Regierungsprogramm Kapitel "Budget"

Wien – Die neue Regierung wiederholt beim Thema "Kapitalmarkt" großteils altbekannte Forderungen:

  • Kapitalertragsteuer: Erarbeiten will man eine Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten. Das wird vor allem von der Finanzindustrie seit langem gefordert. Die KESt bei Erträgen aus Kapitalvermögen wurde in Österreich im Jänner 2016 von 25 Prozent auf 27,5 Prozent erhöht. Seitdem wird die Senkung wieder eingefordert mit dem Argument, dass Investitionen in Fonds oder Aktien damit unattraktiver geworden seien und dies Anleger davon abhalte, Wertpapiere zu kaufen.

  • Pensionsvorsorge: So sollen ergänzend zur staatlichen Pensionsvorsorge auch entsprechende Rahmenbedingungen für die private Pensionsvorsorge geschaffen werden. Hier soll es etwa die Möglichkeit der Übertragung von Kapital aus einer Vorsorgekasse (z. B. Abfindung) in eine Pensionskasse (z. B. bei einem neuen Arbeitgeber) geben. Die Vorsorgepläne soll es mit oder ohne Kapitalgarantie geben. Die Ausgestaltung bleibt im Regierungsprogramm aber offen. Neu ist hingegen die Pensions-App: In der sollen die drei Säulen für jede Bürger zusammengefasst werden. Eine Ausbaufähigkeit zur späteren Risikosteuerung der individuellen Pensionstöpfe ist angedacht.

  • Finanzbildung: Stärkung der "Financial Literacy" von Jung und Alt. Diese Forderung ist so alt wie notwendig. Die Details dazu im Regierungsprogramm: Grundlagen zum Wirtschaftsverständnis und Finanzwissen sollen in heimischen Lehrplänen verankert werden. Ziel ist es auch, dass Österreich beim Pisa-Test das Modul über Finanzwissen mitmacht. Lebenslange berufsbegleitende Lehrangebote zum Kapitalmarkt mit privaten Partnern soll es geben, um gesamtgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Wer die Partner sind oder sein könnten, steht nicht im Programm.

  • Digitalisierung: Die Digitalisierung des Kapitalmarkts soll vorangetrieben werden – etwa durch digitale Schuldverschreibung (für Wertpapiere, Anleihen, Zertifikate etc.) und Bekämpfung der Finanzkriminalität. Der Fintech-Beirat soll seine Arbeit fortsetzen.

  • Entbürokratisierung: Finanz- und Justizministerium evaluieren gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden regelmäßig mögliche Übererfüllung von EU-Richtlinien für den Kapitalmarkt (Gold-Plating).

  • Börsengänge: Ein laufender Dialog mit der Wiener Börse zum Abbau unnötiger Bürokratie bei Börsengängen in Österreich (besonders auch für KMUs) ist festgeschrieben. Die Börse hat im Jänner 2019 jedoch bereits das Segment "direct market plus" gestartet, um für Klein- und Mittelbetriebe – sowie expandierende Jungunternehmen – einen einfachen Einstieg zu ermöglichen. Mittels geringerer Zugangsvoraussetzungen und Folgepflichten sollen für Unternehmen die Hürden vor dem Kapitalmarkt gesenkt werden. Zudem steht ein Capital-Market-Coach unterstützend zur Seite.

  • Prospektpflicht: Hier soll es Erleichterungen geben. Im Alternativfinanzierungsgesetz besteht vereinfachte Prospektpflicht bis zu einer Grenze von fünf Mio. Euro. Dies könnte, basierend auf bestehendem EU-Recht, auf bis zu acht Mio. Euro (siehe Deutschland) ausgedehnt werden und so Finanzierungen erleichtern.

  • Regulatory Sandbox umsetzen: Konzessionspflichtige Finanz-Start-ups können ihr Geschäftsmodell in enger Zusammenarbeit mit der Finanzmarktaufsicht erarbeiten und so ihre Konzessionen erwerben.

  • Reform des Hypothekar- und Immobiliengesetzes: Hypotheken sind derzeit in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Daraus ergeben sich teils unvollständige und widersprechende Regelungen. Weiters ist historisch begründet nur ein eingeschränkter Kreis von Kreditinstituten zur Emission von Pfandbriefen berechtigt. Eine neue einheitliche gesetzliche Regelung soll diese Unstimmigkeiten bereinigen sowie sicherstellen, dass alle Banken, die die Voraussetzungen erfüllen, Pfandbriefe begeben dürfen.

