Erbschaften bei der Vermögensungleichheit ein wichtiger Bestandteil: Bei den 50 reichsten Österreicherinnen und Österreichern haben in 38 Fällen Erbschaften zumindest eine Rolle gespielt.

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Wien – Die Vermögensverteilung ist in Österreich besonders ungleich, konstatiert Arbeiterkammer-Experte Matthias Schnetzer. Die von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) dazu seit 2010 erhobenen Zahlen zeigen in den letzten Jahren keine wesentliche Verbesserung. "Österreich ist im Spitzenfeld der ungleichsten Länder der Eurozone", so der Ökonom.

Das sieht man an der Verteilung der Nettovermögen: Alleine das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 22,6 Prozent des gesamten Nettovermögens. Die reichsten fünf Prozent verfügen über 43,1 Prozent des Gesamtvermögens, die reichsten zehn Prozent haben 56,4 Prozent in ihrem Eigentum. Die reichsten 20 Prozent, also das reichste Fünftel, zählt 72,8 Prozent des Gesamtvermögens zu ihrem Besitz. Hingegen hat die ärmere Hälfte der Bevölkerung praktisch kein Vermögen: Auf die ärmeren 50 Prozent entfällt nur 3,6 Prozent des Gesamtvermögens.

Nur Stichproben

Dabei sind in den Daten der Nationalbank, die durch stichprobenartige Befragungen bei Haushalten gebildet werden, die Superreichen noch gar nicht enthalten, gibt der Verteilungsexperte Schnetzer zu bedenken. Denn die Daten beruhen auf exakt 3.072 Interviews mit Haushalten. Die Wahrscheinlichkeit, die wenigen Milliardäre bei einer Stichprobe zu erwischen, sei schon extrem niedrig. Noch niedriger sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig gezogener Milliardär auch tatsächlich seine Vermögensverhältnisse offenlege.

Im Gegensatz zur ungleichen Vermögensverteilung sei die Einkommensverteilung ausgewogener, so Schnetzer: Während der Anteil der reichsten zehn Prozent am Gesamtvermögen bei über 56 Prozent liegt, ist ihr Anteil am Gesamteinkommen "nur" 22 Prozent.

Keine Mittelschichtgesellschaft

"Beim Vermögen ist Österreich keine Mittelschichtsgesellschaft", so Schnetzer. Auch wenn das allgemeine Bewusstsein so sei, dass sich kaum jemand selber als "arm" oder "reich" betrachte. Bei einer Selbsteinschätzung würden sich die Österreicher mehrheitlich falsch, nämlich in die Mittelschicht, zuordnen. "Die Ärmeren reden es sich schöner, die Reichen verorten sich in der Mittelschicht", meint der Ökonom.

Erbschaften

Erbschaften sind bei der Vermögensungleichheit ein wichtiger Bestandteil: Bei den 50 reichsten Österreicherinnen und Österreichern haben in 38 Fällen Erbschaften zumindest eine Rolle gespielt, verweist Schnetzer etwa auf die Milliardärinnen Heidi Horten oder Ingrid Flick, die Familien Esterhazy oder Swarovski.

Die Rolle von Erbschaften werde in den nächsten Jahrzehnten noch weiter zunehmen: Die Babyboomergeneration wird sterben, damit gibt es mehr Erbfälle – die auf weniger Kinder als in vorigen Generationen verteilt werden. Während die Generation des Nachkriegskapitalismus noch aus eigener Arbeit Vermögen aufbauen und etwa ein Eigenheim erwerben konnte, spiele künftig die eigene Arbeit eine immer geringere Rolle beim Vermögensaufbau, gibt Schnetzer zu bedenken: "Die Vermögensungleichheit wird auf die nächste Generation übertragen".

Wenig vermögensbezogene Steuern

Dazu komme der in Österreich im internationalen Vergleich sehr geringe Anteil an vermögensbezogenen Steuern: Mit 1,3 Prozent Anteil der Vermögensteuern am Gesamtsteueraufkommen belegt Österreich innerhalb der gesamten Industriestaatengemeinschaft OECD den drittletzten Platz. Hier wirke sich in Österreich praktisch nur die Grundsteuer aus. (APA, 24.12.2019)