Alma Zadić wird die erste österreichische Ministerin mit Migrationshintergrund.

Foto: APA/Punz

Vor exakt sechs Monaten wagte Alma Zadić den Schritt: Nach langem Zaudern kehrte sie ihrer in Auflösung begriffenen Liste Jetzt den Rücken zu und kündigte an, bei den Grünen um eine Kandidatur zu werben. Große Freude gab es anfangs auf beiden Seiten nicht. Jetzt-Chefin Maria Stern sprach davon, dass "Vertrauen enttäuscht" worden sei; die grüne, nahezu Peter-Pilz-feindliche Basis wunderte sich, warum eine "Überläuferin" eine prominente Rolle spielen sollte.

Aber Grünen-Chef Werner Kogler spürte bei Zadić dasselbe wie zuvor Peter Pilz: Hartnäckigkeit, Engagement, Idealismus. Bei Pilz äußerte sich das darin, dass er Zadić zu seiner rechten Hand im BVT-U-Ausschuss machte. Kogler ging einen Schritt weiter: Er beackerte die Basis, Zadić zu vertrauen und auf Platz fünf der Bundesliste zu setzen. Nach der erfolgreichen Wahl nominierte er Zadić für die sechsköpfige Steuerungsgruppe, jetzt soll sie eine von vier grünen Ministerinnen werden und das Justizressort übernehmen.

Mit offenen Armen wird sie dort vermutlich nicht empfangen werden, zeigte sie sich doch bei ihrer Tätigkeit im U-Ausschuss äußerst kritisch gegenüber der wichtigen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und gegenüber Sektionschef Christian Pilnacek, der als graue Eminenz im Palais Trautson, dem Sitz des Justizministeriums, gilt. Allerdings hat Zadić schon bei den Regierungsverhandlungen bewiesen, dass sie Gräben rasch überwinden kann – lobte sie doch den Humor und die Stimmung ihres türkisen Gegenübers Wolfgang Sobotka.

Interne Zerwürfnisse und "stiller Tod der Justiz"

Zadić wird mit 35 Jahren die jüngste Justizministerin aller Zeiten werden. Auf sie kommt viel Arbeit zu. Die Justiz ist chronisch unterfinanziert und steht laut dem aktuellen Minister Clemens Jabloner vor einem "stillen Tod". Dazu kommen interne Zerwürfnisse, etwa zwischen Pilnacek und der WKStA – Auslöser waren da die Ermittlungen zur Eurofighter-Affäre.

Obwohl Zadić persönlich zurückhaltend erscheint, hat sie keine Scheu vor großen Aufgaben: Sie war Praktikantin beim Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, studierte an der Columbia University in New York und arbeitete dann bei der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, wo sie zur Senior Associate aufstieg. All das schaffte Zadić, obwohl ihre Ausgangsposition schwierig war. Im Alter von zehn Jahren floh sie mit ihren Eltern vor dem Bosnienkrieg nach Österreich, wo sich die Familie eine neue Existenz aufbauen musste.

Zielscheibe für Attacken von Rechtsaußen

Ihre Herkunft macht Zadić nach wie vor zur Zielscheibe, auch im Nationalrat. Dort rief ihr der damalige ÖVP-Abgeordnete Johann Rädler zu: "Wir sind hier nicht in Bosnien." Entschuldigen wollte er sich danach nicht, er ist weiterhin türkiser Bürgermeister in Bad Erlach. In den vergangenen Tagen erlebte Zadić eine Welle an Hasspostings, nachdem sich FPÖ-Politiker wie der Tiroler Landesparteiobmann Markus Abwerzger kritisch über Zadić geäußert hatten. Sie war medienrechtlich in erster Instanz für üble Nachrede verurteilt worden, weil sie "keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten" zu einem Foto gepostet hatte, bei dem viele einen jungen Mann beim Hitlergruß gesehen hatten. Der Abgebildete bestritt das – er habe "nur gewunken", und zwar aus dem Haus einer Burschenschaft in Richtung einer antifaschistischen Demonstration. Der Richter glaubte ihm, gegen das Urteil hat Zadić berufen.

Am Samstag soll nun der grüne Bundeskongress über Zadićs Nominierung abstimmen. Das gilt aber nur als Formsache: Denn mittlerweile genießt die Rechtsanwältin auch in den Reihen der grünen Basis breite Unterstützung. Und ihre Angelobung wäre von großer Symbolkraft: Denn Zadić ist die erste österreichische Ministerin, die Migrationshintergrund hat. (Fabian Schmid, 1.1.2020)