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Der deutsche Auslandsgeheimdienst BND (Bundesnachrichtendienst) verstößt nach Auffassung des Internetverbandes eco bei der weltweiten Überwachung von Medienunternehmen gegen die Verfassung. Es handle sich um eine "globale Massenüberwachung", bei der automatisch auch Daten deutscher Staatsbürger erfasst würden, sagte Klaus Landefeld, Vize-Vorstandsvorsitzender des eco.

Landefeld ist als Sachverständiger vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geladen. Dort soll am 14. und 15. Jänner über eine Verfassungsbeschwerde von Medienorganisationen und Journalisten gegen die Praxis des BND verhandelt werden. Das Urteil wird voraussichtlich erst Monate später verkündet.

Überwachung deutscher Staatsbürger

In Deutschland wird das Brief- und Fernmeldegeheimnis durch Grundgesetz-Artikel 10 geschützt. Will eine Sicherheitsbehörde Verdächtige abhören, gelten erhebliche Hürden. Ziel der Kläger in Karlsruhe ist es vereinfacht gesagt, dieses in Deutschland geltende Grundrecht weltweit anzuwenden.

Landefeld monierte, der Zugriff auf die Datenströme durch den BND unterliege bisher keiner Zweckbindung. Wegen des Anzapfens von Nachrichtenströmen in großem Stil ohne konkreten Tatverdacht hat auch der Betreiber des Frankfurter Internet-Knotens De-Cix beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt.

Filterung nicht ausreichend

Es sei technisch nicht möglich, den Schutz deutscher Nutzer durch das Grundrecht zu wahren, indem ihre Daten aus den überwachten ausländischen Datenströmen herausgefiltert würden. "Der beste Filter kommt auf eine Rate zwischen 99 und 99,5 Prozent." Bei Milliarden von Kommunikationsverbindungen täglich blieben dann aber einige zehn Millionen übrig, die von der Abhörpraxis betroffen wären. "Und schon ein einziger Fehler wäre ein Grundrechts-Problem."

Auch die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) geht davon aus, dass der BND bei seinen Abhöraktionen deutsche von ausländischen Nutzern technisch nicht unterscheiden könne. "Insofern geht es uns darum, auch Deutsche gegen die Massenüberwachung zu schützen", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Zeitdruck im Nachrichtendienst

Der deutsche Ex-Sonderermittler in der Affäre um den US-Geheimdienst NSA, Kurt Graulich, warnte unterdessen davor, die Arbeitsfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes zu beeinträchtigen. "Nachrichtendienst heißt, es muss schnell gehen", sagte der frühere Bundesverwaltungsrichter der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor dem Hintergrund der Klage der Medienorganisationen in Karlsruhe. "Man kann sich kein System vorstellen, in dem ein Nachrichtendienst schnell eine Information oder eine Lage aufklären soll und dann kompliziert aufgestellte Aufklärungsgremien zu lange brauchen." Graulich hatte 2015 in der NSA-Spionageaffäre als Sonderermittler der deutschen Regierung und Vertrauensmann für den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages gearbeitet.

Die Bundesrepublik habe das Recht und gegenüber ihren Einwohnern auch die Pflicht, ihre Selbstverteidigung zu organisieren, sagte Graulich. "Dazu leistet der Auslandsnachrichtendienst einen unverzichtbaren Beitrag." Die Kläger des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens hätten "nicht dargetan, ob sie auch ihre eigenen Länder durch entsprechende Klagen an nachrichtendienstlichen Aufklärungen in Deutschland gehindert haben". (APA, 28.12.2019)