Im Gastkommentar widmet sich der AHS-Lehrer und Dozent Georg Cavallar einem Beitrag aus dem Bericht der FPÖ-Historikerkommission.

Anfang Dezember wandten sich namhafte Islamexpertinnen und -experten, darunter Susanne Schröter, Seyran Ates, Kenan Güngör und Heiko Heinisch, in einem offenen Brief an EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Sie protestierten gegen den "Europäischen Islamophobie-Bericht", der ein unwissenschaftliches, polemisches Machwerk darstelle, das "Islamophobie" als Kampfbegriff verwende. Jede Kritik am Islamismus und am politischen Islam werde als rassistisch und islamophob dargestellt und der Bericht auch noch von der EU mitfinanziert. Die Kritik der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ist völlig berechtigt, dieser Unfug gehört schnellstens abgestellt (siehe auch "Religionskritik ist keine Phobie").

Sollte Licht ins Dunkel der Partei bringen: Der Bericht der FPÖ-Historikerkommission stößt auf Kritik.
Foto: Christian Fischer

Einen Tag vor Weihnachten hat nun die FPÖ den Bericht ihrer Historikerkommission vorgelegt. Ich möchte mich hier auf den Beitrag von Laila Katharina Mirzo konzentrieren. Ihre Kernaussage ist schon im Titel enthalten: "Über den Umgang der FPÖ mit dem Islam und die Unvereinbarkeit des orthodoxen Islam mit den europäischen Werten und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Österreichs". Die FPÖ sei daher nicht ausländer- oder islamfeindlich eingestellt, sondern verteidige lediglich standhaft als einzige Partei in Österreich "unsere" Werte und den demokratischen Rechtsstaat gegen einen höchst gefährlichen Islam.

Wissenschaftliche Mängel

Einiges an Mirzos Beitrag ist fragwürdig. Zunächst erstaunt, warum keine ausgewiesene Islamwissenschafterin zu Wort kommt, von denen es im deutschsprachigen Raum mittlerweile genug gibt. Laut Internetrecherche ist Mirzo "Trainerin für interkulturelle Kompetenz" und Autorin des Buchs "Nur ein schlechter Muslim ist ein guter Muslim. Über die Unvereinbarkeit des Islam mit unserer Kultur" (Riva-Verlag, 2018). Einschlägige akademische Qualifikationen hat sie offensichtlich keine; wissenschaftliche Literatur zitiert sie nicht.

Zweitens sieht der Text nach einer Themenverfehlung aus. Er erinnert eher an eine Kampfschrift gegen "den" Islam als an eine kritische und evidenzbasierte Auseinandersetzung mit dem Umgang der FPÖ mit dem Islam. Grundtenor Mirzos: Weil der Islam so gefährlich ist, macht die FPÖ sowieso alles richtig. Für eine differenzierte Sicht mit Nuancen und Feinheiten ist kein Platz.

Keine Hermeneutik?

Drittens: Zentrale Begriffe wie politischer oder orthodoxer Islam werden nicht definiert. Im Text ist immer wieder pauschal von "dem Islam" die Rede. Welche Variante islamischer Religion oder Religiosität ist gemeint? Immer der sunnitische Islam? Ist der Sufismus mitgedacht oder eher der Wahhabismus? Ist der Mainstream immer orthodox und fundamentalistisch? Was genau ist ein "korantreuer Islam"?

Viertens erstaunt Mirzos methodischer Ansatz, der in der Fachwissenschaft als Literalismus bezeichnet wird: Die Texte des Koran und der Hadithe werden reduktionistisch auf ihren Literalsinn beschränkt, nämlich auf den vermuteten wörtlichen Sinn der jeweiligen sprachlichen Äußerung. Mirzo zitiert seitenlang aus den heiligen Texten – aber 1400 Jahre an Versuchen der islamischen theologischen und philosophischen Schulen, diese Texte zu interpretieren, auszulegen und zu deuten, werden ignoriert. Hier geht Mirzo wie islamische Fundamentalisten vor, für die es keine Hermeneutik gibt, so als ob der Sinn und die Bedeutung von Texten sich ohne jeden Kontext unmittelbar erschließen würden.

Historische Dimension fehlt

Damit fehlt – fünftens – eindeutig die historische Dimension, und das ironischerweise in einem "Historikerbericht". Apropos Geschichte: Witzig wäre es gewesen, wenn der Bericht die ausgesprochen guten Beziehungen der Nationalsozialisten zu den Arabern und Muslimen während des "Dritten Reichs" thematisiert hätte, etwa zum Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini (siehe vor allem David Motadels "Für Prophet und Führer. Die islamische Welt und das Dritte Reich". Klett-Cotta, 2017). Das passt allerdings nicht zur Tendenz des Historikerberichts, der die ganz harmonischen Beziehungen der FPÖ zu Juden und zum Staat Israel in der Gegenwart betont.

Der Islamophobie-Bericht und zumindest der besprochene Teil des FPÖ-Berichts haben mehr gemeinsam, als beiden lieb sein kann. Sie sind undifferenziert, polemisch und propagandistisch. Die Extrempole Fundamentalismus und radikale Islamkritik vertreten oft das gleiche Islambild, das auf der Methode des Literalismus beruht. Ich möchte über den gesamten Bericht der Historikerkommission der FPÖ allerdings kein abschließendes Urteil fällen – das war nicht mein Thema.

Möglicherweise bin ich aber überhaupt zu kritisch. Immerhin ist positiv anzumerken, dass wenigstens eine Frau zu Wort kommt. Noch dazu hat sie Migrationshintergrund. Mit FPÖ-nahen Burschenschaften, die Lieder singen, in denen der Holocaust verharmlost wird, hatte sie sicher auch noch nie zu tun. (Georg Cavallar, 27.12.2019)