Der Faktor "Nachhaltigkeit" wird von der Regierung auch im Finanzwesen festgehalten. Damit nimmt die Regierung auch gleich Bezug auf den "Green Deal" der EU. Die Ökologisierung soll damit vorangetrieben werden. Konkret will die Regierung das so umsetzen:

  • Green Supporting Factor auf EU-Ebene: Banken sollen für Kredite, die effektiv dazu beitragen, den Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen, weniger Eigenkapital hinterlegen müssen. Das ist ein Punkt, der auch auf EU-Ebene diskutiert und wohl von der EU-Kommission verlautbart wird. Es soll den Anreiz schaffen, dass mehr Geld in die Finanzierung nachhaltiger Projekte fließt. In Summe wird die Finanzindustrie von der EU bei der Erfüllung dieser Ziele stark in die Pflicht genommen. Dass Banken nun auch die Nachhaltigkeit eines Finanzierungsvorhabens prüfen müssen und Unternehmen sich diesbezüglich gegenüber ihrer Bank deklarieren müssen, sorgt aber auch für Unmut. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand wird befürchtet.

  • Vergaberecht: Betroffen von Neuerungen ist auch das Vergaberecht als wichtiges Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels. Eine Erweiterung des Bestbieterprinzips um verbindliche ökologische Kriterien wird von der Regierung angestrebt.

Der Kapitalmarkt soll in Summe gestärkt werden, auch auf EU-Ebene. Dazu gibt es drei Punkte im Regierungsprogramm:

  • Bankenunion: ÖVP und Grüne haben den Vorschlag festgehalten, die Bankenunion auf EU-Ebene zu reformieren. Eine verstärkte Zusammenarbeit des Bankensektors auf EU-Ebene sei wünschenswert, aber eine neue Systematik einer europäischen Einlagensicherung soll nicht dazu führen, dass Banken mit Bilanzdisziplin für andere Banken, die hohe Verluste schreiben, Haftung übernehmen.

  • Proportionalität: Nicht alle Regeln, die für internationale Großbanken wichtig sind, müssen auch auf kleinere heimische Banken zutreffen. Beide Punkte werden wohl die Banken freuen, die teils unter den Auflagen der EU stöhnen. Andererseits könnte befürchtet werde, dass einige Institute dann für den Ernstfall weniger gut gerüstet sind.

  • Umsatzsteuerabzugsfähigkeit: Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Trennlinie zwischen umsatzsteuerfreien Bankumsätzen und Nicht-Bankumsätzen besser ausgearbeitet wird, um die Abzugsfähigkeit zu erhalten.

  • Grünes Mascherl: Die Bundesregierung bekennt sich aktiv gegen den Einsatz von "Green Washing" bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsklassifizierungen. Wer hier prüfen soll, wie genau und wer welche Daten liefern müssen wird, ist noch offen.

  • Green Bonds durch die ÖBFA und Prüfung einer "Bürgerstiftung Klimaschutz" sind ebenso festgeschrieben. Das soll Anreize schaffen, damit Private dazu bewegt werden, in den Klimaschutz zu investieren. Die Bürgerstiftung soll Bürgeranleihen begeben. Damit sollen sich Investoren und die Bevölkerung an der Klimawende beteiligen können. Genaue Angaben zu diesem Vorhaben fehlen aber.

Keinen Einblick gibt das Regierungsprogramm in die auf Eis gelegte Reform der Bankenaufsicht. Dieses Projekt wurde vergangenen Sommer wie berichtet gestoppt. Die türkis-blaue Regierung hatte ja ein Gesetz gemacht, wonach die Bankenaufsicht bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA zusammengeführt werden sollte. Das heißt, die rund 175 mit dieser Aufgabe beschäftigten Notenbanker sollten in die FMA übersiedeln. Der Widerstand in der Belegschaft war groß, die Kluft zwischen FMA und OeNB vergrößerte sich.

Zudem sah der Gesetzesentwurf eine Neuordnung der FMA vor: Statt bisher zwei Vorstandsmitgliedern sollte nur einer die FMA führen (Klaus Kumpfmüller, ÖVP), der zweite (Helmut Ettl, SPÖ) sollte Ende 2019 per Gesetz aus dem Job gekippt werden. Wie es diesbezüglich weitergehen wird, ist noch offen.

Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse, gefallen die Ansätze: "Das eindeutige politische Signal an den Bürger, dass es Sinn macht, sich aktiv am Kapitalmarkt zu beteiligen, ist begrüßenswert."

Peter Brezinschek, Finanzanalyst der RBI, weist darauf hin, dass Angaben zum heiklen Thema der Finanztransaktionssteuer fehlen. Dass kann laut Brezinschek heißen, "dass sie vom Tisch ist oder dass man sich dazu noch nicht einig geworden ist". Eine weitere Besteuerung von Eigenkapital wäre jedenfalls kontraproduktiv für den Kapitalmarkt.

Dass die Kapitalertragsteuer wieder Richtung alte Regelung angedacht ist, ist laut dem Analysten "eine vernünftige Lösung". Dann zahlen wieder nur jene Personen die KESt, die "kurzfristig hin und her traden". Die, die langfristig Eigenkapital zur Verfügung stellen und damit Wachstum und Beschäftigung finanzieren, würden hingegen belohnt. (Bettina Pfluger, 2.1.2020)