SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und ihr Parteimanager Christian Deutsch kritisieren den ORF für das Abspielen einer heimlich aufgenommenen Rede

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Sieben Sekunden dauert die Aufnahme, die derzeit für Verwerfungen zwischen der SPÖ-Spitze, ihren Mitarbeitern und dem ORF sorgt. Es geht um den heimlichen Mitschnitt einer internen Betriebsversammlung. SPÖ-Geschäftsführer Christian Deutsch spricht hier über die prekäre finanzielle Situation der Partei, die sich keinen Wahlkampf leisten kann und deshalb um Spenden bitten muss. Das Tonband wurde am Freitagabend ohne Vorwarnung Parteichefin Pamela Rendi-Wagner vorgespielt, die live in der "ZiB 2" interviewt wurde. Sie erklärt, dass Spenden mit der neuen Obergrenze von 7.500 Euro politisch vertretbar seien. So weit, so inhaltlich unspektakulär.

Doch die SPÖ-Spitze ist über die Ausstrahlung des Tonbands empört: Am Samstag erklärte Deutsch gegenüber oe24.at, eine Anzeige gegen den Urheber der Aufnahme zu prüfen – und gegen den ORF. Das sorgt wiederum für Proteste vieler Journalisten. Und auch in der eigenen Partei ist man nicht glücklich damit, dass der Parteimanager dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit juristischen Schritten droht. "Ich finde den Gang zur Staatsanwaltschaft weniger sinnvoll als eine Überprüfung durch die Medienbehörde und den Programmausschuss des ORF", sagte etwa Mediensprecher Thomas Drozda zum STANDARD. Nachsatz: "Was immer man tut, setzt eine Diskussion fort, die man beenden sollte."

"Müssen zur Ruhe kommen"

Lautstarken Dissens gab es aus der SPÖ jedoch keinen. "Wir müssen schauen, dass wir zur Ruhe kommen, um uns dann inhaltlichen Fragen widmen zu können", sagte ein ranghoher Partei-Insider. Die Aufnahme und Weitergabe der Deutsch-Rede sei "symptomatisch" für den Zustand der Partei: "Man kommt jetzt in einen Strudel, wo sich alle bemüßigt fühlen, alles an Medien weiterzugeben – das passiert auch vonseiten der Parteispitze." Ein Zweiter dazu: "Ich halte nichts davon, den Rechtsweg gegen eigene Mitarbeiter zu beschreiten." Denn: "Man muss sich in die hineinversetzen, die wenige Wochen vor Weihnachten nicht wissen, wie sie im Frühjahr ihre Miete zahlen sollen."

Wenn es eine Partei nicht schaffe, rund zwanzig Plätze für gekündigte Mitarbeiter zu finden, "dann muss dieses System eh gegen die Wand fahren". Aber wie steht es um dieses System? Sah es lange danach aus, dass Parteichefin Rendi-Wagner ihren Platz räumen muss, sitzt diese als politische Überlebenskünstlerin erstaunlich fest im Sattel. "Es gibt schon Aspekte einer Resignation", sagt ein Abgeordneter. Ein anderer sagt: "Natürlich überlegt sich jetzt jeder zweimal, was er sagt."

Gemeint sind etwa Repressalien gegen Kritiker. So wurden nach einer hitzigen Vorstandssitzung im Oktober falsche Informationen über einen Beratervertrag mit dem "Reformer" Max Lercher nach außen gespielt. Es hieß, dieser bekomme 20.000 Euro für seine Tätigkeit. Diese Summe wurde von der SPÖ jedoch an die Leykam Medien AG überwiesen, bei der Lercher als Geschäftsführer tätig ist. Der verdiente dort 6000 Euro brutto, bevor er Abgeordneter wurde.

Nun soll der Vertrag mit der Leykam bis Mitte 2020 auslaufen. In der Partei wird das von vielen als Revanche dafür gesehen, dass sich Lercher nach der Wahl gegen den aktuellen Kurs der SPÖ aussprach und eine Reform forderte.

Der Beinahe-Parteiputsch

Dann folgte jene für die SPÖ schicksalhafte erste Dezemberwoche, in der 23 Mitarbeiter zur Kündigung beim AMS angemeldet und per E-Mail darüber informiert wurden. Die Ereignisse spitzten sich so zu, dass der Betreuer von Rendi-Wagners Social-Media-Accounts der Parteispitze öffentlich ein "Bitte geht endlich" zuwarf. Der Aufstand scheiterte jedoch – auch weil sich keine gangbaren Alternativen zu Rendi-Wagner zeigten. In diese Phase fiel auch die verhängnisvolle Betriebsversammlung, aus der nun Ausschnitte in der "ZiB 2" vorgespielt wurden.

Auch das "Profil" hatte bereits aus den Tonbändern zitiert. Rechtlich ist die Lage nicht klar. "Heimliche Tonaufnahmen dürfen bzw. sollen nur dann veröffentlicht werden, wenn dies einem höhergradigen Interesse dient", schrieb die Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD berät, auf Twitter. Das erkenne sie "in diesem Fall nicht". Das Vorspielen der Bänder soll jedoch grünes Licht von der als durchaus streng geltenden Rechtsabteilung des ORF erhalten haben. Der ORF bestätigte nur eine "interne Prüfung". Diese kam zu dem Schluss, dass ein "überwiegendes Berichtsinteresse des ORF besteht" und die Verwendung daher gerechtfertigt war. (fsc, 22.12.2019)