Die genauen Eckpunkte des Regierungsprogramms der ersten türkis-grünen Regierung bleiben vorerst im Dunkeln, erst am Donnerstagnachmittag präsentieren ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen. Ein erster Überblick:

Am 8. Oktober fand das erste Sondierungsgespräch im Winterpalais in Wien statt. ÖVP-Chef Kurz kann sich drei Monate danach über eine Regierung mit den Grünen freuen.
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Bei der inneren Sicherheit könnte es zu Verschärfungen kommen. Angeblich beharrte die ÖVP bis zuletzt darauf, die "Sicherungshaft" für Gefährder einzuführen, also eine Präventivhaft vor allem auch für gefährliche Asylwerber – was verfassungsrechtlich als bedenklich gilt. Und angeblich ebenfalls ÖVP-Bedingung war: das Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren auszuweiten. Immer wenn die Grünen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus forderten, hieß es, verlangte die ÖVP Härten im Kampf gegen den radikalen Islam – was für die Ökopartei allerdings kein Problem dargestellt haben soll.

Ersten Berichten zufolge soll außerdem der Familienbonus erhöht werden. Eine Steuerreform soll demnach noch dieses Jahr umgesetzt werden und ab 2021 gelten. Wie "Die Presse" berichtet, sollen die ersten drei Steuerstufen auf 20, 30 und 40 Prozent gesenkt werden (von 25, 35 und 42 Prozent). Und weiter soll in dem Papier auch ein Parteienfinanzierungsgesetz festgeschrieben sein.

Beim Thema Migration sollen sogenannte Rückführzentren für abgelehnte Asylwerber im Regierungsprogramm stehen. Die von den Grünen kritisierten Deutschförderklassen dürften bleiben, aber besser ausgestattet werden.

Das Klimapaket, auf das sich die beiden Parteien geeinigt haben sollen, enthält offenbar ein österreichweites Ticket für den öffentlichen Verkehr, Sofortmaßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen und eine Ökologisierung von Flugticketabgabe (von 12 Euro) und Pendlerpauschale. Eine Taskforce soll zudem eine Ökosteuerreform 2022 vorbereiten – diese soll gekoppelt sein an eine Unternehmenssteuerentlastung und damit eine höhere CO2-Bepreisung bringen. Eine Ökologisierung ist auch bei der Lkw-Maut geplant. Besonders abgasstarke Fahrzeuge sollen künftig eine höhere Maut zahlen als emissionsarme Lastkraftwagen.

Verhandlungsrunde kurz vor der Einigung, 27. Dezember 2019.
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Ein Transparenzgesetz soll dem Amtsgeheimnis ein Ende bereiten. Zudem soll es ein neues Informationsfreiheitsgesetz und einen Informationsfreiheitsbeauftragten geben. Der Rechnungshof bekommt neue Prüfkompetenzen – gegenüber Parteien und auch Unternehmen mit weniger als 50 Prozent Staatsbeteiligung. Dadurch soll auch die Bestellung neuer Vorstände transparenter werden. Ein Nulldefizit soll als Ziel für das Budget festgeschrieben worden seien – mit einer Beifügung für Klimaschutzinvestitionen.

Nach dem Vorbild des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) soll nun auch eine "Dokumentationsstelle für den politischen Islam" entstehen. Dementsprechende Pläne wurden dem STANDARD bestätigt. ÖVP-Chef Kurz hat wiederholt betont, gegen jede Art von Extremismus vorgehen zu wollen. Dabei soll nicht der Kampf gegen Neonazismus und die Rechtsaußen-Szene im Mittelpunkt stehen.

Die grüne Verhandlerin Sigrid Maurer sagte im Ö1-"Morgenjournal" am Donnerstag, dass es Punkte im Regierungsprogramm gibt, die für die Basis der Grünen "schmerzhaft sein werden". Nachsatz: "Aber es ist auch für die ÖVP einiges schmerzhaft." Maurer ist zuversichtlich, dass der Bundeskongress am Samstag dem Verhandlungsergebnis zustimmen wird. (red, 2.1.2020)