Eva Blimlinger verhandelte für die Grünen mit der Volkspartei.

Foto: Heribert Corn

Nach einer dreitägigen Weihnachtspause setzten ÖVP und Grüne am Freitag ihre Koalitionsverhandlungen fort. Ob sie bis Jahresende handelseins werden, ließen sie weiterhin offen. Die Zeichen stehen jedenfalls gut für Türkis-Grün, sagt die grüne Verhandlerin Eva Blimlinger, wenngleich ein Scheitern immer möglich sei. Sie verhandelte Wissenschaft, Forschung, Kunst, Kultur, Sport und öffentlichen Dienst.

STANDARD: Verhandlungsstand Freitagnachmittag: Wann wird die türkis-grüne Einigung stehen?

Blimlinger: Das kann ich nicht sagen. Wir sind schon in der Endrunde, aber es gibt immer noch ein paar offene Punkte.

STANDARD: Welche vorläufige Bilanz ziehen Sie über die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP?

Blimlinger: Die Bereiche, die ich mitverhandelt habe, waren von großem inhaltlichem Interesse getragen. Da war sehr klar, es gibt unterschiedliche Positionen bei der ÖVP und bei uns, und man einigt sich entweder auf Akzeptanz der einen oder anderen Position, oder man findet einen Kompromiss, mit dem beide leben können. Der Kompromiss ist der Schlüssel zu einer Koalition. Anders würde es nicht gehen. Daran haben wir sehr intensiv gearbeitet.

STANDARD: Was hat Sie bei den Gesprächen mit der Volkspartei am meisten überrascht?

Blimlinger: Mich hat nicht wirklich etwas überrascht. Interessant fand ich, dass es auf beiden Seiten immer wieder Situationen gab, wo innerhalb der jeweiligen Partei Standpunkte wieder differenziert wurden, indem man intern diskutiert hat, ob man eine bestimmte Position denn auch wirklich so haben will, wie ursprünglich gefordert, oder ob man sie – mit dem Input der anderen Verhandlungsseite – nicht auch anders sehen kann.

STANDARD: Inwiefern war es überraschend, dass die ÖVP, die vor sieben Monaten noch mit der FPÖ – jener Partei, die von den Grünen wohl am weitesten entfernt ist – regiert hat, jetzt mit den Grünen eine Regierung verhandelt? Kann sich eine Partei so schnell verändern, dass sie Grünen-kompatibel ist?

Blimlinger: Grünen-kompatibel ist nicht die Frage, denke ich. Die Bereiche, die ich verhandelt habe, sind wahrscheinlich nicht die großen Kampfthemen. Bei Kunst und Kultur, aber auch Unifinanzierung oder Ausbau der Grundlagenforschung gibt es viele Bereiche, wo wir ähnliche Standpunkte haben oder ähnliche Vorgangsweisen als notwendig erachten. Aber es gibt natürlich Bereiche, die wesentlich komplizierter sind, wie Klima, Migration oder soziale Sicherheit. Da waren die Gegensätze wesentlich größer.

STANDARD: Die Grünen müssen ein Koalitionsübereinkommen vom Bundeskongress absegnen lassen. Gibt es die Angst, dass es dort heißen könnte, die Grünen müssten sich zu sehr verbiegen, nur um mit der ÖVP regieren zu können?

Blimlinger: Das glaube ich ehrlicherweise nicht. Es geht schon darum zu erklären, was wir mit der ÖVP vorhaben, aber das machen wir ohnehin immer, und ich glaube, wir haben in den letzten Monaten gezeigt, wozu die Grünen in der Lage sind – von null auf Regierungsverhandlung. Ich glaube, dass es da eine große Unterstützung geben wird.

STANDARD:Das heißt, die Grünen wollen Türkis-Grün jetzt ins Ziel bringen, und Scheitern ist zum heutigen Zeitpunkt ausgeschlossen?

Blimlinger: Auszuschließen ist nie etwas. Scheitern kann man immer, aber momentan schaut es gut aus und nicht so, dass es scheitert.

STANDARD: Wenn Sie ein halbes Jahr zurückdenken, hätten Sie da gedacht, dass die Grünen zu Jahresende mit einem Fuß in einer Regierung stehen würden?

Blimlinger: Nein, das hätte niemand gedacht. Was wir gedacht haben, war, dass wir relativ sicher wieder ins Parlament kommen. Insgesamt ist das jetzt auch für Österreich eine Situation, wo man sieht, wie schnell eine Veränderung möglich ist, wie sich innerhalb eines Jahres alles drehen kann. Vielleicht können wir das Jahr ja tatsächlich noch mit einer neuen Koalition – Regierung wird sich wegen des Bundeskongresses nicht mehr ausgehen – beenden. Das wäre ein wunderbares 2019. (Lisa Nimmervoll, 28.12.2019)