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Die Macht hat die ÖVP relativ fest in der Hand, die Grünen sind ihr kleiner Koalitionspartner, dementsprechend schaut auch die Ressortverteilung aus.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Grünen-Chef Werner Kogler warnt seine Parteigänger bereits vor: Nicht alle Punkte des Übereinkommens würden sich wie ein grünes Wahlprogramm lesen. "Demokratie heißt auch, Kompromisse nicht zu denunzieren. Und das hat noch nie mehr gegolten als heute im Angesicht der Klimakrise." Die Grünen waren nicht der Wahlsieger, sie kamen mit knapp 14 Prozent auf Platz vier, und sie werden auch jetzt nicht die Macht in der Republik übernehmen. Die hat die ÖVP relativ fest in der Hand, die Grünen sind ihr kleiner Koalitionspartner, dem entsprechend wird sich das Koalitionsübereinkommen lesen, dem entsprechend schaut auch die Ressortverteilung aus.

Mit einem starken Infrastrukturministerium, in das auch Verkehr und Umwelt eingegliedert sind, erhalten die Grünen ein zentrales Ressort, in dem sie sich ihrer wesentlichen Aufgabe und ihrem dringlichsten Anliegen widmen können (und müssen), dem Klimaschutz. Wie genau die Befugnisse dieses Ressorts ausgestaltet sein werden, ist noch offen, aber es ist davon auszugehen, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Grünen hier weit entgegenkommt. Sonst hätte diese ganze Koalition überhaupt keinen Sinn.

Kompromisse

Dass die Landwirtschaft nicht Teil dieses Ressorts ist, was bei ganzheitlicher Sicht des Umweltschutzes logisch wäre, ist einer der Kompromisse, die Kogler angesprochen hat. So weit wollte Kurz seinem neuen Partner nicht entgegenkommen. Da hätten ihm die Bauern, immer noch eine der treuesten Klientelen der ÖVP, das Dach über dem Kopf angezündet. Da sind die Zwänge der Realpolitik stärker als die Idealvorstellung von einer guten Politik.

Ähnlich verhält es sich mit dem Finanzressort: Räumt man dem Klimaschutz oberste Priorität ein, müsste dieser gerade auch im Finanzministerium verankert sein, wo in Abstimmung mit dem Kanzler über die Ressourcenverteilung und damit auch über die Kompetenzen und das Durchsetzungsvermögen der einzelnen Minister entschieden wird. Dass Kurz dieses entscheidende Ressort nicht aus der Hand geben würde, war von Anfang an klar, auch wenn sich das manche Grüne anders gewünscht hatten. Die ÖVP hatte fast dreimal so viele Stimmen, da ist die Ressortverteilung kein grünes Wunschkonzert.

Spuren hinterlassen

Neben der Infrastruktur erhalten die Grünen Gesundheit, Soziales, die Frauenagenden sowie Beamte, Sport und Kultur, vor allem aber auch Justiz. Das können sie als Erfolg verbuchen. Es sind Ressorts, denen eine etwas andere Handschrift guttäte, in denen man sinnvoll gestalten und Spuren hinterlassen kann.

Die ÖVP manifestiert ihre Macht: Finanzen, Wirtschaft, Verteidigung, Inneres, Landwirtschaft und Bildung. Und natürlich das Kanzleramt, um das sich alles dreht. Auffallend ist, dass die ÖVP auf Sicherheit setzt. Das soll offenbar die FPÖ-Wähler, die zu Kurz gewechselt sind, beruhigen. Beunruhigend ist, dass damit wiederum alle Nachrichtendienste in der Hand einer Partei sind. Und eine kolportierte Personalbesetzung löst Irritation aus: Der ÖVP-Generalsekretär, ein gelernter Parteisoldat, soll Innenminister werden. Seine herausragendste Eigenschaft ist die Loyalität gegenüber Partei und Parteichef. Gerade im Innenressort, in dem so viele heikle Ermittlungen auch in politischen Causen zusammenlaufen, hätte man sich eine vom Parteigehorsam emanzipiertere Person erhofft. Das ist wohl einer der Kompromisse, die die Grünen am meisten schmerzen. (Michael Völker, 29.12.2019)