FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, Ex-FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer und der Historiker Thomas Grischany bei der Pressekonferenz.

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Mölzer sei zur Präsentation nur spontan gekommen, normalerweise weile er um diese Zeit schon bei seiner Familie in Kärnten, erklärte er.

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So sieht die fertige Version des 668 Seiten starken Berichts aus.

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Trotz des vorweihnachtlichen Termins waren viele Kameras und rund 40 Journalisten anwesend.

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So sah der 32-seitige Rohbericht aus, der im August präsentiert wurde.

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Die FPÖ hat nach mehrmaliger Ankündigung am Montag – einen Tag vor dem Heiligen Abend – ihren Historikerbericht zur Aufarbeitung der Parteigeschichte und den Verstrickungen ihrer führenden Politiker mit dem Nationalsozialismus vorgelegt. Der Termin passt zu dem Eindruck, dass die Partei das Thema rasch wieder vom Tisch bekommen will.

Trotz des vorweihnachtlichen Termins waren Montagmittag rund 40 Journalisten zur Pressekonferenz erschienen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker wollte zu Beginn der Präsentation klarstellen, dass es sich bei dem ungewöhnlichen Termin um "keine Schikane an Journalisten" handle. Vielmehr wolle man getätigte Versprechen einhalten, so Hafenecker.

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Auslöser: Liederbuchaffäre 2018

Eingesetzt wurde die FPÖ-Historikerkommission unter dem damaligen Parteichef Heinz-Christian Strache im Frühjahr 2018 infolge der Liederbuchaffäre in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Seither war die Präsentation des Berichts mehrmals angekündigt und wieder verschoben worden. Die Burschenschaften selbst sind allerdings nicht Teil der parteiinternen Aufarbeitung, da diese keine Vorfeldorganisation der Partei seien, erklärte Hafenecker bei der Präsentation.

Der Bericht beschäftigt sich mit den historischen Anfängen der Partei, mit der vergleichsweise großen Anzahl ehemaliger Nationalsozialisten in der FPÖ und deren Vorgänger, dem Verband der Unabhängigen (VdU). Hafenecker betonte aber, dass auch bei ÖVP und SPÖ ehemalige Nazis unterkamen.

Unmögliche Podiumsdiskussion

Die Partei hätte lieber eine Podiumsdiskussion als die Pressekonferenz gehabt, zahlreiche Anfragen seien allerdings abgelehnt worden, sagte Hafenecker, der von "konzertierten Absagen" sprach. Einer von Hafenecker nicht näher definierten "Gegenöffentlichkeit" stehe der Bericht nun als "Weihnachtsgeschenk" zur Verfügung. Zahlreiche Studien, etwa jene von Margit Reiter, seien aber zum Beispiel in den Eintrag des umstrittenen Historikers Lothar Höbelt über den VdU nicht eingeflossen. In Form einer Diskussion würde er sich wünschen, dass man auf einen gemeinsamen Nenner komme.

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Für Kritik sorgte die Abwesenheit der Parteispitze bei der Präsentation. Lediglich Hafenecker sowie der blaue Publizist und Talkshow-Dauergast Andreas Mölzer waren angetreten, um den 668 Seiten starken Bericht der Presse zu präsentieren. Mölzer bezeichnete die Historikerkommission schon einmal als "taktisches Manöver, um aus den Schlagzeilen zu kommen", bei der Pressekonferenz stritt der Koordinator der Kommission dieses Zitat ab und beteuerte, nur anwesend zu sein, weil er zufällig noch in Wien gewesen sei. Sekundiert wurden die beiden von dem Historiker Thomas Grischany, der Kommissionsvorsitzende Wilhelm Brauneder war nicht dabei.

Eine Partei mit Eigenleben

Auch Grischany nutzte einige Redezeit, um die Arbeit der Kommission gegen ihre Kritiker zu verteidigen. Er hätte sich mehr Respekt erwartet, da es schließlich das erste Mal sei, dass sich die FPÖ mit ihrer Geschichte auseinandersetze. Explizit erwähnte er dabei das STANDARD-Forum.

