Gerald Stockinger (li.) und Wolfgang Graf wollen die Karten-App Ticket Gretchen exportieren.

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Wien – Zwei- bis dreimal im Monat gehe er ins Theater, sagt Wolfgang Graf. Sein Kompagnon, Gerald Stockinger, der IT-Experte im Unternehmen Ticket Gretchen GmbH, gehe weniger oft: "Ein IT-Mann halt." Die beiden Unternehmer (Jahrgang 1976 bzw.1984) haben im Mai 2016 ihr Start-up "Ticket Gretchen" vorgestellt: eine Handy-App, mittels derer die Nutzer inzwischen Karten von mehr als 70 Bühnen in sechs Bundesländern Österreichs kaufen können. Es geht inzwischen um mehr als 5000 Vorstellungen.

Was das Besondere daran ist: Österreichs Kulturbetriebe verwenden allesamt verschiedene Ticketing-Systeme, die nicht miteinander kommunizieren können. Auf Ticket Gretchen verständigen sich die, sehr simpel ausgedrückt, in einer Sprache, die Kunden können gustieren, Rezensionen lesen, Karten kaufen – und zahlen den Originalpreis, den die Veranstalter in Rechnung stellen. Anders gesagt: Die App-Nutzer ersparen sich das Suchen und Buchen auf den verschiedenen Homepages der Kulturbetriebe.

Wertvolle Daten

Ticket Gretchen selbst lebt von den Honoraren, die die Veranstalter fürs Service wie Erstanbindung und Marketing bezahlen, zudem kassieren die Gretchens eine ein- bis zweiprozentige Provision je Ticket. Die Kulturbetriebe bekommen im Gegenzug Daten zu den Kunden geliefert, alles im Einklang mit dem Datenschutz, wie Graf und Stockinger beteuern.

Entstanden ist die Idee mit der Theaterkarten-App sozusagen aus dem Brotberuf von Graf, der Datenanalyse. 2005 hat die Graf Moser Management GmbH, die je zur Hälfte Graf und der Geschäftsführerin der Komischen Oper Berlin, Susanne Moser, gehört, den "Kulturplanner" entwickelt: eine Art Planungs- und Budgetierungsinstrument für Kulturbetriebe. Software-Engeneer Stockinger kam 2007 an Bord, in der Zwischenzeit sind die Datenanalytiker in dem Bereich zum Marktführer im deutschsprachigen Raum geworden. Sie liefern den Kunden etwa Daten für den Vertrieb, für die Saalplanoptimierung und fürs Ticketing-System bis hin zu Daten, über die sich die künftige Auslastung eines Hauses errechnen lässt.

Keimzelle Josefstadt-App

Und wie entstand daraus das Ticket Gretchen, das seinen Namen selbstredend vom Gretchen aus Goethes Faust ableitet? Eigentlich aus einer App, die 2015 zunächst nur fürs Wiener Theater an der Josefstadt entwickelt wurde.

Der Applikation fürs Smartphone schlossen sich dann 2016 Wiener Burgtheater, Volkstheater und die Vereinigten Bühnen Wien an.

Bis jetzt wurde Gretchen 90.000 Mal aufs Smartphone geladen, pro Monat gab es zuletzt rund 10.000 aktive Nutzer. Mehr als 15 Prozent der gekauften Tickets entfallen laut Graf auf unter 27-Jährige: Für sie gibt es Vergünstigungen ab 72 Stunden vor Vorstellungsbeginn.

Expansion geplant

Mehr als eine Million Euro haben die Gründer laut ihrer Schilderung investiert, wobei es auch Förderungen vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) gegeben habe. Aus dem Wasser sei das Start-up noch nicht. Im jüngsten Wirtschaftsjahr, das (wie die Theatersaison) im Juni endet, betrug der Umsatz "ein paar 100.000 Euro im mittleren Bereich", sagt Graf, um rund dreimal so viel wie im Jahr davor. 2017/18 betrug der Bilanzverlust laut Firmenbuch knapp 500.000 Euro. In zwei Jahren soll das Unternehmen laut Graf aus der Verlustzone auftauchen.

Wie? Man plane eine zügige Expansion in Deutschland und in der Schweiz, es gebe auch Anfragen aus den USA. (Renate Graber, 25.12.2019)