Wer mit den ästhetischen Qualitäten von Windkraftanlagen schon nicht zufrieden ist, wird mit Agrophotovoltaik keine Freude haben. Acht Meter ragt ein tonnenschweres Stahlgestell auf einem Acker im bayrischen Heggelbach in die Höhe. Darauf montiert sind Photovoltaikmodule, die den Bauern mit Strom versorgen.

Der Clou: Die Fläche darunter ist für die Nahrungsmittelproduktion nicht verloren. Es wächst dort weiterhin Getreide, Obst und Gemüse. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) forscht hier am Bodensee daran, Strom und Lebensmittel auf ein und derselben Fläche zu ernten. Man arbeitet daran, Landwirtschaft und Energiewende zu versöhnen. Denn bisher standen diese eher in Konkurrenz.

Oben Strom, unten Stroh: Bei Agrophotovoltaik soll Stromerzeugung nicht mehr in Konkurrenz mit der Lebensmittelproduktion stehen.
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Die Energie von morgen braucht Platz

"Tank oder Teller" ist eines der großen Dilemmata des 21. Jahrhunderts. Bis 2050 soll möglichst keine Energie mehr aus der Erde kommen. Die Alternativen zu Kohle, Gas und Öl brauchen aber Platz, viel Platz. Energiepflanzen für Biomassestrom und den umstrittenen Biodiesel machen Lebensmitteln Ackerfläche streitig. Photovoltaik, neben Windenergie der Hoffnungsträger der Energiewende, braucht ebenfalls viel Fläche, um Sonnenlicht in Strom umzuwandeln. Etwa 180 Quadratmeter wären notwendig, um den gesamten Energiebedarf eines Menschen mit Solarenergie zu decken. Man muss kein Rechengenie sein, um festzustellen, dass für die Energie von morgen enorme Flächen notwendig sind. Flächen, auf denen man auch Lebensmittel anbauen könnte.

Sogenannte Freiflächenanlagen, wo Panel an Panel auf der grünen Wiese – oder eben auf Äckern – aufgestellt werden, werden kritisch gesehen und stoßen auf Widerstand, sagt Maximilian Trommsdorff vom ISE zum STANDARD. Gefördert werden sie in Deutschland und Österreich deshalb nicht.

Trommsdorff und seine Kollegen gruben deshalb eine Idee aus, die der ISE-Gründer Adolf Goetzberger schon 40 Jahre zuvor formuliert hatte: unten Gemüse, oben Photovoltaik. Vereinfacht gesagt.

Mehr als Pflanzen mit Dach

Denn während Agrophotovoltaik einfach klingt – Pflanzen mit Solardach drüber –, ist die Wahrheit komplizierter: Pflanzen sind sensibel, Photovoltaik ist es auch. Sie können einander ergänzen oder schaden. Im Wesentlichen kommt es auf die Pflanze an, fanden Trommsdorff und sein Team heraus. Salat, Hopfen und Kartoffeln gedeihen unter dem Schatten der Photovoltaikmodule besser als unter der prallen Sonne, Weizen, Mais und Obst eher schlechter.

Auch die Solarpanels können von den Pflanzen unter ihnen profitieren. Bei hohen Temperaturen nimmt der Wirkungsgrad der Panels nämlich ab. Besonders in heißen Gebieten können die Pflanzen unter der Anlage die Elektronik kühlen. Eine Win-win-Konstellation, die ein neues Energiezeitalter einläuten könnte.

Ein Prozent der Ackerflächen bringt genug Energie für die Welt

Im Rahmen einer Studie, die Anfang 2019 im renommierten Journal "Nature" veröffentlicht wurde, wird vorgerechnet, dass nur etwa ein Prozent der globalen Ackerfläche in Agrophotovoltaiksysteme umgewandelt werden müsste, um den weltweiten Energiebedarf zu decken. Wobei Energiebedarf hier nicht nur Strom, sondern auch die Energie inkludiert, die wir in Form von Öl für Heizen, Autofahren und Fliegen verbrauchen.

Ein Prozent klingt wenig, absolut gesehen handelt es sich aber um Millionen Hektar, die mit Photovoltaik ausgestattet werden müssten. Die Technologie hat die Versuchslabore bisher nur sehr zögerlich verlassen. In Japan, wo Flächen knapp sind, gibt es etwa bereits seit 2013 ein dezentrales Agrophotovoltaikprojekt, wo es auch darum geht, lokale Wertschöpfung zu fördern. Frankreich fördert ebenfalls. Mehr als 80 Prozent der installierten Leistung befindet sich allerdings in China.

Erste Ideen für Österreich

Auch in Österreich gibt es seit Ende Oktober eine Pilotanlage der Wien Energie in Guntramsdorf. Im Gegensatz zum System des Fraunhofer-Instituts wurden doppelseitige Solarpanels vertikal montiert, überdecken also keine landwirtschaftliche Fläche.

Windpark-Entwickler Joachim Payer von der Consultingfirma EWS hat eine etwas andere Idee. In seinem Konzept sollen die Panels wie in einem gewöhnlichen Solarpark nach oben gerichtet sein. Da sie aber ohnehin nicht sehr dicht aufgestellt werden können – sie würden einander die Sonne wegnehmen – sollen zwischen den Modulen Pflanzen wachsen. Damit trotzdem der Traktor durchfahren kann, sollen sie sich elektronisch verstellen lassen. Direkt unter den Panels könnten Blühstreifen angelegt werden. Der Flächenverlust, so Payer, wäre minimal.

Der Solarunternehmer kritisiert aber, dass aktuell eine Flächenwidmungskategorie für Agrophotovoltaiksysteme fehle. Die Genehmigung würde außerdem bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. "Zu lange, um die Energiewende bis 2030 zu schaffen", sagt Payer. (Philip Pramer, 7.1.2020)