"Smart Love": So innig ist die Liebe zwischen den USA und China nur auf einem Wandgemälde des Künstlers Tvboy, das im Juni 2019 auf einer Wand in Mailand zu finden war.

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Im Gastkommentar vergleicht Ngaire Woods, die Dekanin der Blavatnik School of Government der Universität Oxford, Huawei mit Facebook und weist auf eine beunruhigende Entwicklung hin.

Die USA und einige ihrer Verbündeten haben Maßnahmen getroffen, um den chinesischen Technologiekonzern Huawei aus ihren nationalen Märkten auszuschließen. Dabei ignorieren sie die vergleichbare Bedrohung, die von Facebook und anderen US-Technologiegiganten ausgeht. Jetzt müssen die demokratischen Regierungen auch die Gefahren aus ihren Heimatländern berücksichtigen.

Huawei ist nicht nur der weltgrößte Anbieter von Telekomausrüstung und der zweitgrößte Telefonhersteller, sondern auch der Weltmarktführer beim Aufbau von 5G-Netzen – weit vor jedem US-Wettbewerber. Und mit anderen chinesischen Unternehmen versorgt Huawei 230 Städte in Westeuropa, Asien und Afrika mit Überwachungstechnik.

Druck der USA

Die Regierung von US-Präsident Donald Trump beschuldigt Huawei nun des Diebstahls intellektuellen Eigentums, des Betrugs und der Behinderung der Justiz bei der Umgehung amerikanischer Sanktionen gegen den Iran. Der Konzern soll seine Hardware und die damit verbundene Software angeblich dazu verwenden, für die chinesische Regierung zu spionieren. Daher hat die US-Regierung ihren Behörden verboten, Geräte von Huawei – und auch von ZTE, Hikvision, Dahua und Hytera – zu kaufen.

Darüber hinaus hat das Wirtschaftsministerium Huawei auf seine "Entity List" gesetzt. Dies hindert US-Unternehmen daran, den Konzern zu beliefern. Facebook lässt Huawei keine Apps mehr hochladen, und Google versorgt die Geräte des Konzerns nicht mehr mit Android-Updates. US-Universitäten werden unter Druck gesetzt, ihre Forschungsverbindungen mit Huawei zu kappen: So hat das MIT im April seine Beziehungen zu Huawei und ZTE abgebrochen.

Andere Länder werden von den USA dazu gedrängt, ihrem Beispiel zu folgen. Neuseeland und Japan haben Huawei bereits gesperrt. Das norwegische Unternehmen Telenor wird sein 5G-Netz mit dem schwedischen Konzern Ericsson aufbauen und seine zehnjährige Zusammenarbeit mit den Chinesen beenden.

In einer aktuellen Risikoeinschätzung der EU-Kommission und der Europäischen Agentur für Cybersicherheit wird davor gewarnt, 5G-Anbieter aus "feindlichen Ländern" zuzulassen, "in denen keine legislativen oder demokratischen Kontrollmechanismen vorhanden sind". Angesichts dieser Befürchtungen schlagen einige europäische Regierungen einen stärker regulierten "mittleren Weg" gegenüber Huawei ein. Deutschland beispielsweise lässt nur Anbieter zu, die zertifiziert sind und überwacht werden. Großbritannien hingegen schließt Huawei jetzt aus "wichtigen Netzwerken" aus und testet die Geräte des Konzerns in einem "umfassenden Prüfzentrum" (dessen jüngster Bericht vor einem "signifikant höheren Risiko" warnt).

Bedrohungen existieren bereits

Die Sorgen der westlichen Regierungen sind real. Aber unterscheiden sie sich tatsächlich so sehr von jenen, die wir uns wegen amerikanischer Technologie- und Social-Media-Konzerne machen sollten? Die Befürchtung ist, Huawei könnte an eine enorme Menge von Daten über uns gelangen, die dann auf eine Art verwendet werden könnten, die unseren Interessen widerspricht, darunter auch zur Beeinflussung der Politik. Aber diese Bedrohungen existieren bereits, da Facebook (dem auch Instagram und Whatsapp gehören) und Google (dem auch Youtube gehört) erstaunlich umfassende Mengen von Daten über ihre Benutzer haben: ihren Standort, ihre Kontakte, Fotos, Downloads, Internetsuchen, Vorlieben, Käufe und vieles mehr. Mit anderen Worten, die US-Digitalgiganten speichern bereits heute die Art von Daten, die Huawei in Zukunft sammeln könnte. Darüber hinaus wurde bereits festgestellt, dass sowohl Google als auch Facebook die ihnen anvertrauten Daten missbrauchen.

Der Unterschied, so sagt man, liege darin, dass Huawei aus China stammt – einem strategischen Rivalen der USA. Also könnten die gesammelten Daten dazu verwendet werden, die politischen Systeme und den geopolitischen Einfluss der demokratischen Länder zu schwächen. Aber Facebook untergräbt bereits jetzt den demokratischen Prozess – auch in den USA selbst, wo die Plattform die ausländische Einmischung in Wahlen ermöglicht hat.

Außerdem hat Facebook Spaltung und Angst gefördert und sich geweigert, Hassbeiträge, die Leugnung des Holocaust und antisemitische Einträge zu entfernen. Die Plattform wurde als "Megafon für den Hass" gegen Muslime bezeichnet und beschuldigt, zum Genozid gegen die Rohingya in Myanmar beigetragen zu haben. Aus diesem Grund hat der britische Schauspieler und Komödiant Sacha Baron Cohen Facebook kürzlich "die größte Propagandamaschine der Geschichte" genannt. Die Trump-Administration und andere westliche Regierungen lassen sich allerdings – ganz im Gegensatz zu ihrem schnellen und strengen Durchgreifen gegen Huawei – mit Gegenmaßnahmen außerordentlich viel Zeit.

Das geringere Übel?

Ein möglicher Grund dafür, dass Google und Facebook als das geringere Übel betrachtet werden, ist, dass sie Privatunternehmen sind – im Gegensatz zu Huawei, das als abhängig von der Kommunistischen Partei Chinas betrachtet wird. Aber Google arbeitet in erheblichem Maße für die US-Regierung, darunter auch für das Militär und die Geheimdienste, und das Profitmotiv hält Facebook nicht davon ab, eine Bedrohung zu sein – tatsächlich erhöht sich dadurch die Gefahr noch.

Facebook verwendet Algorithmen, um das Material in den Vordergrund zu stellen, das am meisten Aufmerksamkeit erregt. Und da der Konzern enorme Mengen von Daten über uns gesammelt hat, verkauft er die Möglichkeit, uns persönlich anzusprechen, an jeden, der dafür zu zahlen bereit ist – sogar wenn diese Kunden beabsichtigen, unsere Gesellschaften und Institutionen zu zerstören. Die Tatsache, dass Facebook den sozialen Zusammenhalt zerstört, die Demokratie schwächt und die Entstehung autoritärer Regimes erleichtert, scheint den Konzern selbst, wie sein Verhalten nahelegt, nicht zu kümmern.

Die direkte und kategorische Antwort der Trump-Regierung auf die mögliche Bedrohung durch Huawei hat einige andere Regierungen davon überzeugt, sich dem anzuschließen – weil Demokratien die Daten ihrer Bürger schützen und es verhindern müssen, dass sie auf eine Art verwendet werden, die die Demokratie untergräbt. Ist das aber der Fall, sollten die westlichen Regierungen ebenso schnell entschieden gegen Facebook und Google vorgehen.

(Ngaire Woods, Übersetzung: Harald Eckhoff, Copyright: Project Syndicate, 29.12.2019)