Bis zuletzt gab es in einigen Detailfragen erhebliche Unterschiede. So beharrten die Türkisen darauf, dass Tempo 140 – eigentlich ein Projekt der FPÖ – beibehalten wird. Hier dürften sich allerdings die Grünen durchgesetzt haben, das Pilotprojekt soll schon bald der Vergangenheit angehören.

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Ackerbau-, Lebens- oder Nachhaltigkeitsministerium: Das Ressort für Landwirtschaft – und später auch Umwelt- und Klimaagenden – hatte während seines 150-jährigen Bestehens durchaus eigenwillige Namen und Zusammensetzungen. Zuletzt ressortierte in dem Großministerium unter Exministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auch der Tourismus. Unter Türkis-Grün soll sich das jetzt ändern: Die Rede ist davon, dass die Landwirtschaft bei der Volkspartei bleiben wird – angesichts der türkis-schwarzen Färbung von Bauernbund und Landwirtschaftskammer nicht weiter verwunderlich. Umwelt- und Klimaschutzagenden sollen hingegen an die Grünen gehen, aber auch Energie, Infrastruktur und Verkehr sollen in dem Superministerium untergebracht werden.

Mit dem Klima- und Infrastrukturministerium, das von Ex-Global-2000-Chefin Leonore Gewessler geführt werden wird, kommen zwei ohnehin schon ziemlich große Ressorts zusammen. Allerdings dürften die Türkisen größten Wert darauf gelegt haben, dass die Grünen nicht zu viel Macht bekommen. Das geschah – so erzählen Personen aus dem Umfeld der Koalitionsverhandlungen – durch das Verschieben von Abteilungen und Sektionen aus dem bisherigen Portfolio von BMVIT (Verkehr, Infrastruktur und Technologie) und BMNT (Nachhaltigkeit und Tourismus).

Landwirtschaft für Türkis

So soll Gewessler nicht nur die Landwirtschaft an die favorisierte ÖVP-Ministerin Köstinger verlieren, sondern auch Tourismus und Forstwirtschaft. Der türkisen Politikerin würde so zumindest ein beträchtliches Budget zufallen – immerhin fließen jährlich Millionen aus Brüssel in den Agrarfördertopf – und werden durch den Staat noch zusätzlich aufgestockt.

Aus dem alten BMNT blieben mit Klima, Abfallwirtschaft/Chemiepolitik/Umwelttechnologie und Energie/Bergbau damit letztlich nur wenige Sektionen bei den Grünen. Wo die Wasserwirtschaft landen wird, war offenbar bis zuletzt strittig. Der zweite Teil der Sektion, die Umwelt, dürfte aber – nicht weiter verwunderlich – bei Gewessler landen.

Wie genau die Infrastrukturagenden aufgeteilt werden, war offenbar bis zuletzt nicht klar. Zunächst hieß es aus ÖVP-Kreisen, dass die großen Bereiche Innovation und Telekommunikation abgespalten und ins Wirtschaftsministerium transferiert werden sollen, in dem Margarete Schramböck ein Comeback geben dürfte. Seitens der Grünen hieß es wiederum, dass die Bereiche bei ihnen bleiben werden. In der Sektion sind nicht nur zentrale Aspekte des Technologietransfers und zukunftsträchtiger Agenden wie Breitbandausbau und Raumfahrt angesiedelt, sondern es hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium auch die Hand auf den finanziell namhaften Förderungsgesellschaften FFG und AWS.

Kompetenzen

Große Würfe in Sachen Klimapolitik werden die Grünen ohne den Segen des Koalitionspartners allerdings so oder so nicht in die Wege leiten können, da Kompetenzen teilweise woanders liegen. Das Finanzministerium etwa soll weiter in türkiser Hand bleiben – aller Wahrscheinlichkeit nach wird Gernot Blümel dessen Chef. Das Ressort ist in Klimafragen bereits während der türkis-blauen Koalition immer wieder auf die Bremse getreten. Bis zum Sommer hätte etwa eine Liste klimaschädlicher Subventionen oder Förderungen veröffentlicht werden sollen. Nach Angaben der Noch-Ministerin Maria Patek stellte das Umweltressort jene Informationen bereits im März dem Finanzministerium zur Verfügung, dieses soll auch nach mehrfacher Erinnerung nicht weiter gehandelt haben.

Zur Glättung der Wogen – etwa bei der möglichen Einführung einer Art von CO2-Bepreisung – könnte ein Staatssekretär beitragen, den wohl die Grünen stellen werden. Dem Vernehmen nach soll diese Rolle dem Ökonomen Josef Meichenitsch zufallen. Für Gewessler wäre das wichtig, denn ohne das notwendige Geld werden Klimamaßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs kaum umsetzbar sein.

Erhebliche Differenzen

Neben der Aufteilung der Sektionen und Ressorts dürften die Gespräche zu Umwelt, Klima und Landwirtschaft jedenfalls besonders zäh gelaufen sein. Dem Themenkomplex wurde letztlich ein umfassendes Kapitel im Regierungsprogramm gewidmet, wie es heißt.

Bis zuletzt gab es in einigen Detailfragen offenbar erhebliche Unterschiede zwischen den Verhandlern. So beharrten die Türkisen darauf, dass Tempo 140 – eigentlich ein Projekt der FPÖ – beibehalten wird. Hier dürften sich allerdings die Grünen durchgesetzt haben, das Pilotprojekt soll schon bald der Vergangenheit angehören.

Zwist gab es auch bei der ÖBB, wie aus Kreisen zu hören ist. Demnach wollten die Türkisen die Bahn "zerlegen", wie es heißt. Offenbar wurde seitens der Volkspartei in Erwägung gezogen, ÖBB-Kraftwerke an Energieversorger zu übertragen und die Railcargo zu privatisieren. Im Gespräch war dem Vernehmen nach auch, dass nicht genützte Immobilien der Eisenbahngesellschaft an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) übertragen werden. Von all dem soll im finalen Regierungsprogramm allerdings nichts übriggeblieben sein. (Nora Laufer, Andreas Schnauder, 30.12.2019)