"La Bohème" an der Wiener Staatsoper.

Pöhn

Wenn es schon der Dauerföhn draußen nicht zulässt: Zumindest in der Staatsoper schneit es zurzeit pittoresk. Die Rede ist von Franco Zeffirellis drittem Akt in der Bohème. In den malerischen Szenenbildern des Großmeisters durften Irina Lungu und Saimir Pirgu lieben und leiden.

Der Albaner führte die prachtvollen Seiten seines Tenors vor Ohren, der sich obenrum in der Attacke wohler fühlte als bei lyrischen Bögen. Lungu gab sich im ersten Akt tadel- und harmlos, im Schneetreiben weitete sie ihr dynamisches Aktionsfeld bis zu flackernder Dramatik aus. Agil und energisch in der Höhe, in der Mittellage etwas konturarm Mariam Battistellis Musetta; kraftvoll Marco Carias Marcello. Das Staatsopernorchester spielte in vitaler, übersprudelnder Weise auf, man hatte das Gefühl, dass die tollen Musiker jeden Takt lieben.

Als Motor, Antreiber und Lenker des agilen Orchestervehikels agierte Marcello Armiliato in gewohnt sicherer und energischer Weise: ein Freund der Vorwärtsbewegung. Aber auch die herzerwärmenden Momente gelangen Orchester und Dirigent inniglich und ließen so die eine oder andere Eisscholle in den Seelenlandschaften der Zuhörer schmelzen. Klimawandel durch Kunst.

Armiliato bekam nach der Aufführung, es war seine 290. am Haus, die Ehrenmitgliedschaft der Wiener Staatsoper verliehen. Noch-Direktor Dominique Meyer narkotisierte mit seiner Ansprache, sein Vorgänger Ioan Holender weckte mit einer Schnurre wieder auf, und der Ausgezeichnete selbst wünschte allen Anwesenden frohe Weihnachten. (sten, 21.12.2019)