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Der koalitionsfreie Raum – vielbeschworene Notlösung, die im Bund noch nie angewandt wurde.

Foto: reuters / LISI NIESNER

Eine türkis-grüne Koalition ist nicht einfach. Wie so oft von beiden Parteien betont, sind die inhaltlichen Unterschiede erheblich. Neben Kompromissen und allerlei Tauschhandel wurde deshalb während der Verhandlungen noch eine weitere Variante ventiliert, um mit schwierigen Themen umzugehen: der koalitionsfreie Raum. Dort, "wo man zusammenfindet, ist es gut, wenn man zusammenfindet", antwortete ÖVP-Chef Sebastian Kurz am vergangenen Freitag auf die entsprechende Frage einer Journalistin, "aber natürlich kann es auch Sinn machen, da und dort mit einem koalitionsfreien Raum zu arbeiten".

Eine solche Ausnahmeregelung gab es bei einer österreichischen Bundesregierung noch nie. Üblicherweise vereinbaren Regierungsparteien, im Parlament nur gemeinsam abzustimmen – das ist der Sinn einer Koalition: Gemeinsam vereinbarte Vorhaben werden zuverlässig umgesetzt, zudem hat ein Misstrauensantrag gegen die Regierung im Nationalrat keine Chance. Das geschlossene Abstimmen ist zentraler Punkt jedes Koalitionspakts, auch wenn die Abgeordneten in der Theorie rein nach ihrem Gewissen, nicht nach den Interessen ihrer Partei abstimmen sollten.

Skepsis bei Türkis und Grün

Mit einem koalitionsfreien Raum ist gemeint, dass bestimmte Themen von dieser Partnerschaft ausgenommen sind. Volkspartei und Grüne könnten dann im Nationalrat Mehrheiten mit anderen Parteien suchen, um Gesetze zu beschließen. Diese müssten dann aber verfassungsgemäß von der türkis-grünen Bundesregierung umgesetzt werden.

Allein deshalb gilt es als eher unwahrscheinlich, dass es einen von den Bedingungen dieser Koalition befreiten Raum geben wird: kaum denkbar, dass die inhaltlich ohnehin schwierige Zusammenarbeit so etwas aushält. Vertreter von ÖVP und Grünen haben sich bisher auch immer skeptisch gegenüber dieser Idee geäußert. Eine offizielle Zu- oder Absage an den koalitionsfreien Raum gibt es noch nicht, schließlich wird auch noch bis Donnerstag verhandelt.

In Bundesländern üblich

In den Bundesländern ist das Format des koalitionsfreien Raums viel üblicher. Viele Landesregierungen vereinbarten einen solchen, etwa in Kärnten, dem Burgenland oder Niederösterreich. Bei der Landesregierung in St. Pölten hat sich die SPÖ etwa mit der Volkspartei ausgehandelt, dass Themen, die die Bundespolitik betreffen, nicht reguliert sind. Das war damals für die Opposition gegen Türkis-Blau wichtig – kann den Sozialdemokraten aber auch in Zeiten von Türkis-Grün zugutekommen. (Sebastian Fellner, 30.12.2019)