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ÖSV-Läufer Vincent Kriechmayr verweigerte in Gröden das Siegerinterview im ZDF.

Foto: AP/Trovati

Ein Skiathlet beim TV-Interview: Er zückt eine Flasche oder Dose, platziert sie geschickt im Sichtfeld der Kamera und präsentiert unübersehbar und somit sehr werbewirksam einen seiner Sponsoren. Es ist ein Bild, an das man sich längst gewöhnt hat oder das doch nach wie vor aufgesetzt erscheint. Seit dieser Saison sind solche Aktionen von den deutschen Fernsehanstalten ARD und ZDF beim sogenannten "Presenter" im Zielgelände jedenfalls nicht mehr erlaubt. Mitgebrachte Gebinde nahmen bisweilen ungeahnte Größe an, nicht selten wurde just im Moment des Interviewbeginns demonstrativ ein ordentlicher Schluck genommen. Zu viel des Guten für so manchen TV-Konsumenten.

Der ORF zieht diesbezüglich nicht mit. Man habe aber die Athleten gebeten, etwas zurückhaltender zu sein, erklärt ORF-Kommentator Rainer Pariasek. Der Deutsche Thomas Dreßen sprach in Gröden Klartext: "Sie sagen, sie wollen keine Schleichwerbung, aber das ist bewusste Werbung." Der Sieger der Abfahrt in Lake Louise verweist auf geltende Verträge, die Athleten wie ihn zum Auftritt mit dem Getränk vor der Kamera verpflichte. Außerdem sei dies neben der Werbung am Kopf eine der wenigen Möglichkeiten für eine zusätzliche Einnahmequelle in der ohnehin zeitlich stark begrenzten Karriere.

Direkter Profit

Während die Aufnäher auf der Kleidung von Sponsoren sind, die Verbände und letztlich den Sport mit teilweise sehr hohen Beträgen mitfinanzieren, profitieren die Fahrer von Werbung auf der Flasche und Kopfsponsoring direkt. Dreßen gehe es in erster Linie – "das glaubt man vielleicht nicht" – nicht um Bares, sondern um Zusatzleistungen seines Sponsors. Ohne das Trainingszentrum Thalgau und ohne die Physiotherapie des Dosenimperiums würde er nach seinem im Dezember 2018 erlittenen Kreuzbandriss jetzt nicht so gut dastehen, sagt der Kitzbühel-Sieger von 2018.

Der Deutsche fordert zudem Gleichberechtigung. Er werde sich nur dann an die Einschränkung halten, wenn alle Athleten aus allen Nationen dem Folge leisten. Sollte dies nicht der Fall sein, "dann müssen wir Athleten uns zusammentun und ein Machtwort sprechen".

Kriechmayrs Aktion

Nachdem manch Athlet überlegte, Interviews zu boykottieren, hat Vincent Kriechmayr Taten folgen lassen. Der Super-G-Sieger auf der Saslong, der gewöhnlich mit einer Flasche einer Molkerei vor die Kamera tritt, verweigerte in Gröden das Siegerinterview im ZDF. Dadurch hat er zwar Unannehmlichkeiten mit seinem Privatsponsor vermieden, aber gleichzeitig Ärger mit den Verbandssponsoren riskiert, die Logos im TV präsentiert sehen wollen. Dreßen, dem deutschen Publikum verpflichtet, umging das Dosenverbot mit einem simplen Trick, indem er beim Interview im deutschen Fernsehen einen Schal seines privaten Unterstützers um den Hals trug.

Man muss kein Marketingexperte sein, um zu erkennen, dass die Anzahl der Sponsoraufnäher auf den Arbeitskleidungen der Profisportler am Limit ist und die Augen bisweilen an Überstrapazierung leiden. Mischt sich wie im Fall der Dose oder Flasche ein Konkurrent dazu, so könnte dies den Ärger der Verbandssponsoren nach sich ziehen, zumal die Werbewirkung mit jedem weiteren Mitspieler nachlässt. Die Verbandssponsoren könnten hinterfragen, ob sich ihr Investment lohne, wenn doch der vergleichsweise günstige Flaschentrick mehr Aufmerksamkeit erlangt. (Thomas Hirner, 27.12.2019)