Benjamin Netanjahu will Immunität für sich selbst.

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Jerusalem – Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will beim Parlament Immunität beantragen, um sich angesichts einer Korruptionsanklage vor Strafverfolgung zu schützen. Dies teilte der 70-jährige Ministerpräsident am Mittwochabend mit. Er betonte, es handle sich um eine zeitlich begrenzte Immunität.

"Ich will Israel noch viele Jahre anführen, um historische Erfolge zu erzielen", so Netanjahu. Sein Herausforderer, Ex-Militärchef Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß, sprach von einem "traurigen Tag für Israel". Er warf Netanjahu vor, sich nur für sein persönliches Schicksal und nicht für die Zukunft des Staates Israel zu interessieren. "Netanjahu weiß, dass er schuldig ist."

Scharfe Kritik an Justiz

Das Justizministerium hatte im November mitgeteilt, der 70-jährige Netanjahu solle wegen Betrugs und Untreue sowie Bestechlichkeit angeklagt werden. Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender Ministerpräsident angeklagt wird. Netanjahu sprach von einem Putschversuch und kritisierte Israels Justiz aufs Schärfste. Er sprach unter anderem von einem Putschversuch.

Bei den Vorwürfen gegen Netanjahu geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Netanjahu hat noch bis Mittwoch Zeit, beim Parlament Immunität gegen Strafverfolgung zu beantragen. Es ist allerdings unklar, wann eine Abstimmung über die Frage stattfinden würde.

Nur kommissarisch im Amt

Netanjahu führt die Regierung seit einer Wahl im April 2019 nur noch kommissarisch, weshalb auch sein Ansuchen um Immunität sehr umstritten ist. Damals hatte sich nach einer Wahl keine Mehrheit für eine Regierungsbildung gefunden, weshalb im September erneut gewählt worden war. Auch dieser Urnengang erbrachte aber keine Regierungsmehrheit, daher schreiten die Israelis im März zum dritten Mal innerhalb eines Jahres an die Urnen. 67 Intellektuelle und High-Tech-Experten hatten von dem Höchsten Gericht eine Klarstellung gefordert, dass Netanjahu dann im Falle eines Wahlsiegs nicht mit der Regierungsbildung beauftragt werden dürfe.

In seiner Rede am Mittwoch sagte der 70-Jährige nun, er sei als Regierungschef zum Schutz durch das Parlament berechtigt. Eine Entscheidung für Immunität würde zudem nur vorübergehend gelten. Sollte sie ihm zuerkannt werden – was angesichts der parlamentarischen Mehrheiten alles andere als sicher ist –, würde sie allerdings den Beginn des geplanten Prozesses bis nach dem Ende der Amtszeit verzögern.

Ob es zu einer Abstimmung kommt, ist aber unklar. Amir Fuchs vom Israelischen Demokratie-Institut sagte der Agentur dpa auf deren Anfrage, für die Bildung des zuständigen Komitees gebe es trotz der politischen Übergangssituation zwar kein rechtliches Hindernis. Allerdings fehle im Moment die parlamentarische Mehrheit dafür. Ohne das Komitee werde es wiederum keine weiteren Schritte im Verfahren gegen Netanjahu geben. (mesc, red, 1.1.2020)