Ernst-Dziedzic sieht in den kommenden Tagen noch die Arbeit am "Feinschliff" vor den Grünen liegen.

Foto: APA / Helmut Fohringer

STANDARD: Wie ist die Stimmung im grünen Verhandlungsteam? Freude, Euphorie oder noch Skepsis?

Ernst-Dziedzic: Aus meiner Sicht ist die Stimmung konstruktiv, aber gewohnt kritisch, sonst wären wir ja nicht die Grünen. Uns ist bewusst, dass wir die Themen nicht nur in den Verhandlungen festgemacht haben, sondern dass wir in der Koalition mit der ÖVP in einem permanenten Diskurs bleiben werden.

STANDARD: Das Verhandlungsteam muss sich noch dem grünen Bundeskongress stellen. Wie einfach oder wie schwierig wird das, wie ist die Stimmung an der Basis?

Ernst-Dziedzic: Auch hier gilt: konstruktiv und kritisch. Wir beginnen ja nicht erst am Samstag die Diskussion mit der Basis, wir sind über die unterschiedlichen Gremien laufend in Kontakt mit unseren Leuten. Die Basis hat jetzt auch schon die Möglichkeiten zu Gesprächen mit dem Verhandlungsteam.

STANDARD: Ist es denkbar, dass der Koalitionspakt mit der ÖVP noch am Einspruch der Basis scheitert?

Ernst-Dziedzic: Denkbar ist grundsätzlich alles. Es ist ja auch noch nicht gegessen, was am Ende wirklich mit der ÖVP fixiert wird. Es geht in den nächsten Tagen noch um den Feinschliff. Auch etwas Feines kann relevant sein. Wir sind ja nicht nur mit der Basis im Gespräch, sondern auch weiterhin mit der ÖVP. Am Samstag stellen wir uns mit dem Ergebnis dann den knapp 280 Menschen. Wir werden die inhaltlichen Diskussionen nicht nur zulassen, sondern auch aktiv anbieten.

STANDARD: Parteichef Werner Kogler hat in einer Mail an die Mitglieder von Kompromissen gesprochen, die man nicht denunzieren dürfe. Wo können die Grünen gut mit den erzielten Kompressen leben, und wo tut es richtig weh?

Ernst-Dziedzic: Wir sind mit dem Slogan "Saubere Umwelt, saubere Politik" angetreten. Deshalb war es uns wichtig, vor allem in diesen zwei Bereichen Erfolge zu erzielen, da geht es auch um unsere Glaubwürdigkeit als Partei. Das ist uns ganz gut gelungen, denke ich. Wir wissen aber auch, dass es nicht nur diese zwei Bereiche gibt, sondern darüber hinaus von den Grünen erwartet wird, dass sich diese Koalition gravierend von der letzten unterscheidet. Wir haben zwar unsere Schwerpunkte, sind aber eine Vollsortimentspartei, haben also Meinungen und Positionen in allen Bereichen. Das wird spannend werden, wie zwei Parteien, bei denen bekanntlich die Schnittmenge eher gering ist, miteinander auskommen. Kompromisse sind Teil der Demokratie. Es gibt gewisse Bereiche, in denen Einigkeit wenig überraschend schwieriger ist.

STANDARD: Und diese Bereiche werden dennoch im Koalitionspakt festgeschrieben?

Ernst-Dziedzic: Es steht im Regierungsprogramm logischerweise nicht drin: "Da haben wir uns nicht geeinigt." Es werden jene Dinge festgeschrieben, wo es eine Einigung gibt und wo es für die nächsten Jahre eine Handlungsanleitung gibt. Es wird aber auch inhaltliche Herausforderungen und aktuelle Anlässe geben, wo man schauen muss, wie sich die Koalitionspartner positionieren und was das für die gemeinsame Arbeit bedeutet.

STANDARD: Gibt es so etwas wie einen koalitionsfreien Raum?

Ernst-Dziedzic: Wir haben bewusst nicht versucht, alle strittigen Themen wegzusperren. Wenn eine Koalition gut funktionieren soll, muss alles auf den Tisch gelegt werden.

STANDARD: Das heißt, es stehen im Regierungspakt auch Dinge drin, die den Grünen nicht behagen?

Ernst-Dziedzic: Ja, das ist natürlich der Fall. Wir sind auch keine homogene Partei, es gibt bei den Grünen unterschiedliche Gewichtungen, und so wird es unterschiedliche Gewichtungen bei der Beurteilung des Programms geben. Es wird auch darauf ankommen, wie es den Verhandlern gelingt, ihre Kompromisse zu erklären. Wenn das für die Basis nachvollziehbar ist, bin ich zuversichtlich.

STANDARD: Sie sind stellvertretende Klubchefin: Wird die grüne Fraktion im Parlament künftig alle Regierungsvorhaben durchnicken oder ist damit zu rechnen, dass es aus dem Klub auch einmal Widerspruch oder gar Widerstand geben wird?

Ernst-Dziedzic: Wir sind bekanntlich keine Abnickpartei. Auf der anderen Seite wäre es fahrlässig, wenn wir als grüne Fraktion innerhalb der Regierung Oppositionsarbeit betreiben würden. Aber wir werden selbstverständlich kritisch bleiben. Mit dem Koalitionspakt alleine ist es nicht erledigt, das Abstimmen mit der ÖVP wird uns bei einer etwaigen Koalition permanent begleiten. Aber wir gehen mit viel Zuversicht an die Sache heran, sonst kann das nicht funktionieren. Wir werden jedoch nicht Harmonie vorspielen und strittige Themen unter den Teppich kehren. (Michael Völker, 31.12.2019)