Die 7 Fingers lassen im Zug plötzlich die Zeit stillstehen.

Foto: Alexandre Galliez

Das Leben als Reise ist keine taufrische Metapher, aber als Gerüst für einen Abend zwischen Artistik und Tanz in einem theaterhaften Setting allemal tauglich. Die 7 Fingers aus Montreal haben sich eine Zugreise als Handlungsrahmen für ihr Stück Passagers gewählt, mit dem sie beim Festival Cirque Noël in der Grazer Stadthalle gastieren.

Es ist ein Vorortzug, der 90 Minuten lang die Stationen des Genres Neuer Zirkus abfährt. Das bedeutet: keine tollpatschigen Clowns, kein "Akrobat schön", keine glitzernden Bodysuits und keine Tiere, die im Kreis laufen. Stattdessen bringen drei Frauen und fünf Männer Meisterklassen-Akrobatik auf eine Bühne, die mit Lichtprojektionen und sparsamen Requisiten Wirkung erzielt.

Fließende Revue

Die stimmige Revue glänzt durch fließende Übergänge und eine Choreografie, die von sehr schnellen bis sehr langsamen Passagen alle Schattierungen der Dynamik nutzt und im Zusammenspiel der Akrobaten das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe anspricht. Am deutlichsten zeigt sich das beim Auftritt der hyperflexiblen Artistin, die als Außenseiterin im Zug des Lebens sitzt: Kaum klatscht sie in die Hände, erstarren die anderen Passagiere, und die Schlangenfrau nutzt den Stillstand, um sich zu einer Coverversion von Radioheads Creep durch die Abteile zu winden und Verwirrung unter den Mitreisenden zu stiften.

Jederzeit beeindruckend ist die mühelos anmutende Showakrobatik der 7 Fingers am Boden und in der Luft. Elegische Tom-Waits-Balladen und Reflexionen über die subjektive Zeiterfahrung beim Unterwegssein stehen auch am Programm, aber zum Glück überfrachten die Artisten die Zugreise des Lebens nicht mit Bedeutung. (Werner Schandor, 27.12.2019)