Regierungsprogramm: Kapitel "Klima und Energie"

Die Gespräche zum Thema Klimaschutz waren zäh. Das war zumindest über Wochen aus den Verhandlerkreisen von ÖVP und Grünen zu hören. Letztlich dürften sich die Grünen in ihrem größten Ministerium aber wohl doch in einigen Punkten durchgesetzt haben: Im Regierungsprogramm ist die Rede von einem Phase-out aus Öl und Kohle in der Raumwärme und von Klimaneutralität bis 2040. Auf eine sofort wirksame CO2-Bepreisung konnten sich die Verhandler jedoch nicht einigen.

Nun soll jedoch "unverzüglich" eine Taskforce im Umwelt- und Verkehrsministerium sowie Finanzressort eingerichtet werden, um festzulegen, wie viel das Emittieren einer Tonne CO2-Äquivalent ab 2022 kosten soll. Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform sollen dann "aufkommensneutral klimaschädliche Emissionen wirksam bepreist und Unternehmen sowie Private sektoral entlastet werden", heißt es dazu im Programm. Dabei gibt es zwei Optionen: Entweder soll eine Art nationaler Emissionshandel oder eine Bepreisung über bestehende Abgaben eingeführt werden. Dazu soll eine "Kostenwahrheit" bei CO2-Emissionen in Sektoren außerhalb des Emissionshandels ermittelt werden.

Frühes Nettonull

Österreich soll "bis spätestens 2040" klimaneutral werden – also um zehn Jahre früher als von der EU geplant. Dieses Ziel soll weiter ohne Atomkraft und ausschließlich über erneuerbare Energieträger erreicht werden, wie es heißt. Geplant sind unter anderem ein Paris-kompatibles CO2-Budget und entsprechende Emissionsreduktionspfade. In Brüssel will man sich zudem für einen EU-weiten CO2-Grenzzoll und -Mindestpreis sowie für das Ende klimaschädlicher Subventionen einsetzen. Insgesamt bekennt sich die Regierung dazu, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen.

"Es gilt rasch ins Tun zu kommen", heißt es im Klimakapitel des Regierungsprogramms. Dazu zählt auch eine unmittelbare Nachbesserung des umstrittenen nationalen Energie- und Klimaplans. Offenbar soll dieser detaillierter ausgearbeitet werden – sowohl was Maßnahmen, aber auch was Verantwortlichkeiten und die Finanzierung anbelangt. Ob damit die Ziele erreicht werden können, soll durch eine unabhängige und wissenschaftlich fundierte Wirkungsfolgenabschätzung evaluiert werden.

Neues Klimaschutzgesetz

Zudem soll ein neues Klimaschutzgesetz – das derzeitige läuft 2020 aus – dafür sorgen, dass die Republik ihr CO2-Budget künftig nicht übersteigt. Dort sollen verbindliche Reduktionspfade bis 2040 und Zwischenziele bis 2030 festgehalten werden. Zuletzt hat Österreich das nationale Ziel laut Klimaschutzgesetz ja verfehlt.

Der von den Grünen in Wahlkampfzeiten geforderte Ökobonus schaffte es nur indirekt in das finale Programm. So sollen die Kosten der Ökologisierung, die für Haushalte und Unternehmen entstehen, berücksichtigt werden: "Soziale Härtefälle werden jedenfalls vermieden, und auch Unternehmen werden bei der Transformation und den notwendigen Anpassungsmaßnahmen unterstützt." Ein weiterer zentraler Punkt der grünen Forderungen wurde hingegen durchgesetzt: Neue, aber auch bestehende Gesetze und Verordnungen sollen einem unabhängigen Klimacheck unterzogen werden.

Mehr Ökostrom

Um die Klimaziele zu erreichen, will die Regierung den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Den Rahmen dafür wird das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz liefern, das bis 2030 eine hundertprozentige Versorgung mit Ökostrom (national-bilanziell) sichern soll. Ein Energieeffizienzgesetz soll außerdem dazu beitragen, dass die Republik – "unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung" – bis Mitte des Jahrhunderts mit einem "deutlich" geringen Energieverbrauch auskommt.

