Genau genommen hat die laufende Dekade eigentlich noch ein Jahr, um zu ihrem Ende zu gelangen. Allerdings lässt der Sprung auf die Jahreszahl 2020 es bereits so erscheinen, als wäre es bereits soweit. Dementsprechend kursieren dieser Tage allerlei Toplisten zu den besten, schlechtesten und verrücktesten Dingen, die uns die letzten Jahre gebracht haben.

Wenn in der Techwelt eines gewiss ist, dann dases längst nicht immer hilft, Geld in eine Erfindung zu stecken, um sie erfolgreich zu machen. Diverse Größen der Branche bewiesen, dass sie auch hervorrangend in der Lage dazu sind, viel Geld in gescheiterte Projekte zu stecken. Hier eine subjektive Auswahl aus den größten Reinfällen seit 2010.

Windows Phone (2010 – 2020)

Jahre nachdem Apple und Google den Smartphone-Markt im Prinzip unter sich aufgeteilt hatten, machte sich auch Microsoft daran, ein modernes Betriebssystem für die immer populärer werdenden Geräte am Markt zu platzieren. Windows Phone 7 hieß der Erstling, der auch erstmals das Konzept der "Kacheln" in ein Microsoft-System einführte. Der Start war von viel Hoffnung geprägt. Die Marktforscher von Gartner rechnete gar vor, dass Windows Phone bis 2015 einen Marktanteil von knapp 21 Prozent erreichen und Apples iOS von Platz 2 verdrängen würde.

Dieses Ziel wurde, nun ja, "knapp" verfehlt. Zu seinen besten Zeiten – rund um das Jahr 2013 – rangierte die Plattform weltweit bei einem Marktanteil von rund vier Prozent. Dazu beigetragen hatten auch konzerninterne Fehlentscheidungen. So war Windows Phone 7 nach einem Jahr obsolet, als man Windows Phone 8 vorstellte, aber keinem der Handys der ersten Generation ein Upgrade spendierte, da man einen neuen Kernel verwendete. Dazu probierte man, Office zum Zugpferd zu machen und verkaufte seine von Nokia hergestellte Flaggschiffe zu Premiumpreisen. Das Interesse bei anderen Herstellern ließ sehr schnell nach. Auch die Einführung von Windows 10 Mobile konnte den Abwärtstrend nicht mehr stoppen. Seit 2017 liefert Microsoft nur noch Sicherheitsupdates. Mit dem Patchday vom 14. Jänner 2020 wird man das System allerdings gemeinsam mit Windows 7 endgültig beerdigen.

CBS

Google+ (2011 – 2019)

Am 28. Juni 2011 sperrte Google mit großer Fanfare sein eigenes soziales Netzwerk auf und galt damit schnell als der ultimative Konkurrent zum damals bereits dominierenden Facebook. Das Organisationssystem in "Kreise" sorgte allerdings schnell für Verwirrung. Gleichzeitig versuchte man, diverse eigene Dienste mit der Plattform zu verknüpfen. Insbesondere die "Zwangsanmeldung" für Youtuber stieß schon früh auf wenig Gegenliebe. Die britische Sängerin Emma Blackery komponierte einen eigenen Protestsong namens "Fuck you, Google+" als Reaktion auf diese Entscheidung.

Die mutmaßlich vor allem auf Betreiben des 2014 von Bord gegangenen Manager Vic Gundotra gestartete Seite sollte nach einem anfänglich kurzen Hype vor allem nur für einzelne Communities – Google-Mitarbeiter, "Techies", Ingress-Spieler – zur Heimat werden, aber bei der Allgemeinheit kaum auf Gegenliebe stoßen. 2018 kündigte Google nach einem Datenschutzvorfall die Schließung von Google+ für Privatkunden im Sommer 2019 an. Der Termin wurde sogar noch einmal vorverlegt. Was vom Netzwerk übrig ist, dient nun für einen Service für Business-Kommunikation.

Emma Blackery

Ouya (2012 – 2019)

Eine kostengünstige Alternative zur Playstation und Xbox hätte die Ouya werden sollen. 2012 war die Frühzeit des Crowdfunding-Hypes und es schien, als sei fast alles möglich, wenn nur genug Leute gemeinsam Geld in eine gute Idee investieren. In diesem Fall: 8,6 Millionen Dollar. Und mit nur drei Monaten Verspätung – ein für Hardware-Kickstarter überschaubarer Wert – startete schließlich im Juni 2013 der Versand der Konsole.

Trotz mancher technischer Defizite war die Ouya technisch an sich kein schlechtes Produkt. Allerdings war das 100-Dollar-Gerät weit über seinem Wert beworben worden. Schnell stellte sich heraus, dass die mit mobiler Hardware laufende Plattform den großen Konsolen eben nicht die Stirn bieten konnte. Dass Microsoft und Sony in diesem Jahr die Playstation 4 und Xbox One an den Start schickten, erschwerte die Situation. Und so ließ das Interesse an der Ouya flott nach, das Unternehmen geriet flott in finanzielle Turbulenzen. 2015 schluckte Razer die Softwareabteilung. Vor wenigen Monaten schließlich wurde der Ouya Store endgültig abgedreht.

