Anschein von Wissenschaftlichkeit: Ab 24. Jänner kann man im deutschsprachigen Raum "Picard" abrufen. Im Bild: Patrick Stewart als Titelheld Jean-Luc Picard (re.) und Evan Evagora als Romulaner Elnor.

Foto: CBS Interactive

Ziel des Raumschiffs Enterprise: das El-Adrel-Sternsystem. Captain Picard und die Besatzung folgen einem Signal, das sie zu den mysteriösen "Kindern von Tama" führt. Obwohl Abkömmlinge der Föderation – jenem Planetenbund, dem auch die Erde angehört – schön öfter auf dieses hochentwickelte Volk trafen, ergab sich bisher kein Austausch. Das Problem liegt in der Sprache. Kein Hightech-Universalübersetzer im Ohr kann helfen. Man versteht die Worte, aber sie ergeben keinen Sinn.

Das ist die Ausgangsposition der Folge Darmok aus der Serie Star Trek: The Next Generation (TNG) des Jahres 1991. Kult-Captain Jean-Luc Picard, verkörpert von Patrick Stewart, kehrt im Jänner in der neuen Serie Picard noch einmal für ein Alterswerk ins Universum der Klingonen, Borg und Romulaner zurück, was Fans mit Spannung erwarten. Wird es ein würdiges Comeback, oder zerstört es den Zauber der alten Tage? Die Serienableger dazwischen, von Deep Space Nine bis Discovery, konnten niemals eine Figur wie Picard aufbieten, der in Stewarts Darbietung über 178 Folgen hinweg zugestanden wurde, Tiefe und Facettenreichtum auszubauen.

Dem Sprachproblem aus Darmok wurde eine besondere Rezeption zuteil. Es wurden Aufsätze geschrieben, in denen das Thema im Spannungsfeld der Sprachtheorie Wittgensteins problematisiert wurde, und man kann T-Shirts kaufen, auf denen Bilder von Picard mit Elektrogitarre prangen und das Serienzitat "Darmok and Jalad at Tanagra" abgedruckt ist.

Dichtung und Wahrheit

TNG fesselte mit einem – in Serienfiktion rar gewordenen – positiven und optimistischen Zukunftsentwurf nebst einem systematisch aufgebauten Anschein von Wissenschaftlichkeit. Reale Physik wurde mit fiktionalen Elementen verwoben. Die Frage, inwieweit die Technologie aus der Serie tatsächlich umsetzbar sein könnte, füllt viele Bücher. Ja, Antimateriereaktion wäre tatsächlich eine tolle Energiequelle. Nein, das Auflösen des Körpers beim Beamen kann schon allein wegen der Heisenberg’schen Unschärferelation nicht klappen, auch wenn man in der Star Trek-Welt dafür einen eigenen "Heisenberg-Kompensator" erfunden hat.

Umgekehrt inspirierte Star Trek Designs und Begriffe der tatsächlichen Technik- und Wissenschaftswelt. Die Übertragung von Quanteneigenschaften in einer Quantenverschränkung wurde zum "Beamen". Auch wenn Überlichtgeschwindigkeit per Warp Drive höchstwahrscheinlich unmöglich ist, gibt es da und dort ein Paper, das über den Energieaufwand für die dafür notwendige Raumkrümmung spekuliert. Der wichtigste Beitrag von Star Trek für die Wissenschaft bleibt aber wohl der "Bildungsauftrag". Keine Nachwuchsinitiative aus Politik, Hochschulen oder Wirtschaft hat wohl je mehr junge Leute für eine Karriere in den Naturwissenschaften interessiert als die Technophilie und positive Wissenschaftsästhetik von Star Trek.

AlsEinzelfolge, die sprachphilosophische Debatten ausgelöst hat, ist Darmok aber eine Ausnahme. Im Handlungsverlauf entdeckt die Enterprise-Crew, dass die von den Aliens oft wiederholten Phrasen wie "Darmok und Jalad auf Tanagra", "Shaka, als die Mauern fielen", "Temba, seine Arme weit" auf die Mythenwelt des Volkes referiert. Die Tamarianer rufen damit Bedeutungsmuster ab, die sie auf aktuelle Kontexte übertragen.

Ringen um Freundschaft

Darmok und Jalad waren im fiktiven Mythos jeweils allein auf dem Meer unterwegs, trafen sich auf einer Insel, besiegten gemeinsam ein Ungeheuer und reisten als Freunde auch gemeinsam weiter. In der Absicht, Freundschaft zu schließen, setzt der Alien-Kapitän sich und Picard einer ähnlichen Situation aus. Doch Picard wird durch eine unglückliche Fügung davon abgehalten, sein Gegenüber vor dem Ungeheuer zu retten. Der fremde Kapitän opfert sich im Bemühen um Freundschaft und Verständigung.

Kritiker werfen ein, wie unrealistisch es sei, dass eine Zivilisation, die über Zitate aus ihrem Sagenkreis kommuniziert, technisch so hoch entwickelt sein könnte. Hier liefert der US-Medien- und Computerwissenschafter Ian Bogost in einem Essay im Magazin The Atlantic eine faszinierende Perspektive. Demnach könnte die abstrakte, auf Allegorien basierende Sprache genau das sein, was es braucht, um eine derart fortschrittliche Zivilisation zu erschaffen.

Der Zuruf "Darmok und Jalad auf Tanagra" ruft effizient eine komplexe Strategie, einen Mechanismus, eine ganze Handlungslogik ab. Hier hält sich keiner damit auf, zu sagen: "Reich mir bitte den Schraubenschlüssel rüber." All das ist implizit und nicht nötig. ",Darmok‘ gibt uns eine Vision der Zukunft, in der eine prozedurale Rhetorik den Vorrang vor verbaler oder visueller Rhetorik bekommt und in der tatsächlich eine Logik von Logiken jene der Beschreibung, der Erscheinung und des Narrativs subsumiert", bringt es Bogost auf den Punkt. Die sprachliche Kommunikation der effizienten Zukunftszivilisation – sie wird zum Algorithmus. Einen Boden für derartige Assoziationen zu bereiten, das muss der neue Picard erst einmal schaffen. Ab 24. 1. auf Amazon Prime (Alois Pumhösel, 5.1.2020)