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Der Gefangenenaustausch in der Ostukraine war bereits Anfang Dezember bei einem Gipfeltreffen in Paris vereinbart worden, bei dem der ukrainische Präsident Wolodomyr Selenskyi (links) und der russische Präsident Wladimir (rechts) persönlich anwesend waren.

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Ein prorussischer Separatist jubelt über seine ersten Minuten in Freiheit. Er war Teil einer Gruppe dutzender Gefangener, die am Sonntag in der Ostukraine freikamen.
Foto: AP / Pool / Yevgen Honcharenko

Kiew/Moskau – Ein nebelgrauer Sonntagvormittag in der Nähe des Checkpoints Majorske in der ostukrainischen Region Donezk, unweit der Grenze zu Russland: Einheiten ukrainischer Regierungstruppen und prorussische Sepa ratisten beginnen mit einem Gefangenenaustausch. Alle noch verbliebenen Gefangenen, die in dem 2014 ausgebrochenen Konflikt gemacht wurden, sollen nach Hause zurückkehren – darauf hatten sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj vor rund drei Wochen in Paris verständigt.

Am Ende des mehrstündigen Vorgangs, machten beide Seiten unterschiedliche Angaben. Nach früheren Angaben vom Samstag sollten insgesamt 142 Menschen freikommen. Das Büro des ukrainischen Präsidenten teilte via Twitter mit, 76 ukrainische Gefangene seien nun in Sicherheit, die laut Medienberichten nach Kiew geflogen wurden. Die Separatisten erklärten davon zahlenmäßig leicht abweichend, dass 77 Gefangene nach Kiew gebracht worden seien und im Gegenzug 123 von Kiew aus übergeben worden seien.

Das ukrainische Präsidialamt streamte den Austausch live auf Facebook.

Kämpfe seit 2014

Hier, im Donezkbecken bzw. Donbass – einem Steinkohle- und Industriegebiet, das nach Russland hineinreicht –, haben sich seit 2014 Truppen der Regierung Kämpfe mit Separatisten geliefert. Formell gilt eine Waffenruhe, doch es kommt noch immer zu Gefechten. Insgesamt wurden mehr als 13.000 Menschen getötet.

Der Austausch vom Sonntag war nicht der erste seiner Art; zuletzt wurden im Dezember 2017 rund 300 Separatisten und 70 ukrainische Soldaten freigelassen.

Und ähnlich wie damals lief der Austausch auch am Sonntag ab:_Journalisten waren nicht zugelassen, für eine Live-Übertragung und Fotos sorgte das Präsidentenbüro in Kiew. Zu sehen waren zunächst Busse, die auf einem von ukrainischen Soldaten bewachten Feld in der Nähe des Dorfes Odradivka in dem von Kiew kontrollierten Gebiet, etwa zehn Kilometer von der Frontlinie entfernt, ankamen. Vor allem Männer, aber auch einige Frauen in Zivilkleidung verließen die Busse und wurden von bewaffneten Separatisten in Zelte eskortiert. Nach Überprüfung der Personalien wurden die Freigelassenen auf "ihrer" Seite in Empfang genommen. Das im Wesentlichen gleiche Prozedere war auch auf der anderen Seite zu beobachten.

Lage immer noch angespannt

Trotz des weihnachtlichen Gefangenenaustauschs bleiben die bilateralen Beziehungen angespannt. Die Ukraine und der Westen werfen der russischen Führung vor, die Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen – Moskau dementiert das nach wie vor. Ebenfalls nicht zur Entspannung trägt die international nicht anerkannte Annektierung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland vor fünf Jahren bei.

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Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin hatten sich Anfang Dezember in Paris (Mitte: Gastgeber Emmanuel Macron) auf den Austausch verständigt.
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Auf Präsident Selenskyj – der Schauspieler gewann die Präsidentenwahl im vergangenen April haushoch – wartet eine Herkulesaufgabe: Er hatte versprochen, den Konflikt zu beenden. Für seinen Plan, dem Donbass einen Sonderstatus einzuräumen, wird er in Kiew aber teils massiv kritisiert.

Vorsichtiger Optimismus

Auf seiner Habenseite steht immerhin der Aufbau einer Gesprächsbasis mit Moskau, die konstruktiver als bisher zu sein scheint. So tauschten Kiew und Moskau schon im September Dutzende Gefangene aus – unter ihnen der Filmemacher Oleg Senzow, ein Träger des Sacharow-Menschenrechtspreises des Europäischen Parlaments, sowie eine Gruppe ukrainischer Seeleute, die nach einem Zwischenfall nahe der Krim in russische Gefangenschaft geraten war.

Auch das jüngste Treffen im "Normandie-Format" (Ukraine, Russland, Frankreich, Deutschland) Anfang Dezember in Paris sorgte für vorsichtigen Optimismus, da die vier Staaten die Bedeutung des Minsker Abkommens von 2015 bekräftigten, das auf einen Waffenstillstand und eine politische Friedenslösung abzielt.

EU begrüßt Gefangenenaustausch

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron begrüßten ebenso wie der russische Staatschef Wladimir Putin den Austausch, ungeachtet dessen, dass er in der Ukraine auch für Kontroversen sorgte.

Auch die Europäische Union hat den Gefangenenaustausch in der Ostukraine begrüßt. Der Austausch sei ein "willkommenes Beispiel" für die Umsetzung der Maßnahmen, die bei dem Gipfel im Normandie-Format am 9. Dezember in Paris vereinbart worden seien, erklärten Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Sonntag in Brüssel. Die Umsetzung dieser Maßnahmen müsse nun fortgesetzt werden. (red, 29.12.2019)