Lässt die Miezen tanzen: Jason Derulo als zumindest energetischer, an James Brown erinnernder Kater Rum Tum Tugger in "Cats".

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Haben Katzen Füße mit hübschen Zecherln dran? Tragen sie gern üppige Pelzmäntel über dem Fell, sodass sie wie im Fall von Judy Dench wie eine Mischung aus Löwenmutter und Oligarchengattin aussehen? Und warum wurden all die geschlechtsspezifischen Wölbungen wie jene von Jason Derulo fein säuberlich mittels digitaler Nachbearbeitung entfernt?

Sagen wir einmal so: Die Verfilmung von Andrew Lloyd Webbers auf zahlreichen Weltbühnen – darunter lange auch in Wien – immens erfolgreichem Musical Cats ist ein Erlebnis der höchst befremdlichen Art. Was am Theater als durchschaubar bleibender, analoger Effektzauber bestens funktioniert (nämlich Menschen in Katzenkostümen singen und tanzen zu sehen), wird in Tom Hoopers Kinoadaption zur ästhetischen Grenzerfahrung. In der gesamten zweistündigen Spieldauer gelingt kein wohliges Eintauchen in die fellige Parallelwelt. Von wegen Immersion, es sträuben sich nur die eigenen Haare!

Universal Pictures

Schon der im Sommer veröffentlichte Trailer sorgte für Fassungslosigkeit im Netz. Mit zartgetigerten Härchenmustern überzogene athletische Körper, darauf Köpfe, in denen menschliche Gesichter und Katzenohren zu einer monströsen Spezies zusammenwuchsen. Hooper, oscarprämierter Regisseur von The King's Speech, sprach bei der Londoner Premiere noch davon, bis zum letzten Augenblick an dem Film gefeilt zu haben. Allein, dem Endprodukt, von dem der Guardian voller Häme schreibt, dass es wohl noch Generationen als Geist heimsuchen werde, ist die viele Arbeit leider nicht anzusehen.

Den Animationen der auf T. S. Eliots Katzengedichte zurückgehenden Charaktere fehlt jede Anmut im landläufigen Sinn, physisch und auch, was so etwas wie Eigenschaften anbelangt – und nicht nur Katzenfreunde wissen, was da möglich gewesen wäre. Gerade die Mischung aus Mensch und Tier, die ja bewusstes Aussetzen der Ungläubigkeit beim Zuseher braucht, mag nicht gelingen. Nicht einmal bei James Cordens schwabbeligem Dandykater Bustopher Jones, der sich im Müll wälzt, kommt Spaß auf.

Victoria (Francesca Howard) und Munkustrap (Robbie Fairchild) in "Cats".
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Dabei rackert ein Starensemble im Dauerworkout: Schauspieler wie Idris Elba (Macavity), Sir Ian McKellen (Gus) oder die Ballerina Francesca Hayward (Victoria), Komikerinnen wie Rebel Wilson, Popstars wie Taylor Swift (Bombalurina) oder Jennifer Hudson (Grizabella), die immerhin mit dem All-Time-Klassiker Moonlight mit Rotzglocke unter der Nase zu überzeugen versteht.

Playmobil-Katzenwelt

Aber es hapert ja auch nicht am Musikalischen. Misslungen ist, neben den Animationen, nicht zuletzt die Ausmalung der Szenerien in einem Fake-Westend-London, das den Charme einer Playmobil-Kulisse verströmt, samt kleinen, gefährlichen Plastikteilen, an denen die Katzen manchmal kauen. Ein erstes (man denkt: kaum steigerbares) Tief kommt mit der Nummer bei der alten Gumbie-Katze (Wilson), die schon an der Illusion scheitert, dass Katzen und Küchenschaben eine Welt teilen.

Eher unübersichtlich bleibt es auch beim Wettbewerb darum, welche Katze wiedergeboren werden soll, obwohl die sanfte Victoria die Vermittlerrolle innehat. Aber vielleicht gibt es auch zu viele Ablenkungen wie diesen hektischen, die Sinne ermüdenden Schnitt oder eben all die getrimmten, seltsam asexuellen Mischwesen. Detailfixiert und doch handwerklich schlampig ist dieses Cats und beweist vor allem eines: Mangel an Fantasie ist mit Technik nicht beizukommen. (Dominik Kamalzadeh, 23.12.2019)