Um den Weg zur Klimaneutralität zu erleichtern, soll der Staat mit gutem Beispiel vorangehen, wie es heißt: Ab 2022 muss die Anschaffung von Autos mit Verbrennungsmotoren im öffentlichen Fuhrpark begründet werden. Ab 2027 sollen dann – mit wenigen Ausnahmen wie etwa für Einsatzfahrzeuge – keine Pkws mit Verbrennungsmotoren in der öffentlichen Beschaffung neu zugelassen werden.

Verpflichtende E-Auto-Ladestation bei Neubauten

Bei Vergabeverfahren dürfte sich so einiges ändern: Das Bestbieterprinzip soll um ökologische Kriterien erweitert werden. Und auch im Bereich der Energieraumplanung soll es eine neue gesetzliche Regelung geben, die Sanierungsrate bundesweit auf drei Prozent erhöht werden. Ein "sozial verträgliches Sanierungsgebot" und entsprechende Förderprogramme sollen den Prozess beschleunigen. Zusammen mit den Bundesländern sollen außerdem Standards bei Bauvorschriften ökologisiert werden. Unter anderem müssen bei Neubauten künftig Lademöglichkeiten für E-Autos eingeplant werden.

Im Umweltbereich soll die Kreislaufwirtschaft vorangetrieben werden. Die Rede ist etwa von der steuerlichen Begünstigung von Reparaturleistungen. Auch ein Pfandsystem für Batterien und Kleingeräte wird geprüft. Von einem Pfand auf Plastikflaschen ist hingegen weiterhin nicht die Rede.

Kein "Ausverkauf" von Wasser

Wenig überraschend soll auch dem Naturschutz und der Artenvielfalt mehr Augenmerk geschenkt werden, alpine Freiräume sollen geschützt und degradierte Ökosysteme wiederhergestellt werden. Ein Rückschlag für die Grünen ist allerdings, dass sie die Hoheit über den Gewässerschutz abgeben müssen – dieser wandert in das türkise Landwirtschaftsministerium.

Dem Wasser wird dennoch ein ganzes Unterkapitel gewidmet. Dieses beginnt mit dem Vorhaben: "Kein Ausverkauf der Ressource Wasser." Genau das hatte Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ja der vermeintlichen Oligarchennichte angeboten, bevor die türkis-blaue Koalition platzte.

Vage Angaben zur Finanzierung

Pläne gibt es also ausreichend, wie diese finanziert werden sollen, bleibt hingegen vage. Im Finanzierungskapitel ist größtenteils die Rede von der Mobilisierung von Privatkapital. Die Regierung erwägt etwa eine "Bürgerstiftung Klimaschutz", über die Privatpersonen in Klimaschutzmaßnahmen investieren können. Ökologische und ethische Investitionen sollen außerdem von der Kapitalertragssteuer befreit werden – Details dazu sind nicht bekannt. Insgesamt will Türkis-Grün jedenfalls eine "ausreichende" Klimafinanzierung bereitstellen. Wie hoch diese sein soll, lässt sich aus dem Programm allerdings nicht herauslesen.

Viel Nebel zwischen den Energie-Leitplanken

Die Leitplanken beim Umbau des Energiesystems weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren wie Wind, Sonne oder Biomasse sind im Regierungsprogramm von Türkis-Grün deutlich erkennbar, etliche Abschnitte auf dem Weg zur angepeilten Klimaneutralität Österreichs 2040 liegen dennoch im Nebel. "100 Prozent Strom aus Erneuerbaren bedeutet einen Zubau von rund 27 TWh (eine Terawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden)", steht in dem Programm. Und weiter: "Zielsetzung ist, bis 2030 eine Photovoltaik-Erzeugungskapazität von elf TWh zuzubauen, bei Wind beträgt das Ausbauziel zehn TWh, bei Wasserkraft fünf TWh (wobei eine am ökologischen Potenzial orientierte Aufteilung zwischen Kleinwasserkraft und Großwasserkraft vorzunehmen ist) und bei Biomasse bei einer TWh."

Was sich auf dem Papier sehr flüssig und schlüssig liest, kommt in der Realität aber eckig und kantig daher, zumal der Zeitdruck sehr groß ist. Beispiel Photovoltaik: Um das Ausbauziel bei Sonnenenergie zu schaffen, müsste ab nun alle drei bis vier Minuten eine Solaranlage in Österreich neu ans Netz, und das im Zeitraum bis Silvester 2030. Die Realität sieht so aus, dass in Österreich zuletzt 10.000 bis 12.000 Photovoltaik-Anlagen installiert wurden – pro Jahr. Da war alles dabei, von ganz kleinen Anlagen bis zu größeren mit einer Leistung bis zu 200 Kilowatt (kW), die über die Oemag (Abwicklungsstelle für Ökostrom) unterstützt werden, und solchen bis zu 500 kW, die Investitionsförderungen erhalten. Das entspricht einem Zwölftel dessen, was notwendig wäre. Wie das ehrgeizige Ziel dennoch erreicht werden soll, lässt das Regierungsprogramm unbeantwortet.

