Eines der markantesten Zitate des bald vergangenen Jahres lautet: "So sind wir nicht." Gesagt hat es Bundespräsident Alexander Van der Bellen, als die Ibiza-Affäre ihre Wellen schlug. "Wir" Österreicher seien statt dessen ein friedliebendes, solidarisches, mitfühlendes und helfendes Land. Der Präsident hat recht. DER STANDARD holt acht Menschen vor den Vorhang, auf die all das zutrifft. Sie stehen exemplarisch für jene Ehrenamtlichen, die sich Tag für Tag dafür einsetzen, dass Österreich ein Stückchen besser wird.

Laurenz Faber – Aktivist bei Fridays for Future

Laurenz Faber – Aktivist bei Fridays for Future
Foto: Regine Hendrich

Es gibt Aufgaben bei den Klimaschützern, die sind nicht so beliebt. Megafone mit Lastenrädern durch die Stadt fahren etwa. Laurenz Faber (18) übernimmt auch die. Aber nicht nur. Er war stark daran beteiligt, dass der Earth Strike am 29. November glatt über die Bühne ging, indem er mit der Polizei in Kontakt war, Technik und Menschen koordinierte und Redebeiträge organisierte. "Ich investiere viel Zeit", sagt Faber über seinen Klimaaktivismus, etwa in Treffen auf Wiener und internationaler Ebene und in die Planung von Projekten. Dass er so weit kam, ging recht schnell.

"Beim großen Streik am 15. März war mein Engagement darauf beschränkt, Leute zu finden, die mit mir hingehen", erzählt Faber. Über den Sommer änderte sich das. "Ich fand es großartig, wie damals die Klimademos raus aus der Nische kamen", sagt er. Aktuell ist er Zivildiener in einer Schule, er unterstützt Lehr- und Hauspersonal und begleitet Schüler im Rollstuhl bei Ausflügen. Danach will er studieren, Rechtswissenschaften oder Volkswirtschaft, vielleicht beides. Auch Politik interessiert ihn – aktiv bleiben will er auf jeden Fall. (Gabriele Scherndl)


Doris Turner – Flüchtlingshelferin

Doris Turner – Flüchtlingshelferin
Foto: Regine Hendrich

Auch Doris Turner liest Zeitung. Die 52-jährige Wienerin weiß, dass afghanische Flüchtlinge in Österreich nicht den besten Ruf genießen: "Vielleicht lebe ich in einer Blase, aber ich mache andere Erfahrungen." Turner bringt Flüchtlinge zum Racketlon. Racketlon? Was ist denn das? Ein Vierkampf, der aus Tischtennis, Badminton, Squash und Tennis besteht. Als die Europameisterschaft 2017 in Österreich ausgetragen wurde, sorgten Afghanen als freiwillige Helfer für einen glatten Ablauf der Veranstaltung.

Turner, die sich bereits zuvor um Flüchtlinge gekümmert hatte, erkannte deren Wunsch, selbst zum Racket zu greifen. Danach ging alles Schlag auf Schlag. Zunächst wurde das Training organisiert, dann stießen afghanische Spielerinnen dazu und schließlich folgten erste Turnierteilnahmen. Die Racketlon Union Afghanistan war geboren und wurde im Mai 2019 von der Sportunion Wien mit dem Social Commitment Award ausgezeichnet. Alles eitel Wonne? Nein, Asylverfahren und Abschiebungen gehören zum Alltag. Turner: "Manchmal werde ich gefragt, wie ich das packe. Ich packe es eh nicht, sie liegen mir alle am Herzen." (Philip Bauer)


Gebi Mair – Bergretter

Gebi Mair – Bergretter
Foto: Regine Hendrich

Es war die eigene Notlage, die den Tiroler Gebi Mair zur Bergrettung brachte. Nachdem der passionierte Alpinist im Trentino selbst einmal auf die Hilfe von Bergrettern angewiesen war, entschied er sich daraufhin, selbst einer zu werden: "Um der Gesellschaft etwas zurückzugeben", wie er sagt. Schon Mairs Vater war Bergretter. Seit sechs Jahren ist der 35-Jährige nun schon Klubobmann der Tiroler Grünen im Landtag. Nebenbei ist er ehrenamtlich in der Bergrettungsortsstelle Innsbruck aktiv, wo er auch als Ausbildungsleiter fungiert: Mair über den Zeitaufwand, den das bedeutet: "Insgesamt wende ich jährlich wohl 100 Tage dafür auf und rücke etwa 40-mal zu Einsätzen aus."

