Regierungsprogramm: Kapitel "Infrastruktur"

Eine erste Maßnahme kann Verkehrsministerin Leonore Gewessler sofort und ohne Ministerratsbeschluss durchziehen: den umgehenden Stopp des von ihrem Vorvorgänger Norbert Hofer (FPÖ) initiierten Pilotprojekts Tempo 140 auf Autobahnen.

Masterplan Mobilität

Der große Rest im umfassenden Verkehrskapitel besteht aus großen Plänen unter dem Titel "Mobilitätsmasterplan 2030": Ziel ist – wie in fast jeder Regierung seit dem Jahr 2000 – eine "wirkungsorientierte integrierte Strategie für Luft-, Wasser-, Schienen- und Straßenverkehr". Ausgebaut werden sollen insbesondere öffentliche Verkehrsmittel wie Bahn, Bim und Bus, wobei am verkehrswirtschaftlich umstrittenen milliardenschweren Bahnausbauprogramm festgehalten wird – obwohl der überwiegende Teil des Fahrgastzuwachses in den vergangenen Jahren nicht im bundesländerübergreifenden Fernverkehr verzeichnet wurde, sondern im Pendlerverkehr in den Ballungsräumen.

Stundentakt

Mit "Garantiert mobil" verspricht man ein "weitgehend stündliches, ganztägiges Öffi-Angebot in ganz Österreich" und ein "1-2-3 Österreich-Ticket", das sich stufenweise von einem Bundesland um ein zweites und auf ganz Österreich erweitern lässt. An der dazugehörigen nationalen Buchungsplattform für alle Ticketsysteme des öffentlichen Verkehrs, wie es in der Schweiz etabliert ist, arbeitet die Staatsbahn ÖBB seit Jahren. Noch ist aber die Basis dafür, ein verkehrsträgerübergreifendes Fahrplan-Informationstool, nicht fertig. Billiger werden sollen auch Tickets für Menschen in Ausbildung (Studenten, Lehrlinge) – alles im Rahmen einer Öffi-Milliarde für den Nahverkehr.

Reform Öffi-Finanzierung

Eine Herkulesaufgabe stellt die Reform des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs und dessen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplitterter Finanzierung dar. Der Bund stellt das Grundangebot, die Länder stocken dieses mit Mitteln aus Finanzausgleich und Familienlastenausgleichsfonds auf. Versprochen wird für die Zukunft eine zweckgebundene Zuweisung der Millionen an die Bundesländer samt Integration der Schülerverkehre (Gelegenheitsverkehre) in die Linientaktfahrpläne.

Bahnausbau beschleunigen

Die jährlich zwischen 1,8 und 2,2 Milliarden Euro schwankenden Investitionen in die ÖBB-Infrastruktur gemäß ÖBB-Rahmenplan 2018–2023 sollen pro Jahr um fünf Prozent steigen, um die Fertigstellung des ÖBB-Zielnetzes 2025+ voranzutreiben und Nahverkehrsprojekte in Ballungsräumen rasch zu starten. Details zu Projekten und budgetären Auswirkungen fehlen. Die zuletzt entrierte Verlängerung und Aufstockung der Bahnbauoffensive zum ÖBB-Zielnetz 2040 findet sich im Koalitionspakt ebenfalls, der Fokus liegt auf Nahverkehr, Regionalbahnen, Güterstreckenaus- und neubau, Lückenschlüssen und Digitalisierung – wobei eine Prüfung versprochen wird, ob die bestehende Schieneninfrastruktur bestmöglich genutzt wird. Und: Die Elektrifizierung des ÖBB-Schienennetzes soll auf 90 Prozent erhöht werden.

Dieselprivileg bleibt

Unangetastet bleibt das "Dieselprivileg", die Steuerbegünstigung für Dieseltreibstoff. Einzig der Tanktourismus an Ausweich- und Umwegverkehren auf Lkw-Transitrouten darf durch "Beseitigung von wettbewerbsverzerrenden Privilegien" unterbunden werden. (Luise Ungerboeck, 2.1.2020)