Louis Sclavis – Characters on a Wall

Die großformatigen Figurenzeichnungen, die der französische Urban-Artist Ernst Pignon-Ernest an Mauern in Neapel oder Ramallah anbringt, sind Provokationen für Herz und Verstand. Landsmann Louis Sclavis übersetzt die Assoziationen, die die rätselhaften Menetekel in ihm auslösen, in ebenso farben- wie figurenreichen Kammerjazz. Gleich im Opener bemüht der Klarinettist Motive von Chet Baker, um Pier Paolo Pasolini zu evozieren. Stehende Bassklarinettentöne wechseln ab mit chromatischen Linien. "Characters on a Wall" (ECM) lebt auch von den Klavierseufzern Benhamin Moussays.

Louis Sclavis - Topic

Alex Hendriksen, Fabian Gisler – The Song Is You

Wer die unsterblichen Kompositionen von Ellington-Spezi Billy Strayhorn zum Leben erwecken will, muss eloquent sprudeln wie der Schweizer Tenorsaxofonist Alex Hendriksen. Im Zusammenspiel mit Bassist Fabian Gisler entsteht ein großes "American Book" voller "Sketches" und überraschender Aneignungen. Gisler kann auf seinem unterschiedlich bespannten Gerät (halb Darm, halb Metall) nicht nur marschieren wie ein Gott. Auch die Kunst des Quasi-Gesangs eignet ihm. Auf "The Song Is You" (Hat Hut) gebührt "Chelsea Bridge" die Krone. Hendriksen spielt minutenlang Fragmente, ehe er zum Thema kommt.

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Die Sterne – Anfang verpasst (1992-1999)

In der "Hamburger Schule" war Frank Spilker der coole Checker aus der letzten Bank. Gegenüber Vorzugsschülern wie Jochen Distelmeyer (Blumfeld) besaß er ein unfehlbar stechendes Atout: Zur Musik von Die Sterne konnte man ganz ohne Verknotung der Gliedmaßen tanzen! Die Box "Anfang verpasst (1992–1999)" (Tapete) enthält alle formativen Alben der Band bis einschließlich wo ist hier: famoser Fauler-Willi-Orgelsoul, der sich zwischen Punk und Parliament nicht entscheiden will und dennoch von unwiderstehlicher Dringlichkeit ist: "Wo fing das an? / Was ist passiert / Was hat dich bloß so ruiniert?"

L'Age d'Or

(poh, 24.12.2019))