Anders als bei der Feuerwehr oder Rettung verbinde die Ehrenamtlichen bei der Bergrettung die gemeinsame Leidenschaft für alles Alpine: "Wir sind alle bergnarrisch." Neben dem Gefühl, Menschen zu helfen und damit einen sinnvollen Dienst an der Gesellschaft zu leisten, seien es die umfangreiche Ausbildung und die tolle Gemeinschaft, die ihn an seinem Engagement immer wieder aufs Neue begeisterten, sagt Mair. (Steffen Arora)


Andrea Nitsch – Helferin im Kinderhospiz

Andrea Nitsch – Helferin im Kinderhospiz
Foto: Regine Hendrich

Interessiert habe sie die Arbeit mit Kindern immer schon, sagt Andrea Nitsch. Es sei nur nie dazu gekommen – bis ihr Mann vor vier Jahren starb. Aus dieser, der dunkelsten Zeit ihres Lebens hat die Wienerin bisher ungekannte Kräfte entwickelt. Seit 2017 ist sie ehrenamtlich im ersten Tageshospiz für Kinder in Wien-Meidling, einer Einrichtung des Vereins Kinderhospiz Netz, tätig. Die 60-Jährige, selbst Mutter zweier erwachsener Kinder, kümmert sich um kleine Patienten mit stark begrenzter Lebenszeit.

Maximal drei Kinder können im Hospiz ohne ihre Familien einen Tag verbringen – unterstützt von einer Kinderkrankenschwester und einer ehrenamtlichen Helferin. Die Stimmung, sagt Andrea Nitsch, sei meist fröhlich: "Es wird viel gelacht." Sie singt mit den Kindern, liest vor, kuschelt mit ihnen. Bis zu acht Stunden pro Woche verbringt sie im Tageshospiz, zusätzlich macht sie Besuchsdienste bei Familien mit schwerkranken Kindern. Ihr Umfeld, sagt Nitsch, habe nur bedingt Verständnis: "Ich werde oft gefragt, warum ich nicht lieber Golf spiele." Was die anderen denken, sei ihr egal: "Die Wertigkeiten verschieben sich, die Kinder bauen mich auf." (Petra Stuiber)


Michaela Klein – Mentorin für Buben

Michaela Klein – Mentorin für Buben
Foto: Regine Hendrich

Es gibt Projekte, die starten klein und werden riesig. Dass sie dieses Jahr für 256 Personen aus 23 Herkunftsländern Verantwortung haben wird, hätte Michaela Klein selbst niemals gedacht. Es war 2012, als sie und ihr Bruder darüber nachdachten, wie sich ihr Unternehmen Almdudler in Sachen Nachhaltigkeit entwickeln könnten. Darüber diskutierten sie mit der befreundeten Familie Radatz – so wie Almdudler ein Familienbetrieb. Man war sich einig, dass Menschlichkeit und Fairness in der Gesellschaft wichtige Werte sind. "Und weil wir die Dinge lieber konkret als abstrakt haben, entstand die Idee der Feriencamps für minderjährige Flüchtlinge in Prigglitz", erzählt Klein. Dort lernte sie viele Buben und deren Geschichten kennen. "Wahnsinn, was die erlebt haben. Aber es sind einfach trotzdem noch Kinder, die dringend ihre Eltern bräuchten."

Als 2015 die große Flüchtlingsbewegung in Österreich ankam, hatte Michaela Klein plötzlich sehr viele Schützlinge. Sie erkannte schnell, dass diese neue Herausforderung ganz andere Strukturen braucht, gründete den Verein Tralalobe und kooperierte mit der Diakonie. Dort lernte sie die sozialarbeiterischen Meisterleistungen von Andreas Diendorfer kennen, der heute Geschäftsführer ihres Vereins ist. Tralalobe stellt für Flüchtlinge Geld für all jene Dinge auf, für die der Staat keine Verantwortung übernimmt. Für die Renovierung von Wohnraum zum Beispiel, für Schul- oder Sportsachen, die die Kinder brauchen. Oder alle Jahre wieder: für Weihnachtsgeschenke.

