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Konsumentenschützer kritisieren die umfangreiche Datenerfassung.
Foto: AP / Victoria Jones

Das öffentliche Statistikinstitut (INE) in Spanien will wissen, wie sich die Bevölkerung des 46-Millionen-Einwohner-Landes bewegt. Dazu kauft es Daten bei den drei größten Mobilfunkgesellschaften: der einst staatlichen Movistar, Vodafone und Orange. Insgesamt sind in Spanien 53 Millionen Mobiltelefone gemeldet. Das INE bezahlt an die Betreiber eine halbe Million Euro für die Infos darüber, wie sich die Handys im Land bewegen.

Für dieses Tracking teilt das INE Spanien in 3200 Zellen auf, in denen jeweils 5000 Handys gemeldet sind. Das Bewegungsprofil wurde bereits an vier Werktagen und einem Sonntag im November erstellt. Nun, am ersten Weihnachtsfeiertag, soll wieder getrackt werden, danach sind mit dem 20. Juli und dem 15. August kommenden Jahres noch zwei Tage in den Sommerferien dran.

"Keine personenbezogenen Daten"

Ziel ist es, herauszufinden, wie die Verkehrsströme im Land verlaufen, welche Verkehrsmittel die Menschen benutzen, wo sie leben, wo sie ihren Arbeitstag und wo ihre Freizeit und ihre Ferien verbringen. "Die Betreiberfirmen liefern keine personenbezogenen Daten über einzelne Telefone oder ihre Benutzer", versuchte das INE die durch Presseberichte aufgeschreckte Bevölkerung zu beruhigen. Das Institut könne "kein einzelnes Terminal verfolgen", hieß es weiter. Alles verlaufe im Rahmen des Datenschutzgesetzes.

Die Verbraucherverbände sind sich da nicht ganz so sicher. Zwar sei es "grundsätzlich nicht illegal, auch wenn das ohne Einwilligung geschieht", erklärt Ileana Izverniceanu, Sprecherin der OCU, einer der beiden Verbraucherschutzorganisationen Spaniens. Die Verwendung von Daten zu statistischen Zwecken sei sowohl nach spanischem als auch europä ischem Gesetz geregelt. Um allerdings sicher zu sein, dass wirklich alles anonym verläuft, wäre es nötig, den Vertrag zwischen dem INE und den Betreibern genauer zu untersuchen, fügt die OCU-Sprecherin hinzu. Ruben Sánchez, Chef der Konsumentenschutz organisation FACUA, bestätigte, dass seine Rechtsabteilung an dem Fall dran sei. Und die staatliche Datenschutzagentur hat, so ein Kommuniqué, "das INE um Informationen über die Verlaufsprotokolle gebeten". Ob die Studie danach auch ausgesetzt werden könne, darüber schwieg die Institution.

Fragwürdige Anonymität

Genau das verlangt der Jus-Professor und Spezialist für Cybersicherheit an der Universität im südspanischen Granada, Javier Valls. "Das INE kann unseren Handys nicht folgen, solange nicht ganz genau klar ist, welchem Zweck dies dient", sagt er. "Sie können nicht damit argumentieren, dass sie unsere Daten sammeln dürfen, weil diese anonym seien. Denn das sind sie nicht." Schließlich sei auf den Bewegungsstudien zu sehen, aus welcher Wohnung die Handys kommen und wohin sie sich bewegen. Damit könne das entsprechende Telefon zugeordnet werden.

Zwei Handybetreiber haben mittlerweile auf den Unmut vieler Konsumenten reagiert. Vodafone bietet den Kunden die Möglichkeit, ihre Handynummer per Kunden-App vom Tracking auszuschließen. Orange bietet einen ähnlichen Service per Homepage an. Wer jedoch beim größten Anbieter Movistar nachfragt, bekommt widersprüchliche Auskünfte. Gegenüber spanischen Tageszeitungen erklärte das Unternehmen, es sei nicht vorgesehen, dass Kunden sich dem Tracking verweigern können. Die Daten seien sicher. Bei der Kunden-Hotline wurden Anrufer abgewimmelt. Hartnäckige bekamen die Auskunft: "Ich habe ihren Wunsch ins System eingetragen." Auf die Bitte um schriftliche Bestätigung hin wurden Kunden aufgefordert, einen Telefonladen aufzusuchen. Per SMS oder per E-Mail gab es – anders als sonst bei Anfragen – keine Bestätigung. (Reiner Wandler aus Madrid, 23.12.2019)