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Ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation desinfiziert in Mabalako den Eingang eines Hauses, in dem zwei Ebolafälle entdeckt wurden.

Foto: AP / Al-hadji Kudra Maliro

Johanna Dibiasi ist weiterhin für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz.

Foto: MSF

Die Bewaffneten kamen nicht in das Dorf, um Menschen am Leben zu lassen. Sie töteten schlussendlich mit Macheten und Hacken 22 Bewohner, darunter Frauen und Kinder. Der Angriff der Militanten der "Alliierten Demokratischen Kräfte" fand Mitte Dezember in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) statt. Just in dem Gebiet, in dem seit 16 Monaten das tödliche Ebola-Virus wütet – und es war nur eine von vielen Attacken.

Mit der neuen Welle an Gewalt, die das afrikanische Land erlebt, werden die Hoffnungen der Mitarbeiter des Gesundheitssystems zerschlagen. Denn noch nie war man so kurz davor, Ebola unter Kontrolle zu bekommen und nach 2200 Toten und eineinhalb Jahren Angst die Epidemie zu stoppen.

Mit dem Helikopter ins Dorf

Durch den Anstieg der bewaffneten Angriffe wird es für die Helfer schwieriger, gefährdete und betroffene Menschen zu erreichen. Infizierten wird es fast unmöglich gemacht, eines der Behandlungszentren zu erreichen. Mit einem Hubschrauber fliegt die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits ihre Mitarbeiter in entlegenere Gebiete, um Menschen zu impfen und über Gefahren aufzuklären.

Die Südtirolerin Johanna Dibiasi war sich eigentlich ziemlich sicher, sehr gut über das Virus Bescheid zu wissen. Die Hebamme wurde von Ärzte ohne Grenzen (MSF) vor ihrem Einsatz in Mabalako, im Nordosten der DRC, ausführlich geschult. Doch auf die Situation konnte sie schlussendlich niemand so wirklich vorbereiten: "Die psychische Belastung ist immens", sagt die 30-Jährige im Gespräch mit dem STANDARD.

"Man hat ständig Angst, dass man sich selbst infizieren könnte." Denn im Fruchtwasser ist die Virenlast besonders hoch. Auch bei von Ebola geheilten Frauen ist dort das Virus noch nachweisbar, selbst wenn es im Blut nicht mehr zu finden ist. "Man passt zwar auf sich auf", sagt Dibiasi: "Aber wenn bei Komplikationen alles schnell gehen muss, dann hat Selbstschutz nicht mehr die oberste Priorität."

Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen

Schwierig ist die Geburtshilfe im Ebolagebiet vor allem auch deshalb, weil die Symptome des tödlichen Virus zunächst jenen einer leichten Grippe ähneln: Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen. Wenn jedoch eine Schwangere mit ebensolchen Beschwerden in ein Gesundheitszentrum kommt, muss sie zur Abklärung isoliert werden.

Es kann oft Stunden dauern, bis klar ist, ob es sich um Ebola handelt – wertvolle Stunden, in denen die Frau nicht wegen möglicher Schwangerschaftskomplikationen behandelt werden kann, wie Hebamme Dibiasi sagt. Ist schlussendlich klar, dass sich die Schwangere mit Ebola infiziert hat, raten ihr die Mitarbeiter im Gesundheitszentrum zu einem Abbruch.

Denn die Gefahr, dass eine infizierte Mutter oder ihr Baby durch Ebola sterben, ist während einer Schwangerschaft höher. Es gab überhaupt erst wenige Fälle, bei denen eine Schwangere Ebola überlebt und ein gesundes Kind geboren hat.

Menschlichere Behandlung

Deshalb und weil es noch immer viele Gerüchte im Zusammenhang mit dem Virus gibt, weigern sich viele Menschen im Kongo, in eines der Behandlungszentren zu gehen. "Sie wissen, dass viele, die sich dorthin begeben, nicht mehr lebend rauskommen", sagt Dibiasi.

Doch Aufklärung in den Dörfern und ein menschlicherer Umgang mit Betroffenen und Angehörigen habe zu einem Umdenken geführt, erzählt die 30-Jährige. So hätten die Quarantänestationen Glasfenster und eine Veranda, von der aus Familienmitglieder ihre kranken Verwandten sehen könnten. Außerdem erhalten Betroffene so viel Komfort wie möglich: "Wenn jemand ein Cola will, dann bekommt er das auch", sagt Dibiasi.

Durch ihre Auslandseinsätze für Ärzte ohne Grenzen trainiert die früher am Wiener AKH tätige Hebamme "Handgriffe und Wissen, das bei uns verlorengeht", wie sie sagt. Oft gebe es keinen Ultraschall und schon gar nicht den Komfort eines OPs in der Nähe. Bei einer Beckenendlage – wenn das Kind mit dem Gesäß zuerst kommt – wird in Österreich oft automatisch eine Sectio, ein Kaiserschnitt, durchgeführt. Im Kongo hilft die Hebamme dem Kind auf die Welt.

Wunsch nach technischen Hilfsmitteln aus dem AKH

"Natürlich habe ich mir aber auch oft die technischen Hilfsmittel aus dem AKH gewünscht", sagt Dibiasi. Denn im Kongo gebe es immer wieder Komplikationen, die in Österreich einfach zu behandeln wären.

In MSF-Projekten sind Hebammen auch für die Überlebenden von sexueller Gewalt zuständig. Mit dem Thema war sie im Ebolaprojekt aber nicht wirklich konfrontiert, erzählt die Südtirolerin. Dafür erinnert sie sich an einen früheren Einsatz im Kongo, weiter im Süden, in Kasai, wo aktive Kämpfe stattfinden. "Da hab ich mir oft gedacht, dass es ein Wunder ist, dass die Mädchen und Frauen noch leben", sagt Dibiasi. "Das waren furchtbare Geschichten." Bereits im Jahr 2018 sprachen die Vereinten Nationen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es war das Jahr, in dem der Gynäkologe Denis Mukwege den Friedensnobelpreis erhielt – für sein Engagement gegen sexuelle Gewalt als Kriegstaktik im Land.

Dibiasi reist für ihren nächsten Einsatz wieder in ein Land mit aktiven Kämpfen: Ab Jänner ist sie zwei Monate lang in der Zentralafrikanischen Republik. (Bianca Blei, 28.12.2019)