Mit unerschütterlicher Energie treibt Michaela Klein den Verein voran. Sie kümmert sich um die Buben, wenn sie mit 18 Jahren aus den Heimen für Minderjährige ausziehen müssen. Sie nutzt ihr soziales Netzwerk, findet Wohnungen, Lehrstellen und Ausbildungsplätze und hat soeben das Tralalobe-Haus in der Josefstadt in Wien eröffnet: mit Wohngemeinschaften für Familien und einer eigenen LGBTQ-WG. "Die Zeiten werden immer härter für Migranten", sagt sie und ist froh für jeden, der mithilft. Warum eigentlich Tralalobe? "Der Name ist aus einem Autokorrekturfehler meines Handys entstanden und geblieben, weil er fröhlich stimmt", lacht Klein. "Helfen, das fühlt sich einfach gut an", ist sie überzeugt – und muss schon wieder weiter. Sie hat viel zu tun. (Karin Pollack)


Norbert Faunie – Pfadfinder-Gruppenleiter

Norbert Faunie – Pfadfinder-Gruppenleiter
Foto: Regine Hendrich

Es ist nicht die Regel, dass sich ein 31-Jähriger als "Urgestein" bezeichnet. Norbert Faunie ist die Ausnahme – und das mit Recht. Seit 25 Jahren ist er Mitglied der Pfadfinder Österreichs, bereits als Mini- "Biber" im Vorschulalter war er dabei. Seit 2007 ist der gebürtige Niederösterreicher im Führungsteam der Pfadfindergruppe Wien 42 St. Sebastian, seit 2013 geschäftsführender Gruppenleiter, zuständig für alles Pädagogische. 20 bis 25 Wochenstunden investiert Faunie, im Zivilberuf im Außendienst für ein Verpackungsunternehmen tätig, in seine ehrenamtliche Leidenschaft. Gut, dass seine Ehefrau viel Verständnis hat – obwohl sie selbst nie bei den Pfadfindern war. Das sei schon wieder eine Ausnahme, sagt Faunie: "Die meisten Pfadfinder sind mit Pfadfinderinnen verheiratet."

Pfadfinder-Führer sein – das ist nichts für schwache Nerven (das gilt übrigens auch für Kinderfreunde-, Rote-Falken-, Jungschar- und sonstige Führer). Wer das nicht glaubt, sollte einmal eines der legendären Sommerlager besuchen. Hunderte Kinder wuseln von früh bis spät, diese gilt es zu beschäftigen, zur Ruhe zu bringen, ihnen Outdoor-Abenteuer zu ermöglichen. Da braucht es ein ausgeklügeltes Konzept, das auch noch pädagogisch passen muss. "Look at the girls, look at the boys" ist etwa ein Grundsatz: Alles, was Buben tun, können Mädchen auch. Dieser Gleichberechtigungsgrundsatz wird schon den "Wichteln" (Mädchen) und den "Wölflingen" (Buben) im Volksschulalter vermittelt. Bei den Größeren, den "Guides" und "Spähern", und wie sie sonst alle heißen, geht es viel ums Reden: Über den österreichischen Nationalratswahlkampf haben sie etwa bei den "42ern" gesprochen, über Medien – und über nichtkonfessionelles Spirituelles.

Faunie sieht seine Rolle in einer Mischung aus großer Bruder, Lehrer und bester Freund. Seinen persönlichen Benefit von so viel Engagement kann er leicht benennen: "Es ist toll, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu begleiten." Man sei dabei, wenn sie ihre Persönlichkeit schärfen: Wer bin ich, wofür stehe ich, was sind meine Stärken und Schwächen – und wie schaffe ich es, Rücksicht auf andere zu nehmen?

Wie lange er noch dabei sein wird, kann Faunie nicht vorhersagen: "Wenn wir selbst Kinder haben, werde ich wahrscheinlich zurückstecken müssen." Pfadfinder wird er freilich immer sein. (Petra Stuiber)


Irene Promussas – Gründerin von Lobby4kids

Irene Promussas – Gründerin von Lobby4kids
Foto: Regine Hendrich

Persönliche Assistenz für siebenjährigen Volksschüler gesucht. Bedarf an Kinderbetreuung für ein Kind mit psychischen Problemen und dessen Geschwister. Fahrtendienst zu Therapiestunden für Sohn mit Down-Syndrom benötigt.

