In den zwei massiven, ellipsenförmigen Betonringen sind die Namen jüdischer Bürger und Bürgerinnen in vier Stahlplatten gefräst.

foto: thomas neuhold

Um die Namen der Juden und Jüdinnen lesen zu können, muss man das Innere der Ringe betreten. Hier sind die Namen dann im Gegenlicht lesbar.

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Der Standort ist historisch bedeutsam: Auf einer kleinen, leicht erhöhten Grünfläche in der Altstadt von Judenburg, keine fünf Gehminuten vom Hauptplatz entfernt, stehen zwei massive, ellipsenförmige Betonringe. Hier war im Mittelalter das Zentrum der jüdischen Gemeinde. Einer der beiden Ringe symbolisiert die mittelalterliche Gemeinde, die 1496 aus dem Ort vertrieben worden war. Der zweite Betonring symbolisiert die nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden im Habsburgerreich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Zerstörung und Auslöschung 1938 im obersteirischen Judenburg existierende jüdische Gemeinde.

Namen als Erinnerung

Zwei Ringe im Strom der Zeit heißt das im Herbst 2019 seiner Bestimmung übergebene Mahnmal. In beide Ringe sind Stahlplatten eingelassen, in welche die Namen der urkundlich aus dem Mittelalter überlieferten und der von den Nationalsozialisten vertriebenen und ermordeten Juden und Jüdinnen eingefräst sind.

Man muss das Innere der Ringe betreten, um die Namen im Gegenlicht lesen zu können. Die Namenslisten sind nicht vollständig, aus dem Mittelalter sind nur wenige Namen bekannt, und auch die Opfer der NS-Mordmaschine dürften nicht alle erfasst worden sein. Nach aktuellem Forschungsstand geht man von 47 Opfern des NS-Terrors aus.

"Verdrängen und Verschweigen"

Es hat mehr als sieben Jahrzehnte gedauert, bis sich die knapp 10.000 Einwohner zählende Kleinstadt intensiver mit ihrer namensgebenden Bevölkerungsgruppe beschäftigt und ein sichtbares Zeichen der Erinnerung gesetzt hat. Die Geschichtsschreibung "war und ist eine der Mythenbildung, der Verdrängung und des Verschweigens", sagt Historiker Michael Schiestl vom Stadtmuseum Judenburg dazu.

Den Anstoß zu dem Mahnmal gab ein Schulprojekt in den Jahren 2014/15 und 2015/16 an ein Gymnasium und Realgymnasium. Das Besondere dabei: Das Projekt war eine Kooperation mit der jüdischen Zwi-Perez-Chajez-Schule in Wien mit gemeinsamen Arbeitsgruppen und wechselseitigen Austauschbesuchen in Wien beziehungsweise in der Obersteiermark. Die Schüler und Schülerinnen erarbeiteten gemeinsam nicht nur die Geschichte der Stadt mit dem symbolträchtigen Namen, sondern entwarfen auch Skizzen und Modelle für ein Denkmal.

Finanziert von der Stadt

Ausgewählt wurde die Idee der zwei Ringe. Die Stadt Judenburg hat das Projekt mit 50.000 Euro finanziert. Ein Beschluss, der von allen Gemeinderatsfraktionen getragen wurde. Sogar die FPÖ habe damals für das Mahnmal gestimmt, es wäre wohl "politisch nicht opportun gewesen", sich gegen das Denkmal zu stellen, meint Historiker Schiestl. Der Leobener Bildhauer und Musiker Clemens Neugebauer sorgte dann für die Fertigung und die Statik des tonnenschweren Kunstwerks.

Wunschname "Adolfburg"

Ein besonderes Detail in der Aufarbeitung der Zeitgeschichte der Stadt im Murtal ist der Name Judenburg selbst. Immerhin trägt die Stadt ja einen Namen, der im antisemitischen Rassenwahn der Nationalsozialisten plötzlich zum Problem wurde.

Es waren Judenburger selbst, die unmittelbar nach dem Einmarsch der Nazitruppen in Österreich im März 1938 um eine Umbenennung ansuchten. Ein Bittgesuch des Amtswalters der Stadt an Adolf Hitler, dieser möge Judenburg doch von seinem "geradezu schmähenden Namen" befreien, trägt das Datum 3. April 1938. Infolgedessen wurden einige Namensvarianten diskutiert. Darunter auch "Adolfburg". Zu einer Umbenennung sollte es aber dann kriegsbedingt nie kommen.

Später "Arisierungsversuch"

Der vorerst letzte "Arisierungsversuch", wie es Stadthistoriker Schiestl nennt, stammt aus den frühen 1970er-Jahren. Hobbyhistoriker publizierten wiederholt die These, der Name habe nichts mit den jüdischen Bewohnern und Bewohnerinnen zu tun, sondern sei aus dem Kosenamen eines Mitgliedes des im 11. Jahrhundert ansässigen und in der Region herrschenden Grafengeschlechtes der Eppensteiner entstanden. Wissenschaftlich haltbar ist diese für Fachleute etwas weit hergeholte Behauptung allerdings nicht. (Thomas Neuhold 28.12.2019)