Innsbruck/Wien – Wissenschafter haben vor einigen Jahren Tropfsteine als langlebige Klimaarchive entdeckt. So gelang es beispielsweise einem internationalen Team in einer 2019 veröffentlichten Studie die historischen Schwankungen des Indischen Monsuns anhand von Stalagmiten und Stalaktiten zu rekonstruieren. Ähnlichen bisher wenig beachteten kristallinen Kalzitablagerungen aus Karsthöhlen – im konkreten Fall im Ural-Gebirge – haben sich nun auch Forscher aus Innsbruck und Russland gewidmet und daraus die klimatische Entwicklung in der Region nachgezeichnet. Dabei zeigte sich, dass in den vergangenen 500.000 Jahren Permafrostböden mitunter weit in den Süden bis zum Kaspischen Meer reichten. Die Analysen brachten aber auch neue Erkenntnisse zum Alter von Höhlenmalereien.

Der blaue See, gespeist von einer aufsteigenden Quelle liegt in der Nähe des Eingangsportals der Höhle Shulgan-Tash (Kapova). Höhlentaucher haben diesen See bis zu einer Tiefe von 88 Metern erforscht.
Foto: Robbie Shone

Wertvolle Hinweise in winzigen Kristallen

Das Team um den Geologen und Geochemiker Yuri Dublyansky von der Universität Innsbruck setzte bei seinen Untersuchungen auf sogenannte kryogene Höhlenkarbonate (CCC). Diese entstehen, wenn etwa in Karsthöhlen bei Temperaturen knapp unter dem Nullpunkt im Wasser gelöste Minerale nicht in das anwachsende Eis eingebaut werden können. So bilden sich mitunter millimeter- bis zentimetergroße Ablagerungen, denen die Wissenschaft bisher noch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. In den kleinen Kristallen finden sich jedoch viele Hinweise auf die klimatischen Entwicklungen in der Umgebung, die weit ins Paläoklima, also bis rund 500.000 Jahre zurück reichen können.

In Zusammenarbeit mit russischen Kollegen und Höhlenforschungsvereinen gelang es bei dem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Forschungsprojekt, Proben aus 40 mitunter sehr abgelegen Höhlen der über 2.400 Kilometer reichenden Gebirgskette zu sammeln. CCC fanden sich in neun der beprobten Höhlen. Durch Radioisotopen-Analysen konnte dann deren Alter präzise bestimmt werden.

Der Geologe Yuri Dublyansky sammelt Proben der kryogenen Kalzitkristalle.
Foto: Robbie Shone

Permafrost reichte bis weit in den Süden

Die bisherigen Ergebnisse würden zeigen, dass "CCC ein wichtiger Marker sind, aber sensitiver und zum Teil komplexer als bisher gedacht. Die Daten zeugen nicht nur von großen Umschwüngen von arktischem zu mildem Klima im Ural. Wir beginnen auch kleinere Temperaturschwankungen zu sehen", so Dublyansky. Klar sei bisher, dass in Kälteperioden die Permafrostgrenze bis zum Kaspischen Meer gereicht habe.

In manchen Höhlen fanden sich auch CCC, die zu verschiedenen Zeiten entstanden sind. Somit gab es dort offenbar mehrere Permafrost-Episoden. "Solche genauen Einblicke können andere Paläoklima-Archive nicht bieten", sagte der Forscher, der auf diesem Weg die letzte Eiszeit vor rund 25.000 Jahren auch im südlichen Ural nachweisen konnte.

Aufgrund der Forschungsarbeiten konnten auch die vor 60 Jahren entdeckten Höhlenmalereien der Shulgan-Tash Höhle genauer datiert werden.
Foto: Robbie Shone

Höhlenmalereien genauer datiert

Die Probenentnahme führte Dublyansky auch in die Shulgan-Tash Höhle im südwestlichen Teil der Gebirgskette. Dort wurden vor 60 Jahren Höhlenmalereien aus der späteren Altsteinzeit gefunden, die als die östlichsten Zeugnisse der europäischen Höhlenkunst gelten. Aufgrund von im Vorjahr im Fachmagazin "Scientific Reports" veröffentlichten Analysen der dortigen Gesteinsablagerungen kann nun genauer angegeben werden, wann die Darstellungen von Mammuts oder eines zweihöckrigen Kamels entstanden sind.

Demnach geschah dies vor rund 16.000 bis 19.000 Jahren. Dublyansky: "Nach der Kombination aller Daten können wir sagen, dass diese Kunstwerke tief im Inneren einer dunklen Höhle angefertigt wurden und zwar als dort Minusgrade herrschten." (red, APA, 2.1.2020)