icomos mit dieser Kompromisslösung zufrieden zeigen, "könnten ein Alternativprojekt ausgearbeitet und die notwendigen Verfahrensschritte gesetzt werden".

Das offizielle Prozedere sieht jedenfalls so aus, dass der aktuelle Vorschlag am Freitag an das – für das Welterbe zuständige – Bundeskanzleramt geschickt wurde. Dieses wird das Schreiben an die Unesco weiterleiten. Laut Woller wird Projektentwickler Wertinvest ein neues Bauvorhaben ausarbeiten, dafür werde es aber eine "gewisse Zeit" brauchen.

Wertinvest-Geschäftsführerin Daniela Enzi bestätigt dem STANDARD, dass die Projektentwickler "offen für einen Abgleich" sind, sofern die Gesamtkubatur des Projekts erhalten bleiben kann. An einem höheren oder breiteren Hotel führt also kein Weg vorbei, sofern nicht ein weiteres Gebäude auf dem Areal errichtet wird.

Sollte es bis Herbst 2020 keine Lösung geben, wird Turm gebaut

Die neuen Pläne sollen bis Herbst 2020 ausgearbeitet werden. Architekt bleibt wie bisher Isay Weinfeld, der sich laut Enzi ein weiteres Mal dazu bereit erklärt habe, die Entwürfe zu ändern. Gibt es mit der Stadt Wien und der Unesco weiterhin keine gemeinsame Lösung, werde aber der 66-Meter-Turm gebaut, stellt Enzi klar.

Damit ist klar, dass sich die Unesco bewegen müsste: Diese beharrt seit dem Jahr 2012 auf dem Standpunkt, dass das geplante Projekt am Heumarkt die bisherige Bestandshöhe von 43 Metern nicht überschreiten darf. Nur damit sei das Unesco-Welterbe für Wien weiterhin sichergestellt.

Aber: Schon der bisher geplante Neubau des Hotels Intercontinental hätte diese Vorgabe leicht überschritten. Mit den neuen Plänen würde man sich wohl weiter der 50-Meter-Marke nähern.

So sahen die Pläne des umstrittenen Projekts aus. Diese sollen nun komplett überarbeitet werden.
Grafik: APA

Bauverhandlung am 18. Dezember

Interessant ist, dass für das bestehende Projekt am 18. Dezember, also vor zwei Tagen, eine Bauverhandlung stattfand. Nach Abschluss der Verhandlung wurde festgehalten, dass das eingereichte Projekt zwar bewilligungsfähig ist, "jedoch zum jetzigen Zeitpunkt kein rechtsgültiger Bescheid von der Baubehörde ausgestellt wird". Zudem ist beim Verwaltungsgerichtshof noch eine Klärung bezüglich einer möglichen UVP-Prüfung für das Projekt ausständig. Projektbetreiber Wertinvest spricht aber bereits davon, dass das Bauvorhaben "de facto eine Baubewilligung erhalten hat".

Für Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat der Erhalt des Welterbes "oberste Priorität für die Stadt". Gleichzeitig sei es aber notwendig, das Heumarkt-Areal zu sanieren. Die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein meinte: "Mit dem Verzicht auf die Realisierung des Turmes ist uns ein wichtiger Schritt gelungen. Jetzt ist die Unesco am Zug." (David Krutzler, 20.12.2019)