Polizisten sichern ein besetztes Haus ab, das geräumt werden soll.

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Am 14. September wurde eine Demonstration gegen Polizeigewalt aufgelöst.

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Demonstration gegen die Räumung von Flüchtlingsunterkünften.

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Plakate in Exarchia.

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Athen – In Griechenland sorgt die Zunahme von Polizeigewalt für Diskussionen. Seit die konservative Regierung von Premier Kyriakos Mitsotakis (Nea Dimokratia, ND) im Juli ihr Amt angetreten hat, geht die Exekutive laut Medien äußerst aggressiv gegen Demonstranten und Vertreter der autonomen Szene vor. Auf Kritik reagiert die Regierung gelassen.

In den vergangenen Wochen häuften sich massive Einsätze der Exekutive insbesondere gegen die linke und anarchistische Hausbesetzerszene im Exarchia-Viertel der Hauptstadt Athen. Bei den Aktionen seien zahlreiche Personen von Polizisten ungerechtfertigt sowie über Gebühr angegriffen und auch verletzt worden, meinen Kritiker der Regierung.

Dabei hätte sich die "Autonomen" zuletzt äußerst friedlich verhalten und keinerlei Anlass für Polizeieinsätze gegeben. In manchen der besetzen Häusern hat sich bereits seit Jahren auch eine veritable alternative Kunst- und Kulturszene etabliert, die Theateraufführungen, Literaturlesungen, Konzerte oder politische Diskussionen organisiert.

Sprachunterricht für Flüchtlinge

In einigen Gebäuden, für die freilich teilweise schon Räumungsbefehle beantragt wurden, sind auch Flüchtlinge untergebracht. Laut Sympathisanten der Szene erhalten diese dort beispielsweise auch Griechisch-Unterricht, um ihre Integration zu fördern. Das sei notwendig, weil der Staat diesbezüglich keine adäquaten Maßnahmen setze.

In den vergangenen Wochen kam es in den Autonomen-Vierteln aber regelmäßig zu Polizeirazzien, die meist auch von Gewalt begleitet waren. Für mediales Aufsehen sorgte insbesondere eine Attacke auf den bekannten Regisseur Dimitris Indares, der im Koukaki-Viertel in der Nachbarschaft eines besetzten Hauses zu Hause ist. Die Polizei wollte über seine Wohnung in das Gebäude vordringen, um es zu räumen.

Regisseur festgenommen

Indares forderte die Polizisten aber auf, einen gerichtlichen Räumungsbefehl vorzuweisen. Sonst würde er ihnen den Zutritt zu seiner Wohnung verwehren. Nach Angaben seiner Ehefrau konnten dies die Beamten nicht, doch seien ihr Mann und seine beiden Söhnen in der Folge festgenommen und brutal abgeführt worden.

Dokumentation über Exarchia.
redfish

Laut Augenzeugen wurden die drei regelrecht verprügelt. Der Ehefrau drohten die Beamten auch, sie würden sie bei Widerstand die Stiegen hinunterstoßen. Zudem wurde bei den Vorfällen eine junge Frau, die gegen die Aggression der Polizei protestiert hatte, durch ein Gummigeschoß verletzt. Als Reaktion auf die Vorfälle kam es in Kulturkreisen zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen. Künstlerkollegen schrieben offene Briefe, in denen sie gegen das Vorgehen der Exekutive protestierten.

Unterhose heruntergezogen

Zuletzt sorgte der Fall eines jungen Mannes für Aufsehen, der im Zuge einer Demonstration von den Einsatzkräften nach seiner Festnahme geschlagen und gedemütigt wurde, indem sie ihn in aller Öffentlichkeit entkleideten und ihm die Unterhose herunterzogen. Als Fotos von der Aktion auch in Medien veröffentlicht wurden, zeigten sich Vertreter der Exekutive sogar erfreut. Derartige Bilder würden bei Demonstranten und Anarchisten abschreckende Wirkung haben, verteidigte ein Polizeigewerkschafter das Vorgehen seiner Kollegen.

Die linke Syriza-Opposition wirft der Regierung vor, autoritär zu agieren, und forderte insbesondere Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis zum Rücktritt auf. Dieser sieht keinen Grund dafür, sondern rühmt sich eher dafür, mit harter Hand vorzugehen. Durch die polizeilichen "Sondermaßnahmen" im ersten Halbjahr der Amtszeit der neuen Regierung sei die Zahl der Krawalle, Plünderungen und Sachbeschädigungen durch "vermummte Autonome" deutlich zurückgegangen, argumentiert Chrysochoidis.

In Berlin wurde am Montag das griechische Konsulat besetzt.

Ende November habe er den Hausbesetzern zudem eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, innerhalb derer diese "freiwillig" aus den Gebäuden ausziehen könnten. Diese Frist sei eben verstrichen, die Polizeieinsätze daher gerechtfertigt. Betroffen sind etwa 45 Gebäude im weiteren Umfeld Athens. (APA, 23.12.2019)