Von Marc Jacobs' neuem privatem Lebensabschnitt profitierte heuer nicht nur die Immobilienbranche, sondern auch der Kunstmarkt. Am 5. April 2018 hatte der bekannte US-amerikanische Modedesigner seinem Lebensgefährten Charly Defrancesco in einem Fastfoodlokal einen auf Instagram dokumentierten Heiratsantrag gemacht. Exakt 366 Tage später schlossen sie im kleinen Kreis den Bund der Ehe.

Das als Schaf "getarnte" Sitzmöbel gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Werken des Franzosen Francois-Xavier Lalanne. Sein "Mouton de Laine" erwarb Marc Jacobs in seiner Zeit als Kreativdirektor bei Louis Vuitton. Bei Sotheby’s wechselte es jüngst für 680.000 US-Dollar den Besitzer.
Victoria Stevens

Der Auszug aus Jacobs Stadthaus in Manhattans West Village war da schon längst beschlossene Sache. 16 Millionen Dollar will er für diese Immobilie haben. Die neue Bleibe liegt am Meer, etwa eine Stunde von Manhattan entfernt in Rye am Long Island Sound. 9,175 Millionen Dollar kostete das knapp 560 Quadratmeter große und von einer japanischen Gartenanlage umgebene Haus, das 1955 von niemand Geringerem als Frank Lloyd Wright geplant wurde. Der Auftraggeber war gebürtiger Österreicher.

Konkret ist Architekturhistorikern dieses Refugium unter der Bezeichnung "Max Hoffman House" geläufig. Hoffman wurde 1904 in Wien geboren und machte sich in den 1920er-Jahren einen Namen als Rennfahrer, bis er Mitte der 1930er-Jahre mit einem Kompagnon einen Autohandel gründete: die Firma Hoffmann & Huppert, den ersten Volvo-Importeur Europas.

Nach dem "Anschluss" im März 1938 flüchtete "Maxie", Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters, vor dem NS-Regime zuerst nach Frankreich, von wo aus er 1941 in die USA emigrierte. In New York angekommen, schlug er sich zunächst als Designer von Modeschmuck durch, um seinen Traum im Automobilhandel zu realisieren.

Entsprechend den amerikanischen Usancen tilgte er 1946 das zweite "n" aus seinem Namen und gründete die Hoffman Motor Car Company, die mit europäischen Produzenten wie Jaguar, Rolls-Royce, Bentley, Austin, Cooper oder auch Porsche Importeursverträge abschloss. Eine Erfolgsgeschichte, der der Stern 2014 einen ausführlichen Artikel widmete.

Sotheby's

1954 beauftragte er Frank Lloyd Wright mit der Gestaltung eines Showrooms auf der New Yorker Park Avenue, im Jahr darauf mit der Residenz, die nun Marc Jacobs gehört. Zu ihren Merkmalen gehört, dass sie zwar jede Menge Fenster, aber kaum Wände hat, die man mit Kunstwerken schmücken könnte. Das ist der Hauptgrund, warum sich der 55-jährige Modedesigner nun via Sotheby’s New York vom Großteil seiner Sammlung trennt: Seit November summierten sich die Verkäufe in den Sektionen Moderne und Zeitgenössische Kunst, Juwelen und Design auf etwa 27 Millionen Dollar. Weitere Auktionen wurden für das Frühjahr 2020 anberaumt.

Inspired by Dunand

Wie eng seine Verbindung zur Kunstszene ist, schilderte er in einem Interview mit Amy Cappellazzo, der Vorsitzenden des Geschäftsbereiches Bildende Kunst bei Sotheby’s. Demnach begann sie quasi in den 1980er-Jahren, als er mit Jean-Michel (Basquiat) oder Francesco (Clemente) nächtens um die New Yorker Häuser zog. Eine nachhaltige Zäsur bescherte indes die Übersiedlung nach Paris, wo Jacobs von 1997 bis 2013 als Kreativdirektor von Louis Vuitton tätig war.

