Hans-Peter Doskozil will nicht nur Landeshauptmann bleiben, sondern zum Hebel für die Erneuerung der SPÖ werden

Foto: APA/Neubauer

In jenen Tagen, als in der politischen Landschaft noch jeder Stein auf dem anderen gelegen ist, war eine Wahl im Burgenland kaum mehr als eine Randnotiz. Zu vernachlässigbar schien das fürs demokratische Ganze der Republik. Das aber hat sich geändert in den vergangenen Jahren. Wenn am 26. Jänner 250.000 Burgenländerinnen und Burgenländer ihren Landtag wählen, wird Österreich gespannt zuschauen, ob und wie es dem roten Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gelingen wird, den Sink- bis Sturzflug der Sozialdemokratie zu stoppen oder gar umzukehren.

Roland Fürst, der Landesgeschäftsführer, meint, das Burgenland sei, bei aller Geringheit, doch eine Art archimedischer Punkt. Hält der, könne der sozialdemokratische Hebel hier ansetzen – und die träge rote Masse hinüberwuchten auf einen Weg, "auf dem die Richtung stimmt". Bei der heurigen Europa- und Nationalratswahl lag die SPÖ im Land erstmals seit 1966 hinter der ÖVP. Dass sie diesmal jedenfalls stärkste Partei bleiben wird, bezweifeln aber nicht einmal die größten Optimisten in den türkisen Reihen.

Die Ausgangslage ist deutlich. 2015 kam die SPÖ auf knapp 42 Prozent, die ÖVP auf nicht einmal 30. Freilich war damals die ÖVP noch schwarz, die SPÖ geführt von einem Landeshauptmann, der seine vierte Wahl schlug, und einem Bundeskanzler, der erst ein knappes Jahr später vom Wiener Rathausplatz gepfiffen wurde.Trotzdem verlor die SPÖ deutlich gegenüber dem Jahr 2010, das auch schon Verluste gebracht hatte. Hans Peter Doskozil wird deshalb nicht müde klarzustellen, dass für ihn nun ein Wahlsieg "jedes Plus vorm Ergebnis ist, auch das kleinste". Er sage das, sagte er dem STANDARD, aus gutem Grund, "wir haben unsere Umfragen".

Strahlen und lächeln

Solche haben alle Parteien. Aber sie sind so geheim, dass man schon in den Gesichtern lesen muss, um nicht nur im Kaffeesud lesen zu müssen. Dass die ÖVP recht strahlend durch s Land läuft, könnte aber auch andere Gründe haben als jene kolportierte Umfrage, die Rot und Türkis mit jeweils einem Dreier vor dem Ergebnis sieht. Und auch die grüne Landessprecherin, Regina Petrik, lächelt.Johann Tschürtz, der blaue Landeshauptmannstellvertreter, tut dagegen nur so. Ihm bleibt wenig mehr als zu hoffen, dass die Wahl "eine Bewertungswahl" werde, bei welcher der rot-blauen Regierungsarbeit ein Zeugnis ausgestellt werde. "Befriedigend wäre schon ganz super."

Foto: Derstandard

Durchaus realistisch, ließen sich Strache und all das damit Zusammenhängende einfach wegdenken.Die Regierung hat ja ein durchaus harmonisches Bild abgegeben. Da war zuweilen einiges an Selbstdisziplin vonnöten. Rot applanierte diskret manche Tölpelei, was einmal sogar zu jener erratischen Pressekonferenz geführt hat, zu der Johann Tschürtz zwar gerufen hat, dort aber gesagt hat, er könne nichts sagen, weil er den Koalitionspartner ja nicht über die Zeitung etwas ausrichten könne.

Dafür schwieg er, der einstige Chef des Rechnungshofausschusses, zu so manchen roten Fisimatenten wie zur Verweigerung der unbeschränkten Einschau des Rechnungshofs in die Landesbuchhaltung. Man kann miteinander. Das würde fürs Weitermachen sprechen. Aber auch das so stabil gewesene Burgenland ist politisch volatil geworden. Beide Regierungsparteien erlebten ein desaströses Jahr. Wobei das der SPÖ – sie nutzte jeden blauen Sündenfall dazu, sich selbst ins Knie zu schießen – nun im Burgenland ein Ende finden solle. Sagt die burgenländische SPÖ, die jetzt als "Liste Doskozil" antritt.

Schmied und Schmiedl

Als unlängst Rot und Blau gemeinsam zufrieden rückblickten, erklärte Hans Peter Doskozil, man habe das Regierungsprogramm Schritt für Schritt abgearbeitet. Als Beispiele nannte er: Mindestlohn, Anstellung pflegender Angehöriger, Biowende. Das freilich war keineswegs das ursprüngliche Regierungsprogramm.

Es war jenes Programm, das Doskozil im Vorjahr verkündet hatte, als er die burgenländische SPÖ übernahm mit dem Versprechen, nun zeigen zu wollen, wie Sozialdemokratie dort geht, wo Sozialdemokratie regiert. Der FPÖ blieb als Kernkompetenz bloß die Sicherheit. Und selbst da war Doskozil der Schmied und Tschürtz der Schmiedl. Im heurigen Frühjahr hat die FPÖ begonnen, leise dagegen aufzumucken, bloß ein Teil des archimedischen Punkts für den sozialdemokratischen Hebel zu sein. Und auch dagegen, dass Doskozil – dem machiavellistischen Vorbild von Erwin Pröll folgend – unbedingt im Winter wählen wollte. Dann aber kam Ibiza. Blau wurde handzahm.Nun bringen sich alle möglichen Regierungspartner in Position. Thomas Steiner, der Eisenstädter Bürgermeister und VP-Chef, nennt das Wiedermitregieren ausdrücklich als Wahlziel.

Auch eine grüne Landeshauptmann-Stellvertreterin wäre auf einmal denkbar. Zumal das Bündnis Liste Burgenland ums Überleben kämpft; der eine Mandatar, Gerhard Hutter, wechselte zur SPÖ; über Listenführer Manfred Kölly, Bürgermeister von Deutschkreutz, schwebt das Damoklesschwert einer möglichen Anklage wegen Wahlbetrugs. Kann sein, dass davon auch die Neos zehren können.Das Burgenland ist – alles in allem genommen – immer noch das unbedeutende, kleine Land hinter den sieben Bergen. Aber zumindest in der Löwelstraße wird man es auch als jene kleine Welt sehen, in der die große, für die man sich ja immer gehalten hat, ihre Probe hält. (Wolfgang Weisgram, 25.12.2019)