"Strenge Kriterien" beim Ökostrom-Ausbau

Der Ausbau soll jedenfalls "unter Beachtung strenger Kriterien in Bezug auf Ökologie und Naturverträglichkeit erfolgen". Das ist zwar löblich, wird den Zubau etwa bei Windrädern und Wasserkraftanlagen aber auch nicht einfacher gestalten, wenn man an den zunehmenden Unmut in Kreisen betroffener Bevölkerungsgruppen denkt.

Anders als bisher soll es beim Ausbau der erneuerbaren Energien, einem der Eckpfeiler zur Vermeidung klimaschädlicher CO2-Emissionen, kein Stop-and-go aufgrund jährlich festgelegter Kontingente geben, sondern einen kontinuierlichen Ausbau auf einem Zehnjahrespfad. Davon ausgenommen ist die Förderung von Speichern im Zusammenhang mit PV-Anlagen. Dabei soll auch mehr Geld fließen, Geld im Übrigen, das nicht aus dem Budget kommt, sondern von den Österreicherinnen und Österreichern über den Ökostromzuschlag in der Stromrechnung bezahlt wird.

Wörtlich heißt es im Regierungsprogramm: "Das Ausmaß des Unterstützungsvolumens orientiert sich am Ausbaufahrplan. Im dreijährigen Mittel darf dabei ein Jahresmaximum von einer Milliarde Euro nicht überschritten werden." Zuletzt ist das Unterstützungsvolumen auf 570 Millionen Euro pro Jahr gesunken, was dem höheren Strompreis im Großhandel geschuldet war. Es gab aber auch Zeiten, in denen das Unterstützungsvolumen deutlich über 800 Millionen Euro pro Jahr hinausgeschossen ist.

Marktprämien auf 20 Jahre

Für das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, in dem sich die Vorgaben materialisieren sollen, sind die Vorgaben eindeutig: "Die Unterstützung erfolgt mit einem Fokus auf einen Mix aus Investitionsförderungen und gleitenden Marktprämien." Das heißt, je höher der Preis für Strom an der Börse ist, desto geringer fällt die Prämie aus, je niedriger der Marktpreis, desto höher die Prämie. Und: Die Laufzeiten für die Gewährung der Marktprämien werden generell auf 20 Jahre ausgedehnt. Zur Erinnerung: Die derzeit geltenden Einspeisetarife werden im Schnitt 13 Jahre lang ausbezahlt, in Deutschland sind es 20 Jahre.

Um den zusätzlichen Strombedarf beim Umbau auf erneuerbare Energien trotz Ausbaus der E-Mobilität zu minimieren, soll auch das Energieeffizienzgesetz nachgeschärft werden. Dabei will man aber bei der zuletzt stark kritisierten Verpflichtung der Lieferanten bleiben, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zu setzen. Die Einsparverpflichtung soll um die Möglichkeit einer Ersatzzahlungsleistung in einen Fonds ergänzt werden.

Einsatz gegen Atom- und Kohlekraft

Erneuerbare Energien schließen im Verständnis der türkis-grünen Koalition wie schon aller Koalitionen vorher Kernenergie dezidiert aus. Dafür und auch für das Zurückdrängen der Kohle will sich die Bundesregierung auch auf europäischer Ebene verstärkt einsetzen.

Bei Öl und Kohle soll es in der Raumwärme zu einem gestaffelten Phase-out kommen. Dieses gilt laut Regierungsprogramm ab 2020 in Neubauten und ab 2021 bei Heizungswechsel. Kessel, die älter als 25 Jahre sind, müssen ab 2025 ausgetauscht werden. Ab 2035 sollen sämtliche Kessel der Vergangenheit angehören. Im Neubau sollen zudem ab 2025 keine Gaskessel mehr zulässig sein. (Nora Laufer, Günther Strobl, 2.1.2020)