Dass die FPÖ eine Nähe zum Nationalsozialismus hatte, sei kein Geheimnis gewesen, sagte Grischany. Aber das sei vorbei, da sich die Partei auf der "materiell-inhaltlichen Ebene" weiterentwickelt habe. Die FPÖ sei nicht nur der "Wurmfortsatz der Ehemaligen", sondern habe ein Eigenleben entwickelt.

Zum ehemaligen Parteiobmann Friedrich Peter, dessen 1. SS-Infanteriebrigade 1941 in Russland und der Ukraine mindestens 17.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder sowie rund 25.000 sowjetische Kriegsgefangene ermordete, merkt der Historiker und Jurist Michael Wladika an, dass diesem "eine direkte Teilnahme niemals nachgewiesen werden" konnte, der spätere SS-Sturmbannführer sei allerdings im September 1941 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden.

Israelische Historiker

Außerdem hat es die Partei geschafft, für ihren Bericht zwei israelische Historiker an Land zu ziehen. Einer von ihnen ist der umstrittene Professor Mordechai Kedar. Dieser gilt als Nahost- und Islamexperte, der bisher nicht mit Arbeiten zu Österreich aufgefallen ist. Kedar hat laut Grischany die Freiheitlichen nicht nur an ihren Worten, sondern auch an ihren Taten gemessen. Dementsprechend seien Jörg Haiders Aussagen in diesem Beitrag kritisiert, seine Taten in der Restitutionspolitik aber lobend erwähnt worden.

Der Bericht wird bereits aufmerksam gelesen.

Bei dem zweiten Historiker aus Israel handelt es sich um den emeritierten Professor für islamische und chinesische Geschichte, Raphael Israeli. In seinem Beitrag hat er die Arbeit der FPÖ-Historikerkommission analysiert. Die zwei Israelis hätten aber nicht – wie ursprünglich von Medien berichtet – den ganzen Bericht geprüft, sondern sich nur auf ihren Beitrag beschränkt. Insgesamt sind zwölf der 19 Autoren Historiker oder haben zumindest Geschichte studiert.

Wissenschaftliche Mängel

Als im August eine Kurzfassung veröffentlicht wurde, war diese bei Experten jedenfalls auf scharfe Kritik gestoßen. Beobachter stellten eine ernsthafte Beschäftigung der FPÖ mit ihrer Vergangenheit infrage. Die Darstellung, wonach die FPÖ eine "Partei wie jede andere" sei, wurde in Abrede gestellt.

Viele Historiker orteten wissenschaftliche Mängel. Ein Autor distanzierte sich im Nachhinein sogar von dem Bericht, weil er fand, sein Beitrag sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Burschenschaften unangetastet

Kritisiert wurde auch die Darstellung, die FPÖ sei eine "Partei wie andere auch". So hält die Historikerin Margit Reiter im Standardwerk "Die Ehemaligen" über die Entstehung der FPÖ fest, dass man bei SPÖ und ÖVP von "braunen Flecken" sprechen könne, bei VdU und FPÖ sei das hingegen nicht möglich. Die beiden Parteien seien "von ihrem Selbstverständnis, ihrer Programmatik und ihrer personellen Zusammensetzung her das parteipolitische Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten schlechthin" gewesen, so die Historikerin, zudem habe es "in ideologischer Hinsicht Affinitäten zum Nationalsozialismus" gegeben.

Burschenschaften allgemein sind Hafenecker zufolge kein Thema im Historikerbericht. "Wir haben da oft gar keinen Zugang in die Archive, außerdem ist das auch eine Frage des Datenschutzes", sagte er zur Begründung. Auf Nachfrage von Journalisten wurde zugegeben, dass keine Burschenschaften angefragt wurden, da es nicht die Aufgabe der FPÖ sei, in deren Archive einzudringen. Überhaupt wurde mehrmals recht allgemein die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Entschuldigung für diese Auslassung angeführt.

Außer den namentlich angeführten Autoren wollte die Partei nicht verraten, wer aller an dem Bericht mitgewirkt hat. Dass dieser innerhalb der Partei aufgearbeitet wurde und die Arbeit nicht etwa an die Universität Wien delegiert wurde, ist laut Hafenecker nachvollziehbar: "Ich möchte nicht wissen, was dabei rausgekommen wäre." (red, Markus Sulzbacher, Laurin Lorenz, 23.12.2019)