Großverbraucher befriedigt der Volkswagen-Konzern in Wolfsburg mit Vergleichszahlungen, Verbraucher müssen bis zu den Höchstgerichten prozessieren.

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Die Vergleichszahlung von Volkswagen im Diesel-Streit an die Republik Österreich bringt der Republik eine weitere Strafanzeige ein. Grund ist die Entschädigungszahlung in der Größenordnung von zwei Millionen Euro, die der Wolfsburger Konzern (im Wege seiner österreichischen Vertriebstochter) für den aus rund 2500 Leasing-Fahrzeugen bestehenden staatlichen Fuhrpark im Dezember gezahlt hat – DER STANDARD berichtete exklusiv.

Eine Grundlage für eine Entschädigungszahlung könne rechtlich nur dann vorliegen, wenn weder durch das Softwareupdate der Schaden beseitigt noch der gesetzeskonforme Zustand der abgasmanipulierten Dieselfahrzeuge hergestellt wurde, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung, die der Verbraucherschutzverein VSV nach Bekanntwerden der Vergleichszahlungen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien eingebracht hat.

Beides liegt nach der bisherigen Vorgangsweise der österreichischen Behörden im Diesel-Abgasmanipulationsskandal aber nicht vor. Denn das Verkehrsministerium hat den die gesetzlichen Abgasemissionswerte überschreitenden Fahrzeugen bisher weder die Zulassung entzogen noch anerkannt, dass die Stickoxid-Emissionen (NOx) nach dem von Volkswagen durchgeführten Softwareupdate unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte blieben. Auch haben Umweltbehörden die Bevölkerung durch andere Maßnahmen nicht vor massiven Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte durch manipulierte Diesel-Pkws im Realbetrieb geschützt.

Entzug der Typengenehmigung

Im Gegenteil, das Verkehrsministerium hat zuletzt im Oktober vehement bestritten, dass ein Entzug der Typgenehmigungen zulässig oder gar geboten wäre. Man verwies dabei auf das deutsche Kraftfahrtbundesamt (KBA), das die Softwareupdates genehmigt und Typprüfgenehmigungen erteilt habe. Allein die Zulassungsbehörde im für die Typgenehmigung zuständigen Mitgliedsstaat sei für einen allfälligen Entzug zuständig, so der seit Ausbruch des Dieselskandals im September 2015 vertretene Standpunkt des Ministeriums.

Österreich hat Deutschland auch nicht ersucht, Fahrzeuge der in den Abgasskandal involvierten Hersteller (VW, Škoda, Seat, Audi, Porsche, BMW, Daimler, Opel) stichprobenartig zu überprüfen oder auf deren Übereinstimmung mit Daten in den Musterdatensätzen hin zu prüfen. Auch die EU-Kommission wurde nicht informiert. Ein solches Ersuchen gemäß EU-Richtlinie 2007/46/EG könne erst dann an einen anderen Mitgliedsstaat gerichtet werden, "wenn von österreichischen Behörden tatsächlich eine Abweichung von den Vorschriften der Typgenehmigung des Fahrzeugs nachgewiesen wird", beschied das Ministerium am 21. Oktober. Und: Als Marktüberwachungsbehörde habe man "Untersuchungen zu unzulässigen Abschalteinrichtungen" durchgeführt, aber keine festgestellt.

Abgasproblem nicht behoben

Das ist im Lichte des außergerichtlichen Vergleichs, den die Finanzprokuratur im Namen der Republik nun geschlossen hat, bemerkenswert. Denn die Finanzprokuratur hat den Anschluss an das Strafverfahren gegen die Volkswagen AG (GZ 22 St 4/17s) am 17. September 2018 damit begründet, dass mit den Softwareupdates das Abgasproblem nicht behoben worden sei: "VW AG hat zwar eine Änderung der Software der Motorsteuerung versprochen und auch durchgeführt, jedoch ergaben unabhängige Tests, dass diese Änderung nicht die gewünschten Effekte gebracht haben. Selbst durch die Aktualisierung der Software werden nicht die – zum Zeitpunkt des Kaufs – vorausgesetzten bzw. beworbenen und dadurch als ausdrücklich vorausgesetzten Eigenschaften und Werte erreicht. Es ist bekannt, dass Fahrzeuge, bei denen bereits das ,Update‘ der Motorsteuerungssoftware durchgeführt wurde, die gesetzlich zulässigen Grenzwerte im tatsächlichen Betrieb auf der Straße um ein Vielfaches überschreiten."

Verbraucherschützer und VSV-Obmann Peter Kolba fordern nun – wie der Autofahreklub ÖAMTC – die Herausgabe dieser von der Finanzprokuratur ins Treffen geführten Sachverständigengutachten zur Wirkungsweise des Softwareupdates. "Die Republik bringt ihre Schäfchen ins Trockene und lässt hunderttausende VW-Kunden im Regen stehen, das ist ein Skandal." Die Behörden hätten keinerlei Maßnahmen ergriffen, um rund 400.000 betroffene Dieselbesitzer vor Vermögensverlusten in Form überhöhter Kaufpreise zu schützen und die Bürger des Landes vor Luftverunreinigung, sagt VSV-Anwalt Michael Poduschka. (Luise Ungerboeck, 2.1.2020)