Alte Stromzähler werden durch "Smart Meter" ersetzt – für die Energieunternehmen ein Vorteil, da sie schwieriger zu manipulieren sind.

Foto: Robert Newald

Wien – Exakt 7.355,52 Euro an Stromkosten hat sich Piotr K. über die Jahre in seiner Substandardwohnung im Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus erspart. Allerdings nicht durch den Einsatz von LED-Lampen und elektrischen Großgeräten der Energieeffizienzklasse A+++. Sondern durch die Manipulation von Stromzähler und Leitungen, was dem unbescholtenen 44-Jährigen eine Anklage wegen "Entziehung von Energie" einbrachte.

Formell entscheidet Katharina Adegbite-Lewy, die allerdings nur kontrolliert, was ihre Ausbildungsrichterin macht, die die Verhandlung führt. Die erfährt zunächst etwas zum biografischen Hintergrund des angeklagten Polen. Er ist gelernter Kfz-Spengler, muss aber irgendwann in eine Krise gestürzt sein. Nach zwei Operationen verbrachte er die vergangenen Monate wegen Alkoholabhängigkeit und Depressionen in Behandlung, ab Jänner wird er ein bis eineinhalb Jahre eine Therapie machen, erzählt er.

Im Privatkonkurs

2018, rund um die Zeit, als seine Tochter zur Welt kam, meldete er Privatkonkurs an. Von den 850 Euro, die er monatlich erhält, muss er 350 Euro zur Tilgung der Schulden verwenden, dazu kommen die Alimente für das Kind. Mit den elektrotechnischen Malversationen in seiner früheren Mietwohnung will er allerdings nichts zu tun haben.

Er erzählt die Geschichte so: "Ich bin im November 2011 in die Wohnung gezogen, der Vormieter hat den Strom auf mich umschreiben lassen. Ich habe Rechnungen bekommen, die habe ich auch gezahlt." Irgendwann später sei er zu einer Bekannten gezogen und habe die Wohnung nur mehr sporadisch besucht. Ganz mag die Ausbildungsrichterin der Schilderung nicht glauben: Denn knapp zweieinhalb Jahre später erschienen im Februar 2014 ein Gerichtsvollzieher und ein Mitarbeiter der Wiener Netze, um wegen unbezahlter Rechnungen den Stromzähler zu demontieren.

Nadel als Energiesparinstrument

Der Wiener-Netze-Techniker schildert als Zeuge, was er vorfand. "Der Stromzähler war in der Wohnung, in die Zählscheibe war ein Loch gebohrt, in dem eine Nadel steckte. Damit kann man die Rotation der Zählscheibe verhindern, obwohl der Strom weiter fließt", erklärt er. K. sagt, er habe bei seinem Einzug dem Zähler keine Beachtung geschenkt und könne nicht sagen, ob der bereits manipuliert gewesen sei.

Nachdem der Zähler abmontiert worden war, entfernten die Wiener Netze im Kasten am Gang noch die Sicherungen und plombierten die Gewinde. Im Mai 2015 wurde das routinemäßig kontrolliert – siehe da, die Plomben waren entfernt, Sicherungen drinnen und Messungen ergaben, dass wieder Strom in die Wohnung floss. Das Spiel wiederholte sich im November 2015.

Nachbar half bei Überbrückung

"Ich weiß davon nichts", beteuert der Angeklagte. "Aber wer außer Ihnen sollte denn davon profitieren? Was hat denn ein Unbekannter davon, wenn es in Ihrer Wohnung Strom gibt?", fragt die Ausbildungsrichterin. K. kann keine Antwort geben, liefert aber eine Erklärung für die Entdeckung, die die Wiener Netze beim nächsten Besuch machten. Der fehlende Stromzähler war nämlich mit einer Klemme überbrückt, eine Leitung führte in die Nachbarwohnung. "Der Freund eines Nachbarn ist Elektriker, den habe ich gebeten, dass er eine Überbrückung macht, damit ich Strom aus der Nachbarwohnung bekomme, wenn ich es brauche", schildert der ohne Verteidiger erschienene Angeklagte.

Eher ungünstig für K. wirkt sich aus, dass der Zeuge von den Wiener Netzen auch die Zählerstände des Vormieters und die des Angeklagten mitgebracht hat. Der Vormieter hat demnach in 22 Monaten 8.000 Kilowattstunden Energie bezogen, bei K. wären es bis zur Entfernung des Zählers in 28 Monaten nur 1.000 Kilowattstunden gewesen. Und das, obwohl drei Elektroheizgeräte, der Warmwasserboiler, ein E-Herd, Mikrowellenherd, Kühlschrank und Fernsehgerät angesteckt waren.

Acht Monate bedingt

Der Stromnetzbetreiber beziehungsweise Wien Energie wollen die Schadenssumme ersetzt bekommen, K. meint, sich allerdings dunkel erinnern zu können, dass in seinem Privatkonkurs eine Stromrechnung über rund 8.000 Euro inkludiert gewesen ist. Die Stromfirmen werden am Ende also mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen, K. wird zu acht Monaten bedingt und Bewährungshilfe verurteilt. Er akzeptiert die Entscheidung ebenso wie die Staatsanwältin. (Michael Möseneder, 31.12.2019)