Vergleichbar mit historisch erfolgreichen Kooperationen wie Chanel und Pablo Picasso oder Elsa Schiaparelli mit Jean Cocteau, begann er eine Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern wie Takashi Murakami, Richard Prince oder Yayoi Kusama. Zeitgleich lernte er französischen Art déco kennen und lieben. Davon zeugt ein um 1926 von Jean Dunand entworfener und in dessen Studio mehrfach produzierter Couchtisch, den der Modedesigner im Herbst 2010 im Auktionsangebot von Christie’s entdeckte.

Ein Blick in Marc Jacobs Schlafzimmer und auf teils bereits versteigerte Kunstwerke: darunter zwei Affenskulpturen von Lalanne (860.000 bzw. 920.000 Dollar) oder John Currins "Helena", für die der Hammer deutlich über dem Schätzwert (500.000-700.000) erst bei 1,16 Millionen Dollar fiel.
Sothebys, Victoria Stevens

Das Match mit anderen Kaufinteressen endete bei stattlichen 175.000 Euro (233.415 Dollar) zu seinen Gunsten. In New York erzielte das Möbel jetzt allerdings mit 100.000 Dollar nicht einmal die Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises. Indirekt hatte sich Dunands Kreation dennoch bezahlt gemacht, denn seine einzigartige Lacktechnik inspirierte Jacobs zum Design seiner Beauty-Kollektion, wie er einbekannte.

Dafür profitierte er vom gegenwärtigen Hype auf Werke des französischen Bildhauers und Designers François-Xavier Lalanne. Erst im Oktober hatte Sotheby’s für eine kupferne und auch als Schreibtisch nutzbare Nashorn-Skulptur von 1991 stattliche 5,4 Millionen Euro lukriert.

Marc Jacobs’ kleine Version fungiert als ein Behältnis für Essig, Öl und andere Würzmittel und erzielte statt der geschätzten 120.000 bis 180.000 Dollar deren 680.000. Im Jahr 2010 hatte er das Einzelstück für rund 237.500 Dollar bei Christie’s in Paris ersteigert.

Stammgast im Mak

Deutlich mehr als erwartet brachten zwei Affenskulpturen von Lalanne, für die, entgegen ihren jeweiligen Taxen (100.000– 150.000 Dollar), der Hammer erst bei 860.000 bzw. 920.000 Dollar fiel. Eine Einbuße bescherte dagegen Ed Ruschas Gemälde She gets angry at him: 2014 hatte Jacobs das Gemälde bei Sotheby’s für 2,1 Millionen Dollar erworben, nun spielte es nur 1,7 Millionen ein.

Diese Sitzgarnitur (8000-12.0000 Dollar) aus Jacobs Pariser Apartment blieb unverkauft. Sie wurde um 1910 vom österreichischen Architekten Marcel Kammerer entworfen und von der Firma Thonet produziert.
Foto: Sotheby's

Das belegt einmal mehr, dass klassische Kunstsammler andere Kriterien haben als Gelegenheitskäufer oder Souvenirjäger, die sich eventuell vom Renommee des Couturiers verführen lassen. Das eine oder andere Objekt blieb tatsächlich unverkauft: Dazu gehörten eine dreiteilige Sitzgarnitur (8000–12.000 Dollar) sowie zwei Fauteuils (1200–1800 Dollar), die bis vor kurzem das Pariser Appartement zierten. Sie wurden um 1910 vom österreichischen Architekten Marcel Kammerer entworfen und von der Firma Thonet produziert.

Sofern Marc Jacobs demnächst einen Abstecher nach Wien plant, könnte ihn die aktuell angelaufene Ausstellung anlässlich des 200-Jahr-Gründungsjubiläums von Thonet (bis 13. April 2020) im Museum für angewandte Kunst (Mak) interessieren. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er diesem Museum einen Besuch abstattet. Dem Vernehmen nach wurde er dort schon mehrmals gesichtet: wahlweise durch die Schaustellung schlendernd, bevorzugt in der Sektion "Wien um 1900", oder auch im Archiv, wo er die historischen Entwürfe der Wiener Werkstätte für Stoffe oder deren Modelinie studierte. (Olga Kronsteiner, 22.12.2019)