Es sind Anliegen wie diese, mit denen sich Eltern an Irene Promussas wenden. Die 50-Jährige setzt dann alles in Bewegung, um zu helfen. Oft mit Erfolg. Denn Promussas hat viel Erfahrung mit solchen Anfragen, sie ist hartnäckig und hat den Mut, ihren Mund aufzumachen, auch wenn es unbequem ist.

Vor 14 Jahren hat die zweifache Mutter den Verein Lobby4kids gegründet. Herzstück ist eine Online-Datenbank, in der Mütter und Väter eintragen können, wenn sie mit ihrem Kind mit chronischer Erkrankung oder Behinderung an scheinbar unüberwindbare Grenzen stoßen. Auslöser war die eigene Betroffenheit: Ihre heute 20-jährige Tochter hat eine seltene chronische Erkrankung. Promussas machte die Erfahrung, dass sie mit der Krankheit selbst relativ schnell zurechtkam. Zermürbend seien aber die Behördenwege gewesen, die Therapieplatzsuche, einen Kindergartenplatz zu finden und "das ständige Streiten um Pflegegeld". Als sie sich durchgekämpft hatte, dachte sie: "Ich habe noch immer Nerven aus Stahl, ich mach’ weiter."

Ihren Brotjob als Pharmazeutin übt sie in Teilzeit aus. Lobby4kids nimmt mindestens 30 Wochenstunden in Anspruch, ehrenamtlich. "Es gibt so viele Anfragen, ich könnte rund um die Uhr arbeiten", sagt die Wienerin. Trotz der drohenden niedrigen Pension will sie an der Gewichtung nichts ändern. Ihr Engagement macht ihr Freude: "Wir können politisch viel bewegen, wenn wir Druck machen", sagt sie. Promussas hat ein großes Netzwerk geknüpft, sie sitzt in ministeriellen und universitären Arbeitskreisen, ihr Verein gehört zur Liga für Kinder- und Jugendgesundheit und ist Teil der Plattform Politische Kindermedizin.

Viele Jahre fiel Promussas das Abschalten schwer. Zweimal hatte sie ein Burnout, einmal hatte sie einen Schlaganfall. Heute hat der Verein fünf Vorstandsmitglieder, an die sie Aufgaben delegiert. Im Urlaub aktiviert sie die E-Mail-Abwesenheitsnotiz. Auch Tanzen, ihr Hobby, bringt ihr neue Energie. "Ich habe gelernt, Pausen zu machen", sagt Promussas. Man hört, dass ihr das nach wie vor nicht leichtfällt. (Gudrun Springer)


Reinhard Osterkorn – Vogelsanitäter

Reinhard Osterkorn – Vogelsanitäter
Montage: Der Standard / Foto: Alfred Habitzl

Die Villa Berta liegt am Stadtrand von Linz. Was nach einem feudalen Herrschaftssitz klingt, ist eigentlich ein alter Bauernhof im Mönchgraben im Stadtteil Ebelsberg. Auffallend ist in dieser Gegend aber vor allem die hohe Greifvogeldichte.

Geschuldet ist dies Reinhard Osterkorn. Der heute 72-Jährige hat vor 32 Jahren in den alten Gemäuern die Greifvogel- und Eulenschutzstation ins Leben gerufen. In Spitzenzeiten betreut Osterkorn auf dem heute 3500 Quadratmeter großen Areal bis zu 300 verletzte Vögel. 150 sind Dauergäste, weil sie in freier Wildbahn keine Chance hätten zu überleben: Uhu "Bubu" mit dem kaputten Schnabel, Adler "Michl" mit nur einem Flügel, Waldohreule "Ohrli", die nach einem komplizierten Bruch der Elle nicht mehr zu alter Eulenstärke zurückgefunden hat.

Die Dauerpfleglinge sind Teil des Erfolgs, da sie Ammentiere für verletzte Jungtiere sind. 365 Tage im Jahr beginnen für Reinhard Osterkorn mit gefrorenen Küken und Ratten. Pünktlich um 7.30 Uhr wird in der Villa Berta nämlich das Vogelfrühstück zubereitet. Lust, selbst einmal davonzufliegen, verspürt Osterkorn nie: "Ich bin hier täglich auf Urlaub." (Markus Rohrhofer, 21.12.2019)