OUYA

Facebook Phone (2013 – 2014)

Auch Facebook wollte sich den Trend zu Smartphones zunutze machen. Und so tat man sich mit dem Hardwarehersteller HTC zusammen und stellte 2013 das HTC First vor, das auch weithin das "Facebook-Phone" genannt wurde. Statt HTCs eigener Android-Adaption Sense war darauf Facebooks Launcher "Home" installiert. Der zeigte Nutzern – wenig überraschend – was gerade auf Facebook angesagt war und was Freunde gerade so posteten. Immerhin, darüber hinaus ließ sich recht einfach eine normale Android-Oberfläche verwenden.

Auf technischer Ebene konnte man mit dem Smartphone allerdings nicht viel gewinnen. Lob gab es für das recht gute Display, doch gerade für ein auf soziale Medien getrimmtes Gerät war die Kamera herausragend schlecht. Dass man das Gerät exklusiv nur beim US-Provier AT&T vertrieb, half der Popularität auch nicht unbedingt. Letztlich sollen nur 15.000 Stück verkauft worden sein. Für HTC sollte es nicht der erste Flop in diesem Jahrzehnt gewesen sein.

Hello Production

Amazon Fire Phone (2014 – 2015)

Mit E-Readern und Tablets hatte Amazon damals schon Erfahrung gesammelt, 2014 wollte man es schließlich auch mit einem Smartphone probieren. Und so präsentierte Jeff Bezos schließlich ein Gerät mit von Google abgekoppeltem Android und allerlei Features wie perspektivischen Effekten beim Wenden des Bildschirms, eingebauter Produkterkennung und mehr.

Die Gunst des Publikums erlangte man damit jedoch nicht. Die Benutzeroberfläche des Fire Phone wurde von vielen als verwirrend empfunden, die Nichtverfügbarkeit des Play Stores entpuppte sich auch nicht als Vorteil. Der "2,5D-Effekt" war nicht mehr als ein Gimmick und sorgte bei manchen Nutzern für Übelkeit. Dazu kam schlechte Optimierung der Software, daraus resultierende Behäbigkeit und obendrein auch noch eine eher mäßige Hauptkamera. Nach knapp mehr als einem Jahr an schwachen Verkaufszahlen verschwand das Fire Phone von der Bildfläche. Berichten zufolge versenkte Amazon mit seinem Projekt einen Milliardenbetrag.

amazon

Android-Tablets (2011 – heute)

Nein, sie sind nicht tot. Aber auch nicht so wirklich lebendig. Android Tablets gab es bereits, bevor Google dereinst Android 3 "Honeycomb" als darauf spezialisierte Android-Ausgabe vorstellte. Und auch in Zukunft wird der Nachschub wohl kaum ausgehen. Aus dem damals ersehnten Hoffnungsmarkt wurde allerdings nicht. Einerseits, weil auf Android-Seite oft die überzeugenden Geräte, Apps und betriebssystemseitige Optimierungen fehlten, andererseits weil Apple hier in den letzten Jahren schlicht vieles besser gemacht hat.

Unter seinen Marken Nexus und Pixel mischte auch Google selbst mit. Die traurige Realität ist allerdings, dass nur noch wenige namhafte Hersteller – allen voran Samsung, Amazon und Huawei – überhaupt noch regelmäßig neue Geräte auf den Markt bringen. Der Großteil davon sind Einsteiger- und Mittelklasseware, die Auswahl im Highendbereich ist extrem überschaubar. Die zukunft scheint ohnehin in Convertibles zu liegen. Dort ist der Spielraum für Android allerdings begrenzt, gibt es neben dem iPad Pro auch schon lange Microsofts Surface und zahlreiche günstige Geräte mit Windows und Googles eigenem ChromeOS.

Juicero (2013 – 2017)

Eine Saftpresse, in die man statt Obst und Gemüse nachbestellbare Säckchen mit Pürree steckt, die von dem Gerät "ausgewalzt" werden. Das klang jedenfalls jahrelang für diverse namhafte Investoren – darunter Google – nach einer hervorragenden Idee. Juiceros Kombination aus Gesundheitstrend mit einem Aboservice wurde geradezu zu seinem "Sesam, öffne dich" für die Kassen der Geldgeber.

Was allerdings herauskam war ein technisch völlig übertriebenes Produkt für 700 Dollar, das sich mit "digitalem Rechtemanagement" auch vor Pürreesäckchen fremder Hersteller schützte. Für Dritthersteller wurde die smarte Saftpresse aber gar nicht erst interessant. Denn nach dem Launch des Produktes wurde es mit Hohn und Spott überzogen – nicht zuletzt weil sich die Saftbehältnisse per Hand fast ebenso gut ausquetschen ließen, wie mit der Presse und zudem die Abonnementidee auf wenig Gegenliebe stieß. Auch massive Preisreduktionen konnten das – in den Worten mehrerer Tester: "nutzlose" – Produkt nicht retten. Das Jahr des Marktstarts wurde für Juicero auch zum Jahr des Konkurses. (gpi, 2.1.2020)

Juicero