So sieht es laut einer neuen Studie im Inneren unseres Planten aus: Auf dem festen Teil des Erdkerns (innerster Kreis) liegt eine (schwarze) Schicht aus eisernem "Schnee". Die herabrieselnden Flocken bilden sich in der hell dargestellten Schicht im flüssigen äußeren Teil des Erdkerns.
Illustration: University of Texas at Austin/Jackson School of Geosciences

Schnee aus Eisen: Das vermutlich bizarrste Wetter unseres Planeten hat ein Team chinesischer und US-amerikanischer Forscher ausfindig gemacht – und es spielt sich tausende Kilometer unter unseren Füßen ab. An der Grenze zwischen dem flüssigen und dem festen Teil des Erdkerns bilden sich laut dem Team um Youjun Zhang von der Sichuan-Universität laufend Eisenkristalle, die zur Oberfläche des festen Kerns "schneien". Dort lagern sie sich als ungleichmäßig verteilte Schneedecke ab, einzelne Halden können hunderte Kilometer hoch sein.

Hintergrund

Die Erde ist schalenförmig aufgebaut: Unter der festen Erdkruste, die mit 5 bis 70 Kilometern vergleichsweise hauchdünn ist, liegt der 2.850 Kilometer dicke Erdmantel. Aufgrund des enormen Drucks in dieser Schicht bleibt das Gestein im Mantel zwar zum allergrößten Teil fest, ist aber in ständiger Bewegung begriffen. Darunter liegt dann der metallische Erdkern, der seinerseits in zwei Schichten zerfällt. Die äußere, etwa 2.250 Kilometer dick, ist flüssig. Darin eingebettet liegt dann eine feste Kugel mit einem Radius von 1.220 Kilometern.

Mit Nachschauen und Probenentnehmen sind die Verhältnisse in dieser Region leider nicht zu ergründen. Zum Vergleich: Die tiefste jemals durchgeführte Bohrung der Welt erreichte schlappe zwölf Kilometer, und damit war das Bohrloch auf der russischen Halbinsel Kola bereits eine gewaltige Leistung. Der Erdkern lässt sich nur dadurch erforschen, indem man die Ausbreitung seismischer Wellen verfolgt und daraus rekonstruiert, durch was für eine Art von Medium sie sich bewegt haben.

Da haben sich in jüngerer Vergangenheit Abweichungen zwischen Messwerten und Theorien über die Verhältnisse im Kern ergeben: An der Untergrenze des flüssigen äußeren Kerns bewegen sich die Wellen langsamer als erwartet. Und sie ziehen in der östlichen Hemisphäre seltsamerweise schneller über die Außenschicht des inneren Kerns hinweg als in der westlichen.

Neue Studie

In Zusammenarbeit mit Forschern der University of Texas und der University of Tennessee hat Zhang nun im Fachjournal "JGR Solid Earth" ein Modell vorgestellt, das diese Phänomene erklären soll. Es beruht auf der Annahme, dass sich im flüssigen Teil des Erdkerns winzige Eisen-basierte Kristalle ausbilden, Schneeflocken ähnlich. Bis zu 15 Prozent des untersten Abschnitts des flüssigen Kerns könnten aus solchen Partikeln bestehen.

Diese Annahme ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern basiert zum einen auf Experimenten, die das Team mit "kernähnlichen Materialien" durchgeführt hat, um zu testen, wie sich diese bei Bedingungen wie im Erdinneren verhalten. Zum anderen haben die Forscher Studien von Kollegen nach dem Gesichtspunkt durchforstet, unter welchen Umständen Kristallbildung möglich ist. Sie verweisen auf einen im Grunde sehr ähnlichen Prozess, der sich allerdings viel weiter oben abspielt: Auch in den Magmakammern von Vulkanen kristallisieren Minerale aus der Schmelze und verbinden sich zu sogenannten Kumulaten.

Gletscherbildung im Erdinneren

Im flüssigen Teil des Kerns sinken die Partikel langsam über hunderte Kilometer hinweg nach unten, bis sie auf die Oberfläche des festen Teils treffen. Dort bilden sie eine Decke aus Eisen-Schnee, deren "matschige" Konsistenz seismische Wellen abbremst. Da diese Schneedecke – aus welchen Gründen auch immer – in der östlichen Hemisphäre dünner ist als in der westlichen, fällt die Bremswirkung hier geringer aus. Laut den Messungen ragen die höchsten Schneewehen etwa 320 Kilometer auf.

Und wie sich der uns vertraute Wasser-Schnee im Lauf der Zeit zu Gletschereis komprimieren kann, so wird auch die eiserne Schneedecke am Erdkern langsam zusammengepresst. Auf lange Sicht trägt der Eisen-Schnee somit dazu bei, dass sich die Verhältnisse im Erdkern verschieben: Der innere Kern wird wachsen und der flüssige äußere schrumpfen.

Was das für die weitere Entwicklung unseres Planeten bedeutet, könnte gleich das nächste Studienthema werden. Immerhin spielt der Erdkern eine Schlüsselrolle für zentrale Vorgänge auf unserem Planeten – von der Erzeugung des schützenden Erdmagnetfelds bis zur Abgabe der Hitze, die die Bewegung der Kontinentalplatten vorantreibt. (jdo, 30. 12. 2019)