Algeriens Armeechef Ahmed Gaïd Salah ist im 80. Lebensjahr verstorben.

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Algerien kommt nicht zur Ruhe. Nachdem auch vergangene Woche die Proteste gegen die autoritäre und als äußerst korrupt geltende Staatsführung unvermindert weitergingen, meldete der Staatsrundfunk am Montag völlig überraschend den Tod von Armeechef Ahmed Gaïd Salah. Algeriens 79-jähriger De-facto-Machthaber sei nach einem Herzanfall in einem Militärkrankenhaus in Algier verstorben.

Der erst vor zehn Tagen in einem umstrittenen Urnengang neu gewählte Staatspräsident Abdelmajid Tebboune ordnete eine dreitägige Staatstrauer an und ernannte den 74-jährigen Kommandanten der Bodenstreitkräfte, Generalmajor Saïd Chengriha, zum Interimschef des Militärs.

Einflussreichste Figur

Gaïd Salahs Tod kommt einem politischen Erdbeben gleich, galt der seit 2004 als Generalstabschef amtierende General doch seit Jahren als einflussreichste Figur in Algeriens fragmentiertem Machtapparat. Der aus der Provinz Batna stammende Gaïd Salah hatte sich schon in den 1950er-Jahren der Unabhängigkeitsbewegung angeschlossen und war seither schrittweise in der Militärhierarchie aufgestiegen. Schon während des blutigen Bürgerkriegs der 1990er-Jahre bekleidete er zentrale Posten im Armeeapparat und amtierte unter anderem als Chef der Bodenstreitkräfte.

Von Bouteflika emanzipiert

Gaïd Salah galt lange als enger Verbündeter von Langzeitpräsident Abdelaziz Bouteflika, hatte sich jedoch nach dessen Schlaganfall 2013 zunehmend von dessen Regimefraktion emanzipiert und eine eigene Machtbasis aufgebaut. Nach Ausbruch der Massenproteste gegen Bouteflika im Februar war es Gaïd Salah, der seinen vormaligen Protegé im April zum Rücktritt zwang und seither de facto das Land regierte. Durch die von Manipulationsvorwürfen überschattete Präsidentschaftswahl am 12. Dezember hatte der Armeechef mit Tebboune einen Vertrauten als neuen Staatschef installiert, zog aber hinter den Kulissen weiter die Fäden.

Machtkämpfe

Seit Jahresbeginn hatte Gaïd Salah im Windschatten der Massenproteste das Regime von Grund auf reorganisiert und zahlreiche Rivalen um politischen Einfluss und Zugang zu wirtschaftlichen Privilegien verhaften oder absetzen lassen. Sein Tod könnte die regimeinternen Machtkämpfe neu entfachen, ist doch unklar, wie gefestigt die von ihm etablierte neue Machtbalance im Land wirklich ist.

Der neue Interimschef der Armee, Chengriha, zählt ebenfalls zum engeren Kreis der Militärführung. Ob er sich aber auf dem Posten halten kann, ist unklar. Formell ist es der Staatspräsident, der den Armeechef beruft. Faktisch ist es jedoch die Armeeführung, die über Gaïd Salahs Nachfolge entscheiden wird. Als chancenreichster Konkurrent Chengrihas gilt derzeit der Kommandant der Republikanischen Garden, Benali Benali. (Sofian Philip Naceur, 23.12.2019)