Der krisengebeutelte Gaza-Streifen.

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Den Haag – Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes sieht ausreichenden Grund für eine Untersuchung zur Lage in den Palästinensergebieten und Ost-Jerusalem. Sie sei überzeugt, dass dort Kriegsverbrechen begangen wurden oder werden, teilte Fatou Bensouda am Freitag in Den Haag mit.

Zuvor müsse die zuständige Kammer allerdings noch entscheiden, inwiefern das Gericht für die Palästinensergebiete rechtlich zuständig sei. Bereits seit 2015 prüft Bensouda Berichte über Kriegsverbrechen beider Seiten des Konflikts. Im vergangenen Jahr hatten die Palästinenser den Fall dem Internationalen Strafgerichtshof übergeben.

Die palästinensische Regierung hatte sich wegen der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem, der Tötung von Palästinensern an der Gaza-Grenze und wegen der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen an das Gericht gewandt. Die Palästinenser an der Gaza-Grenze wurden bei teilweise gewaltsamen Demonstrationen von israelischen Soldaten erschossen.

Vertragsstaat des Weltstrafgerichtes

Palästina ist seit 2015 Vertragsstaat des Weltstrafgerichtes. Damit wäre das Gericht im Prinzip auch für Verbrechen zuständig, die dort begangen wurden. Israel gehört dem Gericht zwar nicht an. Aber das ist kein Schutz vor Strafverfolgung. Das Gericht könnte zum Beispiel internationale Haftbefehle gegen israelische Offiziere ausstellen.

Palästinenservertreter begrüßten die Entscheidung des Gerichtes. Die Politikerin Hanan Ashrawi bezeichnete die Entscheidung als "einen guten Schritt vorwärts". Der Strafgerichtshof sei rechtlich zuständig für die Palästinensergebiete. "Israel muss für seine Verbrechen bezahlen, und das palästinensische Volk wird keinen Ausschluss von der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte akzeptieren."

Scharfe Kritik aus Israel

Israel kritisierte die Entscheidung dagegen scharf. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte: "Dies ist ein schwarzer Tag für Wahrheit und Gerechtigkeit." Das Gericht habe keine rechtliche Zuständigkeit in diesem Fall. "Der Internationale Strafgerichtshof hat nur eine rechtliche Zuständigkeit für Petitionen, die von souveränen Staaten eingereicht wurden. Aber es hat nie einen souveränen palästinensischen Staat gegeben."

Auch die USA haben empört auf die mögliche Untersuchung reagiert: "Wir lehnen dies und jede andere Maßnahme, die sich auf unfaire Weise gegen Israel richtet, entschieden ab", sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Freitag in Washington. Die Palästinenser verfügten nicht über einen souveränen Staat und könnten somit auch kein "vollständiges Mitglied" in Institutionen wie dem IStGH werden, fügte er hinzu.

Israel hat während des Sechstagekriegs 1967 unter anderem das Westjordanland, den Gazastreifen und den Ostteil Jerusalems erobert. Die Palästinenser wollen diese Gebiete für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Mittlerweile leben mehr als 600.000 israelische Siedler in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland. 2005 war Israel einseitig aus dem Gazastreifen abgezogen. (APA, 20.12.2019)