Hunderte oder tausende Kilometer Radweg – das ist prinzipiell schon mal löblich. Aber nicht jeder Meter davon ist einer, auf dem man auch gerne radelt. Um vollends zur Fahrradstadt zu werden, gehört auch innovative und oft mutige Architektur dazu. Das Amsterdamer Social Enterprise BYCS hat deshalb die Bicycle Biennale ins Leben gerufen, bei der die schönsten Radarchitekturprojekte der Welt auszeichnet werden. 50by30 lautet das Motto von BYCS – 50 Prozent der städtischen Wege sollen bis 2030 per Rad zurückgelegt werden. Kluges Design soll dabei helfen.

In luftigen Höhen

Direkt unter dem städtischen Schnellbussystem schlängelt sich die Rad-Autobahn durch das chinesische Xiamen. An elf Punkten der Millionenstadt kann auf- und abgefahren werden, auch der einfache Umstieg in die Öffis ist dort möglich. Der Skyway ist nicht nur der erste aufgeständerte Radweg Chinas, sondern mit acht Kilometer Länge auch der längste der Welt. Die Expertise holte sich die Stadtregierung vom Architekturbüro Dissing+Weitling aus der Fahrrad-Hauptstadt Kopenhagen.

Foto: Dissing+Weitling / Ma Weiwei

Wasser bis zum Hals

Und das Wasser möge sich teilen! – So sprach die Provinzregierung. Und so geschah es auch. Seit 2016 können Besucher von Limburg in Flandern durch einen See radeln – und zwar ohne dass der Sattel dabei nass wird. Statt einer Brücke bauten die Belgier den Radweg einfach mitten ins Wasser hinein. Über eine Länge von 212 Metern kann 1,5 Meter unter der Wasseroberfläche und damit direkt auf Augenhöhe mit Enten und Schwänen geradelt werden.

Die Idee brachte Limburg nicht nur eine gute Platzierung bei der Bicycle Biennale ein, sondern schaffte es auch in die Liste der 100 großartigsten Orte des "Time Magazine".

Foto: BYCS/Luc Dalemans

Überhaupt setzt Limburg auf Erlebnis-Radwege: Neben "Fietsen door het Water" (Durchs Wasser radeln) gibt es in der Umgebung nämlich noch "Fietsen door de Bomen" (Durch Bäume radeln). Dort kann in zehn Meter Höhe in meditativen Kreisen um Baumwipfel gestrampelt werden.

Foto: BYCS/Buro Landschap

Drunter und drüber

Wer sagt eigentlich, dass eine Brücke immer gerade verlaufen muss? Das wäre auch schwierig geworden in Purmerend, das etwa 20 Kilometer nördlich von Amsterdam liegt. Geplant war eine Brücke, die das historische Zentrum der Stadt mit einem Neubaugebiet verbinden sollte.

Nur: Das eine Ufer des Noordhollandsch-Kanals, der Purmerend teilt, liegt höher als das andere. Um die Brücke rollstuhlgerecht zu machen und dabei die erlaubte Steigung nicht zu überschreiten, müsste sie mehr als 100 Meter lang sein. Gebaut wurde die Brücke trotzdem, und zwar in Zickzackform.

Für umwegscheue Fußgänger hat Purmerend einfach noch eine Brücke über die flache Fahrrad- und Rollstuhlbrücke drübergebaut. Sie ist zwar nur halb so lang, dafür zwölf Meter hoch. Wer den Bogen erklimmt, wird sogar mit einer Aussicht über die Altstadt von Purmerend belohnt.

Foto: BYCS/Next Architects

Ein Haus für Räder

Utrecht hat 350.000 Einwohner, 125.000 von ihnen sind mit dem Rad unterwegs. Da können Fahrrad-Parkplätze schon mal knapp werden. Ein Parkhaus am Hauptbahnhof der niederländischen Stadt soll Abhilfe schaffen. Seit einer Erweiterung in diesem Sommer haben dort 12.500 Fahrräder Platz. Breite Indoor-Radwege führen direkt zu den Stellplätzen, ein intelligentes Leitsystem zeigt an, wo noch Plätze frei sind, und QR-Codes machen es leicht, das Rad wieder zu finden. 24 Stunden Parken sind gratis, jeder weitere Tag kostet 1,25 Euro.

Auch die Architektur des Rad-Parkhauses wird gelobt: Die Bauweise sorgt für besonders viel Tageslicht-Einfall, und der nächste Bahnsteig ist zu Fuß maximal drei Minuten entfernt. Manche befürchten allerdings, dass das Parkhaus schon jetzt zu klein sein könnte. Ein Problem, das viele andere Städte mit einstelligem Radverkehrsanteil wohl gerne hätten. (pp, 2.1.2020)

Foto: BYCS/Petra Appelhof