Ausgerechnet ein 63 Jahre altes Flugzeug läutete gegen Ende des Vorjahrs die nächste Revolution in der Luftfahrt ein. Die kanadische Harbour Air rüstete eines ihrer Oldtimermodelle, das Beaver-Wasserflugzeug, mit einem hochmodernen Elektromotor nach und absolvierte erfolgreich erste Testflüge. Mit einer halben Stunde Flugzeit (inklusive dreißig Minuten Reserveakku) ist die Reichweite noch recht bescheiden, soll aber schon bald erweitert werden.

Der erste Test war erfolgreich – die Revolution kann beginnen.
Foto: APA/AFP/DON MACKINNON

Dem alten Sechssitzer wurde so jedenfalls neues Leben eingehaucht – und der Industrie die Flugrichtung in die Zukunft aufgezeigt. Schließlich weiß die Luftfahrtindustrie, dass sich etwas ändern muss. Waren die Bilder aus dem Fernreiseziel bis vor wenigen Jahren noch das ultimative Statussymbol auf Facebook und Insta gram, so nimmt in Zeiten dramatischer Klimaerhitzung die Flugscham zu. Und obwohl sich immer mehr Menschen das Fliegen leisten können, haben große Fluglinien erkannt, dass sie gegensteuern müssen, um ein ähnlich negatives Image wie jenes der Zigarettenindustrie zu vermeiden.

Kurzstrecke

Greg McDougall, Gründer der Harbour Air, weiß, dass sein Umdenken alleine die Kohlendioxidemissionen der Luftfahrtindus trie nicht radikal beeinflussen wird. Wenn die kanadischen und amerikanischen Regulatoren in zwei bis drei Jahren aber die allgemeine Starterlaubnis für seine Elek troflieger geben, will er die komplette Flotte von vierzig Wasserflugzeugen auf den emissionsfreien Antrieb umstellen – und so als Vorbild für Kurzstrecken in aller Welt fungieren. Immerhin 40.000 teils sehr alte Kleinflugzeuge sind auf Strecken unter 1.000 Kilometern derzeit weltweit im Einsatz.

"Ein Biber auf Steroiden", beschreibt McDougall das Elektroflugzeug.
Global News

Weil McDougalls Geschäft auf Kurzstreckenflüge in der kanadischen Region West Columbia und dem US-Bundesstaat Washington begrenzt ist, geht es sich mit dem aktuellen Stand der Akkutechnologie reichweitentechnisch aus. Für weitere und schnellere Flüge mit hunderten Passagieren bräuchte es freilich stärkere Akkus. Um deren Entwicklung ist in den letzten Jahren weltweit ein regelrechtes Wettrennen entbrannt.

Günstiger und umweltschonend

Bei Magnix, jenem Elektromotorenhersteller, der auch die Harbour Air beliefert, sieht man sich durch die große Konkurrenz etwa vom britischen Motorenhersteller Rolls-Royce in der Einschätzung bestätigt, auf das richtige Pferd zu setzen. Neben der recht simplen und kostengünstigen Umrüstung alter Flugzeugmodelle baut die Firma ihre Motoren auch in neu-designte Flugzeuge ein. So soll etwa das israelische Flugzeugmodell Eviation Alice ab dem Jahr 2022 mit gleich drei Magnix-Motoren ausgestattet werden und dank deutlich verbesserter Aerodynamik die Beaver-Modelle mit einer Reichweite von zunächst rund 1.000 Kilometern bereits klar überflügeln. Bis Ende des Jahrzehnts plant die Firma gar mit 3.000 Kilometern Reichweite. Flugreisende soll aber nicht nur das Umweltargument, sondern auch der bessere Preis anlocken.

Roei Ganzarski ist vom elektrobasierten Flugbetrieb überzeugt.
Foto: APA/AFP/DON MACKINNON

Fluglinien könnten mit der neuen Antriebstechnologie sechzig bis achtzig Prozent der Kosten einsparen, rechnet Magnix-CEO Roei Ganzarski vor. Dies kann an die Kunden weitergegeben und zur Erschließung neuer, bislang nicht rentabler Routen eingesetzt werden. Bedingt durch den technischen Aufbau des Motors können Elektroflugzeuge im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren auch in sehr hohen Lagen starten und landen und brauchen nur kürzere Pisten als ihre kerosinbetriebenen Cousins. Ganzarski ist jedenfalls überzeugt von der Revolution: In 15 Jahren, prophezeit er, werden alle Kurzstreckenflüge unter 1.600 Kilometern elektrisch geflogen werden. (Fabian Sommavilla, 9.1.2020)