Geburtstag unbekannt: Am 17.12.2020 feiert man Beethovens 250. Tauftag.

Foto: Nationalbibliothek

Beethoven also. Der taube Titan der Tonkunst. Der Klassiker, der eigentlich ein Romantiker war. Der Musenkönig und Menschenfeind. Der Wutbürger avant la lettre, das Zornbinkerl, der Aggressor, der Auszucker in Werk und Welt: Ludwig van Tourette. Und: der Mann mit Bad-Hair-Days ohne Ende. Von seinem Lehrer Haydn hat Beethoven das Interesse für Motivforschung und -verarbeitung übernommen: der Komponist als Ingenieur und Tonkunsthandwerker. Von Mozart das Kantable. Beethoven wollte mit seinen Werken zur Welt sprechen, und was soll man sagen: Sie hört ihm bis heute begeistert zu.

Wie ein Schneepflug räumte er mit den klingenden Galanteriewaren seiner Zeit auf. Der Komponist als Ich-AG mit einem Vier-Ton-Motiv als Weltmarke: Ratatataaaaa!!! In Bachs Schaffen spiegelt sich die Weite des Kosmos wider, in Mozarts Musik findet die Gesellschaft des Rokoko mit ihren Neckereien und Tändeleien Resonanz. Bei Beethoven bietet das widerständige Individuum dem blöden Schicksal und den noch viel blöderen Mitmenschen die zornesadernpralle Stirn: Nicht! Mit! Mir! Schatzi!

Die Österreichische Nationalbibliothek will Beethovens Wirken in Wien anlässlich seines 250. Geburtstags im Dezember 2020 anschaulich machen. Die mit Beethoven: Menschenwelt und Götterfunken betitelte Ausstellung im Prunksaal – einer Art lokales, luxuriöses Google seiner Zeit – lässt Beethovens dreieinhalb Wiener Lebensjahrzehnte in schlichten Schaukästen Revue passieren. In akkurat portionierten Häppchen erfährt man von seinem Aufbruch von Bonn nach Wien, man lernt wichtige Lehrer (Haydn, Johann Georg Albrechtsberger, Antonio Salieri) und Schüler (Erzherzog Rudolph, Carl Czerny, Ferdinand Ries) kennen.

Mittagessen mit dem "Freßgraf"

Auch nicht unwichtig im Leben eines freischaffenden Komponisten: die Mäzene – und natürlich auch die Verleger. Groß- und Größtwerke werden seitenweise präsentiert, den Höhepunkt stellt ein Faszikel des Originalmanuskripts der 9. Symphonie dar, eine Leihgabe der Staatsbibliothek zu Berlin. Doch die von Thomas Leibnitz kuratierte Schau widmet sich nicht nur den Götterfunken Beethovens, sondern auch seiner profanen Existenz in der Kaiserstadt.

Diese vermochte ihm einer der wenigen Freunde immer wieder zu erleichtern: Nikolaus Paul Zmeskall von Domanovecz und Lestine, Jurist der ungarischen Hofkanzlei in Wien, Cellist und hilfreicher Geist bei der Bewältigung der Alltagsprobleme des Künstlers. Egal, ob es um Zores mit dem Personal ging, um die Besorgung von Schreibfedern, Wein oder die Organisation von Hauskonzerten: Das "liebe alte Musikgräferl" (der Komponist über den um elf Jahre älteren Zmeskall) mit dem steifen Auftreten und dem duldsamen Wesen war Beethovens Mann für alle Fälle. Mitunter musste er sogar Briefe Beethovens neu adressieren, weil die Sauklaue des Genies für die Postbeamten nicht zu entziffern war. Und auch das Mittagessen schmeckte Beethoven mit seinem "Freßgraf" besonders gut.

Satte Einkünfte dank Wiener Kongress

Bezahlen konnte Beethoven seine Mahlzeiten – etwa im Gasthaus zum Schwan am Mehlmarkt – ab 1809 mit dem Legat von 4000 Gulden, das ihm seine Gönner Erzherzog Rudolph sowie die Fürsten Kinsky und Lobkowitz jährlich zusicherten. Dieser sogenannte Rentenvertrag sollte den gefeierten Komponisten davon abhalten, an den Kasseler Hof von Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte zu desertieren. War der 38-Jährige damit aller finanziellen Sorgen ledig? Keineswegs. Wie man im informativen Prachtband zur Ausstellung erfahren kann, machte eine galoppierende Inflation samt Staatsbankrott die Summe bald zur nachverhandelbaren Petitesse. Und nach dem Tod des Fürsten Kinsky bei einem Reitunfall 1812 musste Beethoven die Fortsetzung der Zahlungen des Fürstenhauses sogar auf dem Gerichtsweg durchsetzen.

Wie gut, dass durch den Wiener Kongress bald zahlreiche gekrönte Häupter in der Residenzstadt eintrafen und dem Musikgenie satte Einkünfte bescherten. Vier Akademie-Konzerte im Großen Redoutensaal und 30 Aufführungen seines Fidelio im Kärntnertortheater bescherten Beethoven eine finanzielle Hausse, von der üppigen Zuwendung, die der Tonsetzer von der Gattin des russischen Zaren für seine Polonaise op. 89 bekam, ganz zu schweigen.

Dunkle Zeit der Wiener Jahre

Doch auch die dunklen Zeiten der Wiener Jahre finden Erwähnung: so etwa Beethovens Heiligenstädter Testament von 1802 ("O ihr Menschen die ihr mich für Feindseelig störrisch oder Misantropisch haltet oder erkläret, wie unrecht thut ihr mir") oder der lange, nervenaufreibende Sorgerechtsstreit um seinen Neffen Karl, dessen Selbstmordversuch im August 1826 Beethoven schwer traf. Neben den zahlreichen Briefen und Originalpartituren, die man in den Schaukästen en passant und im Buch durchblätternderweise aufnehmen kann, ergötzen auch die Veduten, Stiche und Aquarelle aus Beethovens Zeit. Letztere bestätigen den Eindruck, dass die Residenzstadt Wien durch die Demolierungen der Stadtmauern und der barocken Bausubstanz während der Gründerzeit an Charme und Eleganz nicht nur gewonnen hat.

Unter der Kuppel der Prunkbibliothek, direkt über der Partiturseite aus der geheiligten "Neunten", schwebt ein vom Atelier Wunderkammer installiertes Mobile aus Papier, gülden wie der Götterfunken der Freude, der in dieser Symphonie so eingängig besungen wird. Es bringt eine spielerische Leichtigkeit in die pompöse Lesehalle ein, die der Unternehmung gut bekommt. Beethoven hätte den Flitter wahrscheinlich trotzdem ratzfatz heruntergerissen.

Bis 19. April 2020. Das Originalmanuskript der 9. Symphonie ist aus konservatorischen Gründen nur bis 8. März 2020 zu sehen. Das Buch "Beethoven – Menschenwelt und Götterfunken" (Hg.: Thomas Leibnitz) ist im Residenz-Verlag erschienen. (Stefan Ender, 23.12.2019)